Pilz: „Wir sind für die Anständigen und Tüchtigen“

(c) Mirjam Reither
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Sogar er als „hartgesottener Korruptionsspezialist“ sei baff und Schüssel der „Pate der Korruption“, sagt Peter Pilz. Faymann bietet er Hilfe bei der Wehrpflicht an.

Die Presse: Sie könnten jetzt sagen, Sie haben es immer schon gewusst: Schwarz-Blau/Orange – ein einziger Korruptionssumpf.

Peter Pilz: Das wäre zu einfach. Die Wahrheit ist: Sogar ich als hartgesottener Korruptionsspezialist bin überrascht, wie primitiv das System ist und wie schamlos es flächendeckend angewendet wurde. Das ist ein weiter Bogen von der Homepage-Affäre, den Grasseriaden über Buwog, Eurofighter, ÖBB bis zur Telekom. Und die nächsten Unternehmen stehen schon vor der Tür. Das ist wie ein Ausschlag, der den kompletten Körper einer Republik überzieht. Ich kann mir die Augen verbinden und eine Nadel in die Hand nehmen und irgendwo hineinstechen, und ich treffe mit hundertprozentiger Sicherheit eine schwarz-blaue Eiterbeule. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass es nur einige moralisch minderqualifizierte Funktionsträger wie den ehemaligen Finanzminister gegeben hat, wenn ein System sich so flächendeckend durchsetzt. Für mich war der Pate der politischen Korruption Wolfgang Schüssel. Als wir um zwei Uhr in der Früh bei ihm im Büro gesessen sind, bei den schwarz-grünen Verhandlungen 2003, hat er eine einzige Frage gestellt: Seid ihr bereit, dem Eurofighter zuzustimmen?

In der von Ihnen mit Verve betriebenen „Eurofighter-Skandal“-Aufdeckung ist bisher aber nicht allzu viel herausgekommen.

Nicht viel herausgekommen? Da ist das Mensdorff-Pouilly-Strafverfahren herausgekommen, das Verfahren gegen den Luftwaffenchef, dazu Hausdurchsuchungen in Wien, Verhaftungen in Rom . . .

Aber der „rauchende Colt“, der Nachweis der Schmiergeldzahlung an die Regierungsparteien war nicht darunter.

Das zeichnet sich alles ab. Die Spuren werden immer klarer, die Beweislage immer stärker. Früher oder später wird einer die Reißleine ziehen und sagen: Ich bin der Kronzeuge. Wir Grünen beginnen jedenfalls im Herbst mit einer großen Antikorruptionskampagne. Bis hin zu einem möglichen Volksbegehren. Im Wissen, dass die Grundfarben der Korruption in Österreich Schwarz und Blau sind, die Schmuckfarben Orange und Rot. Wir werden diesen Saustall ausmisten, um klarzumachen, dass wir die einzige Partei der Mehrheit der Ehrlichen sind. Wir sind jetzt die Partei der Anständigen und Tüchtigen, die FPÖ ist jene der Abgängigen und Flüchtigen.

Eines Ihrer Lieblingsopfer ist Michael Kloibmüller, der Kabinettschef des Innenministeriums, der schon unter Ernst Strasser Personalchef war. Ein von Ihnen angeregtes Postenschacher-Verfahren gegen ihn ist jedoch vor kurzem von der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingestellt worden.

Weil ein Staatsanwalt die gesamten Vorwürfe so lange liegen gelassen hat, dass das verjährt war.

Im konkreten Fall sagt die Staatsanwaltschaft aber, es hätten ohnehin die Richtigen, also die Bestqualifizierten die Posten bekommen.

Das ist Unsinn. Mit den Richtigen können nur die richtigen Parteibücher gemeint sein. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall darauf verzichtet, jeden einzelnen Fall zu überprüfen. Es hätte in jedem Fall sicher bessere Bewerber gegeben. Der Postenschacher im Innenministerium war eindeutig kriminell.

Kann es dennoch sein, dass Sie mit Ihren Enthüllungen gelegentlich übertreiben?

Im Regelfall werden unsere Vorwürfe so ernst genommen, dass sich Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben. Und ich versuche möglichst genau zu sein, denn mein Risiko ist kein strafrechtliches – da schützt mich die parlamentarische Immunität –, sondern ein zivilrechtliches. Und ich weiß, was das heißt. Ich habe eine 100-Millionen-Klage der Bauwirtschaft durchgekämpft.

Mit einem anderen Aufdeckungsbruder im Geiste, dem Plagiatsjäger Stefan Weber, haben Sie sich letztlich überworfen.

Weil ich mit seinen Methoden nicht einverstanden war. Er ist ein guter Detektiv, der Guggenbichler der Plagiatsszene. Seine Dokumentation über die Hahn-Dissertation war von den Fakten her beeindruckend, aber er hat sich angemaßt, bereits ein Urteil ins Gutachten zu schreiben.

Und er wirft Ihnen nun vor, Sie hätten von sich selbst abgeschrieben.

Ich gestehe, ich habe nicht nur meine Dissertation bei mir abgeschrieben, ich halte auch meine Reden nach eigenen Entwürfen.

Gab es schon einmal den Versuch, Sie zu bestechen?

Einmal hat mich die Frau Rumpold auf einen Kaffee eingeladen. Ich habe selbst gezahlt – es gibt einen Zeugen. Und einmal wollte ein Vertreter von EADS mit mir Abendessen gehen: Ich habe ihm gesagt, nach einer rechtskräftigen Verurteilung, wenn er die Strafe, die ihm zusteht, abgebüßt hat, können wir als Beitrag zu seiner Resozialisierung gerne Abendessen gehen.

Sollten die Grünen die SPÖ bei deren Wunsch nach einer unverzüglichen Volksbefragung oder -abstimmung über die Abschaffung der Wehrpflicht unterstützen?

Wir werden ihr sogar helfen, das Versprechen einzulösen. Wir werden einen Antrag auf Volksbefragung noch heuer im Nationalrat einbringen. Wir werden Faymann wieder einmal beim Wort nehmen.

Die Grünen hatten zuletzt ein wenig das Image einer puritanischen Verbotspartei. Sind Sie auch dafür, anderen das Rauchen zu untersagen?

Niemand von uns ist dafür, Rauchen zu untersagen. In Lokalen und öffentlichen Gebäuden aber schon. Mir ist der Kinderschutz schon wichtiger als das individuelle Recht auf Rauchen. Sonst soll man die Leute tun lassen, was sie wollen. Wenn sichjemand unbedingt vergiften will, dann ist es sein gutes Recht. Wenn sich Menschen in Raucherzimmern gemeinsam selchen wollen, sollen sie es tun. Ich habe selbst einen Oldtimer, einen Borgward Isabella. Ich werde niemandem einreden können, dass dieses Fahrzeug der Gipfel der ökologischen Entwicklung ist. Ich fahre im Jahr 100 bis 200 Kilometer. Das nehme ich auf mein ökologisches Schuldenkonto. Und ich habe einen Riesenspaß dabei, wenn ich eine Ausfahrt mache.

Die Grünen haben ihre für Herbst geplante Statutenreform abgesagt, damit bleibt die unverhältnismäßige Macht der Basis erhalten. Auch Sie werden wieder von deren Laune abhängig sein, wenn Sie 2013 ein weiteres Mal kandidieren wollen.

Ich persönlich fürchte mich nicht. Aber es wäre mir dennoch lieber gewesen, wir hätten uns getraut, diese kleine Statutenänderung durchzuführen und so ein sinnloses Relikt aus der Gründungszeit der Grünen abzuschaffen. Ein wenig mehr Mut hätte uns gut getan.

Im Herbst sind Sie seit 25 Jahren im Parlament. Reizt Sie eine weitere Legislaturperiode eigentlich noch?

Ja, es macht richtig Spaß, wenn ich in die Gesichter von Strache, Kopf und Cap sehe. Dann weiß ich: Die brauchen mich noch eine Zeit lang.

Sie sind ja ein kreativer Mensch. Haben Sie einen Alternativvorschlag für die umstrittene „Heimat, bist du großer Söhne“-Zeile in der Bundeshymne – oder soll sie so bleiben, wie sie ist?

Ich würde Söhninnen vorschlagen. Im Ernst: Es gibt bei uns so viele gute Musiker und Dichter. Schreiben wir eine neue Hymne aus. Sorgen wir nur dafür, dass der Bundespräsident nicht mitdichten darf.

Zur Person

Peter Pilz (57) sitzt seit genau 25 Jahren als Abgeordneter der Grünen im Parlament. Von 1992 bis 1994 war er auch Bundessprecher, also Parteichef der Grünen. Einen Namen machte sich der gebürtige Kapfenberger als Aufdecker: Baukartell, Noricum, Lucona, auch in den Fällen Eurofighter und Grasser war der Sicherheitssprecher aktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

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