Korruption: Wenige Gute gegen raffinierte Böse

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Die Staatsanwaltschaft und die Polizei haben das Problem, entsprechend gut ausgebildete Experten zu finden, die komplexe Korruption, Finanz- und Wirtschaftskriminalitätsfälle in Österreich untersuchen können.

So dürfte es ungefähr sein, wenn man eine Nadel im Meer sucht: 270 Terabyte an Daten hat die Sonderkommission mittlerweile angehäuft, die den Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog) und mögliche Betrügereien rund um die Privatbank Constantia untersuchen. 270 Terabyte entsprechen ungefähr 54 Milliarden DIN-A4-Seiten. „Da kann's dann schon ein bisschen dauern, bis man das durchgeschaut hat“, meint ein Buwog-Ermittler sarkastisch. Allzu viele Ermittler gibt es nämlich nicht: Etwa 20 Polizisten und zwei Staatsanwälte untersuchen zwei der größten Wirtschaftskriminalfälle der Republik.

Damit ist eigentlich schon die gesamte Problematik rund um die Verfolgung von Korruption, Finanz- und Wirtschaftskriminalität in Österreich erklärt: Es gibt schlicht zu wenig Personal. Vor allem angesichts der Vielzahl an Fällen, die sich in der jüngeren Vergangenheit auftat: Ungereimtheiten beim Flughafen Wien-Schwechat, Verdächtigungen bei der Eurofighter-Auftragsvergabe, der Verkauf der Kärntner Hypo Alpe Adria, der Rechtsstreit rund um Meinl European Land, die Vorgänge beim Buwog-Verkauf, bei der Constantia Privatbank und der Kommunalkredit, die Pleite des Internetunternehmens YLine, die Millionenzahlungen der ÖBB an einen PR-Berater. Und jetzt natürlich die Telekom und ihre Geldflüsse an die Politik, was sich scheinbar zu einem noch nie dagewesenen Korruptionsfall entwickelt.

15 Anwälte, 50 Sonderermittler

Dem stehen auf der Seite der „Guten“ 15 Korruptionsstaatsanwälte gegenüber und ein „Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung“ mit etwa 50 Ermittlern. In den verschiedenen Staatsanwaltschaften gibt es zwar ebenso Experten für Wirtschaftskriminalität wie im Bundeskriminalamt und in den Polizeidienststellen in den Ländern. Aber: „Wir beschäftigen uns mit Verdächtigen, die sehr, sehr viel Geld für Steuerberater, Anwälte und Finanzexperten bezahlt haben, damit sie möglichst fantasievolle Konstruktionen für sie erarbeiten“, sagt ein Ermittler. „Das muss man erst einmal durchschauen können.“

Das sei eines der grundlegenden Probleme, gibt ein Beamter im Innenministerium zu. „Man muss ja selbst ein Finanzexperte sein, um zu verstehen, was man hier in Händen hält oder um die beschlagnahmten Dokumente von Hausdurchsuchungen auszuwerten. Wir haben Kollegen, die das schon sehr lange machen. Die wissen, wo sie schauen müssen. Die Jungen arbeiten enorm hart, aber sie stehen eben sehr erfahrenen Verschleierern gegenüber.“

Oder einer Gruppe von Menschen, von denen keiner ein klassisches Opfer ist. „Korruption ist für die Involvierten eine Win-Win-Situation“, sagt ein Beamter des Innen-ministeriums. „Beide Seiten profitieren davon, es gibt keine Geschädigten außer Aktionäre oder die Allgemeinheit.“ Da sei es oft schwer zu beweisen, dass eine Leistung nicht erbracht oder viel zu hoch bezahlt wurde.

Das Expertenproblem gibt es auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft. „Uns fehlen die Leute mit dem Spezialwissen“, gibt Justizministerin Beatrix Karl in einem Interview in der „Kleinen Zeitung“ zu. Und Walter Geyer, Leiter der neuen Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), sprach am Donnerstag bei der Eröffnung der neuen Dienststelle von einem „Nadelöhr“. Hätte man schon bisher die angepeilten 40 Staatsanwälte, wäre „Österreich eine Menge an Kritik erspart geblieben“.

5500 Fälle, 140 Anklagen

Das Problem ist, sie zu finden – und das in einer entsprechend kurzen Zeit. Die Ausbildung zum Staatsanwalt dauert nach Abschluss des Jusstudiums weitere vier Jahre. Man muss also, um aktuelle Anforderungen zu erfüllen, im Pool der bereits aktiven Juristen fischen: Sieben Rechtsanwälte hat man bisher zum Wechsel bewegen können.

Am Geld dürfte es nicht gelegen sein: Das Anfangsgehalt eines Staatsanwalts liegt bei etwa 2000 Euro netto. Auf der anderen Seite, also bei den Finanz- und Wirtschaftsrechtsanwälten, ist durchaus mehr zu verdienen. Dazu komme, dass man in manchen Fällen ins politische Kreuzfeuer geraten kann und medial teilweise „recht exponiert ist“, wie ein Staatsanwalt meint. Nicht für alle sei das erstrebenswert.

Über Arbeitsmangel kann sich die WKStA nicht beklagen: Seit ihrer Gründung 2009 wurden 5500 Fälle an sie herangetragen, 140 Mal kam es zu Anklagen. Aktuell liegen bei der Sonderstaatsanwaltschaft 2800 Fälle – von der kleinen Bestechung bis zur Causa Buwog. Um die Behörde zu entlasten, wird sie künftig nur Wirtschaftsstrafsachen mit Schadensbeträgen von mehr als fünf Millionen Euro und Korruptionsfälle, die 3000 Euro übersteigen, behandeln.

Einen Vorteil haben die Staatsanwälte und Ermittler auf jeden Fall: „Man lernt alle Tricks kennen“, berichtet ein Polizist. Allein: „Bei unseren Gehältern bringt das halt wenig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2011)

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