Gorbach, Hochegger, Grasser, Meischberger, Strasser: Der Preis der Kanzlerschaft

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Korruption, Betrug, Untreue: Das sind nur einige Vorwürfe, wegen derer gegen Ex-Minister der Ära Schüssel ermittelt wird. Angefangen hat es mit den Bundeswohnungen. Wirklich dicke Hund ist die Telekom Austria.

Wien/Rie. Es war ein lauer Frühsommermorgen im Jahr 2000. An einem Tisch im Wiener Hotel Bristol saßen PR-Stratege Peter Hochegger und Willibald Berner, zu der Zeit gerade frischgebackener Kabinettschef des damaligen Kurzzeit-Infrastrukturministers Michael Schmid (FPÖ). Man trank Kaffee, aß ein leichtes Frühstück, und dann berichtete Hochegger sehr Interessantes.

„Er hat mir mitgeteilt, dass unlängst ein kleiner Kreis von Persönlichkeiten aus der FPÖ zusammengesessen sei und über die im Regierungsprogramm vorgesehenen Privatisierungen diskutiert habe. Dabei sei man zu dem Schluss gekommen, dass man bei den diversen Privatisierungsprojekten zusehen sollte, an den in diesen Geschäften üblichen Gebühren zu partizipieren.“ So jedenfalls erzählte es Berner im Oktober 2009 der Staatsanwaltschaft.

Nutznießer der Privatisierungen sollten bestimmte Politiker der FPÖ oder Personen im Dunstkreis der FPÖ sein, die Hochegger laut Berner in einem übersichtlichen Organigramm auf den Frühstückstisch zeichnete. Ob die Version stimmt, wird irgendwann die Justiz klären. Fakt jedenfalls ist, dass es während der ÖVP-FPÖ-Koalition Privatisierungen, Geldflüsse und Zahlungen gab, die von der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Betrugs, Untreue, Bestechung, illegaler Absprachen oder unerlaubter Geschenkannahme untersucht werden.

Fast zehn Mio. Euro Provision

Angefangen hat es mit der Privatisierung der Bundeswohnungen. Sie wurden 2004 um 830,6 Millionen Euro an die Immofinanz verkauft. Der hauchdünn unterlegene Zweitbieter hatte 829,4 Millionen Euro geboten. Der Finanzminister, der den Verkauf durchführen ließ, war Karl-Heinz Grasser (damals FPÖ). Dessen Trauzeuge Walter Meischberger, einstiger FPÖ-Generalsekretär, und Hochegger kassierten von der Immofinanz fast zehn Millionen Euro. Für die erfolgreiche Betreuung beim Kauf.

Dank Immobiliendeals floss damals viel Geld, etwa an den Makler Ernst-Karl Plech. Er kassierte für die Übersiedlung des Wiener Handelsgerichts in den Justiztower eine Vermittlungsprovision von 607.476 Euro. Auch der Umzug der oberösterreichischen Finanzlandesdirektion in den „Terminal Tower“ in Linz interessierte die Staatsanwaltschaft: 200.000 Euro flossen von einem der drei Erbauer an eine Firma Hocheggers. Der Vorwurf steht im Raum, dass diese Zahlung geholfen hat, die Übersiedlung zu beschleunigen. Wegen eines dieser Deals musste Meischberger telefonisch bei Hochegger nachfragen: „Wos woa mei Leistung?“, schrieben die mithörenden Polizisten ins Protokoll und schufen ein geflügeltes Wort.

Seltsam ging es rund um den Kauf der Eurofighter-Kampfflugzeuge im Jahr 2003 zu. Leidenschaftlich hatte Grasser zuerst gegen den Ankauf plädiert, dann trat er plötzlich für die Flugzeuge ein. Später wurde bekannt, dass Hersteller EADS Honorare von mehreren Millionen Euro an die Werbeagentur von Grassers Parteifreund Gernot Rumpold gezahlt hatte. Zur Causa gab es unter anderem einen Untersuchungsausschuss, der nichts Strafbares entdeckte, weitere gerichtliche Ermittlungen laufen aber.

Die Vergabe des digitalen Behördenfunks unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) beschäftigt sogar US-Behörden. Strasser stoppte die bereits weit fortgeschrittenen Arbeiten des Bieterkonsortiums Master Talk, das Funknetz wurde 2004 neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt ein Konsortium von Alcatel, Motorola und Telekom Austria. Die Neuvergabe wird jetzt vom Rechnungshof untersucht. Gegen Strasser wird seit heuer wegen Korruption in einer anderen Causa ermittelt: Er hatte als Europaabgeordneter Bereitschaft gezeigt, Gesetze gegen Bezahlung zu beeinflussen.

Motorola soll ab April 2004 in Summe 2,2 Millionen Euro an den österreichischen Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly, den Ehemann der früheren ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat, überwiesen haben. Die US-Börsenaufsicht SEC glaubt, dass mit diesen Geldern „unzulässige Zahlungen“ an politische Entscheidungsträger in Europa und dem Mittleren Osten“ geleistet wurden.

Kann mit Geleistetem „sehr gut leben“

Der wirklich dicke Hund ist die Telekom Austria, die hunderttausende Euro an FPÖ-Politiker der schwarz-blauen Koalition gezahlt haben soll. Etwa an den früheren Infrastrukturminister Hubert Gorbach, der nach seinem Ausscheiden aus der Politik 264.000 Euro für eine Sekretärin erhalten haben soll. Auch Gorbachs Vorgänger als Infrastrukturminister, Mathias Reichhold, soll nach dem Ausscheiden aus dem Amt 72.000 Euro für Beratertätigkeit bei der Telekom erhalten haben; überwiesen wurde das Geld von Hocheggers Firma Valora.

Angesprochen auf die Affären der Minister seiner Kanzlerschaft – für die übrigens, wie für alle Genannten, die Unschuldsvermutung gilt – meinte Wolfgang Schüssel gestern, er könne nicht dafür verantwortlich sein, was ein Minister nach seiner Amtszeit tue. Er könne nicht ausschließen, dass sein Vertrauen von Einzelnen getäuscht oder missbraucht worden sei: „Niemand würde dies mehr bedauern als ich selbst.“

Politisch zog Schüssel eine äußert positive Bilanz seiner Regierungszeit: Mit dem Geleisteten könne er „sehr gut leben“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2011)

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