"Man kann schon über ein Bikiniverbot reden"

"Man kann schon über ein Bikiniverbot reden"(c) APA / Jäger
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Staatssekretär Sebastian Kurz und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky über "Restösterreicher" in Ottakring, türkische Ärzte in Döbling, ein neues Islamgesetz und Schwarz-Blau im Schatten der Telekom-Affäre.

Die Presse: Wie geht es Ihnen hier am Yppenplatz? Kommen Sie öfter hierher?

Harald Vilimsky: Nein, fast nie. Das ist außerhalb meines Aktionsradius. Hier ist doch der originäre Charakter der Stadt verloren gegangen mit Zuwandereranteilen von 70 oder 80 Prozent.

Wie nehmen Sie den Platz wahr, Herr Staatssekretär?

Sebastian Kurz: Es gibt sicher viele Plätze wie diesen, die man aufwerten muss. Daraus sollen coole, moderne, urbane Grätzeln werden, die zurzeit vielleicht noch konfliktbehaftet sind.

Vilimsky: Ich empfinde es nicht als, wie Sie sagen, cool, dass man vielerorts keine Österreicher mehr findet. Es sind auch vor allem kulturferne Nationen aus dem islamischen Raum: Türken, Araber, Schwarzafrikaner. Da findet ein Verdrängungswettbewerb statt. Ich will nicht, dass noch mehr Kulturfernes ins Land hereinschwappt.

Was zum Beispiel?

Vilimsky: Die muslimische Brüderschaft will jetzt nach dem Sturz Mubaraks den Bikini in Ägypten verbieten. Solche Forderungen will ich nicht in Österreich. Und auch nicht, dass bei uns Türke neben Araber neben Schwarzafrikaner ein Lokal nach dem anderen eröffnet.

Kurz: Mir ist es lieber, ein Türke eröffnet ein Lokal als er ist arbeitslos. Man kann schon darüber sprechen, ob in Ägypten der Bikini verboten werden soll. Viel wichtiger ist, dass Muslime hier unsere Werte teilen.

Was, wenn nicht?

Vilimsky: Die FPÖ will überhaupt einen Zuwanderungsstopp, damit man Integrationsdefizite im Land ausgleicht. So gibt es etwa in Grätzeln im 15. Bezirk nur noch Reste der autochtonen Bevölkerung.
Kurz: Wir müssen verhindern, dass in ein paar Bezirken die Ausländer wohnen und in allen anderen der Rest der Österreicher.

Vilimsky: Sie sind also dafür, dass man Türken nach Döbling schickt.
Kurz: Es gibt schon viele Migranten zweiter Generation, die sich toll integriert haben, perfekt Deutsch können und gut ausgebildet sind. Unternehmer, Ärzte oder Rechtsanwälte. Was ist das Problem, wenn die sich ein Vermögen aufgebaut haben und nach Döbling wollen?

Vilimsky: So kann es nicht sein, dass Sie die türkischen Ärzte nach Döbling schicken. Und alle, die aus Ostanatolien kommen und vielleicht Schafhirten waren, sich im 15., 16. oder 10. Bezirk konzentrieren wollen. Wir brauchen da auch Integrationsdruck. Wer unsere Gesellschaftsordnung nicht teilt, kriminell geworden ist oder länger arbeitslos ist, soll gehen müssen.

Sie wollen auch ein Kopftuchverbot . . .

Vilimsky: Ja, aber der Herr Kurz überholt ja lieber seine Koalitionskollegin, Frau Rudas, links. Sogar die will ein Verbot. Das wäre ja auch ein Zeichen der Gleichberechtigung.
Kurz: Ein Verbot ist derzeit kein Thema. Es darf aber keine Frau gezwungen werden, Kopftuch zu tragen. Es gibt übrigens auch viele Migranten, die zwar keine Kopftücher oder sonstige Symbole tragen, sich aber nicht integriert haben. Vor 30, 40 Jahren haben wir viele ins Land geholt, ohne zu überlegen: Sollen die Deutsch lernen, oder gehen die eh wieder zurück? Das ist ein Versagen, dass das nicht passiert ist.

Vilimsky: Finde ich gut, dass Sie quasi als Vertreter einer Regierungspartei ein Versagen in der Vergangenheit eingestehen. Es werden aber noch immer dieselben Fehler gemacht. Mit der Rot-Weiß-Rot-Card holen Sie Leute aus Nicht-Europa, angeblich für den Arbeitsmarkt. Aber wen wollen wir hier eigentlich? Leute aus Schwarzafrika oder Arabien? Dann kommen die, für die der Koran vor allem anderen gilt.

„Daham statt Islam“ – solche Slogans wären der FPÖ vor dem 11. September 2001 nicht eingefallen, oder? Sehen Sie eine neue Islamfeindlichkeit, von der Experten sprechen?

Kurz: Es gibt definitiv eine große Islamskepsis. Und dass die FPÖ das schürt, haben wir oft gesehen.
Vilimsky: Es gibt eben viele Moscheen und Gebetshäuser, in denen radikale Imame Gläubige in nichtdeutscher Sprache mit strengen Regeln des Koran indoktrinieren.

Sehen Sie das auch so, Herr Kurz? Und was ist Ihre Antwort?

Kurz: Dazu startet jetzt das Dialogforum Islam von mir, mit Politikern, Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Experten.
Vilimsky: Die sehr radikalen Tendenzen werden Sie damit nicht wegbringen, solange sehr strenge Imame hierher kommen.
Kurz: Aus dem Forum heraus werden wir der Regierung Vorschläge unterbreiten, wie etwa, dass Imame künftig im Inland ausgebildet werden. Prüfen wollen wir auch, ob das Islamgesetz noch zeitgemäß ist.

Was könnte ein neues Gesetz bringen?

Kurz: Darüber werden wir bis Ende 2012 im Forum sprechen und dann der Regierung Vorschläge machen.

Schwarz-Blau hat in der öffentlichen Wahrnehmung zuletzt schwer gelitten. Vor allem durch die Telekom-Affäre sind Ihre Parteien beschädigt . . .

Kurz: Wäre aktuell ein ÖVP-Minister korrupt, wäre Werner Faymann sicher der Letzte, der daran schuld wäre. Wenn Minister wie Reichhold und Co. anscheinend – es gilt ja die Unschuldsvermutung – unsauber oder falsch agiert haben, ist das nicht das Verschulden der ÖVP.

Mit der Blaulichtfunk-Affäre steht aber auch Ex-Minister Strasser im Verdacht.

Kurz: Er ist schon vor Monaten in anderer Sache zurückgetreten, die ÖVP hat schnell gehandelt. Zum Blaulichtfunk kenne ich bisher nur mediale Anschuldigungen, keinen handfesten Vorwurf.

Auch die FPÖ würde jetzt bei Neuwahlen stagnieren bis verlieren.

Vilimsky: Wir haben in den Jahren nach 2000 Gerüchte über Malversationen gehört und sind daraufhin auf Distanz zur eigenen Führungsmannschaft gegangen, bis hin zur Spaltung der Partei. Ich halte fest: Es ist ein schwarz-oranger Skandal, kein schwarz-blauer.
Kurz: Sie und Herbert Kickl waren allerdings engste Mitarbeiter von Haider bis Reichhold.
Vilimsky: Weder gegen Kickl noch gegen mich wird auch nur die leiseste Anschuldigung erhoben.

Welche Antwort muss die Regierung nach den Korruptionsvorwürfen geben?

Kurz: Stärkere Anti-Korruptionsregelungen wären wünschenswert.
Vilimsky: Selbstverständlich. Aber Gesetze haben wir jetzt schon. Das Problem liegt in mangelndem Anstand und mangelnder Moral.

Warum fällt Ihren Parteien eigentlich eine neue Regelung der Parteienfinanzierung so schwer? Wollen Sie Ihre Sponsoren geheimhalten?

Vilimsky: Wenn einer 50 oder 100 Euro spendet, wird man ihn nicht namentlich bekannt machen. Aber die Schwelle bei insgesamt 1000 Euro oder auch bei 7000 Euro im Jahr anzusetzen, wie Rot-Schwarz das will, halte ich für sinnvoll.
Kurz: Natürlich müssen wir das gesetzlich Notwendige tun, um Unsauberkeiten einzudämmen. Allerdings wird jeder, der entsprechende kriminelle Energie hat, Mittel finden, sie auch auszuleben.

Sie haben die scharfe Wortwahl und das Ängste-Schüren durch die FPÖ kritisiert, Herr Kurz. Könnten Sie beide je miteinander koalieren?

Kurz: Der Herr Vilimsky und ich? Na ja. Es gibt jetzt eine Regierung, die noch viel Potenzial hat, Arbeit zu leisten. Das sollte sie auch tun.
Vilimsky: Ich habe da überhaupt keine persönlichen Befindlichkeiten oder Berührungsängste. Nach den Wahlen ergeben sich Mehrheiten, und wenn sich gemeinsame Programme ergeben, haben Politiker die Verpflichtung, auch zusammenzuarbeiten. Über die Farbkombination entscheidet in Wahrheit nur der Wähler.

Zu den Personen

Sebastian Kurz, 25, ist seit April im Team Michael Spindeleggers erster Integrations-Staatssekretär im Innenministerium. Seit 2009 ist er auch Chef der Jungen ÖVP und Vizechef der Wiener ÖVP.

Harald Vilimsky, 45, ist seit 2006 Generalsekretär der FPÖ. Ebenfalls seit 2006 ist der enge Vertraute von Parteichef Heinz-Christian Strache im Nationalrat, davor war er im Bundesrat und im Wiener Landtag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2011)

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