Lobbyisten-Gesetz: Scharfe Kritik an Kammer-Privilegien

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Ex-Rechnungshofpräsident Fiedler hält das Lobbying-Register für nicht transparent genug. Die wichtigen Details würden dem Bürger vorenthalten. Ziel der Regierung ist es, alle Lobbying-Aktivitäten zu erfassen.

Wien. Vor dem Lobbyisten-Gesetz, das am Dienstag den Ministerrat passierte, sind nicht alle gleich: Während Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand das Lobbying ist, und Betriebe, die eigens Lobbyisten beschäftigen, eine ganze Reihe von Daten in einem Register preisgeben müssen, werden Selbstverwaltungskörper wie die Kammern und Interessenverbände wie der Gewerkschaftsbund vom Gros der Auflagen ausgenommen.

Weder ihren Jahresumsatz noch die Namen ihrer Lobbyisten müssen die Kammern nennen. Die Regierung begnügt sich mit der Schätzung ihrer jährlichen Lobbying-Kosten und einer Gesamtzahl der „Interessenvertreter“, die sie beschäftigen. Kanzler Werner Faymann hält diese Regel für „gerechtfertigt“, wie er nach dem Ministerrat erklärte. Denn im Gegensatz zu den Lobbying-Unternehmen seien die Kammern „gesetzlich definierte Interessenvertretungen“.

Eine Argumentation, die Franz Fiedler, ehemals Rechnungshofpräsident und heute Österreich-Chef von Transparency International, für fadenscheinig hält: Das bedeute doch nur, dass die Kammern „von Gesetz wegen schon Lobbyisten sind“. Und ihren Einfluss auf Politiker schätzt Fiedler „weit höher“ ein, als jenen von klassischen Lobbyisten. „Daher sind diese Privilegien absolut nicht einzusehen.“

Überhaupt sei dieser Gesetzesentwurf nicht transparent genug: Eigentlich, sagt der Transparency-Chef, sollte für den Bürger „klar ersichtlich sein, bei wem lobbyiert wurde – und welches Gesetz die Handschrift des Lobbying-Betriebes und des Auftraggebers dahinter trägt. Dann kann er sich einen Reim darauf machen.“ Alles das sei derzeit jedoch nicht der Fall.

Denn die Öffentlichkeit soll im Register zwar nachlesen können, wie die Lobbying-Firma heißt, wo sie ihren Sitz hat, wen sie beschäftigt und wie viel sie umgesetzt hat. Einsicht in die Informationen über Einzelaufträge und den jeweiligen Auftraggeber dahinter darf die Justizministerin aber nur „den Vertragsteilen“ und betroffenen Funktionsträgern gewähren. Es sei denn, „andere Personen oder Organe“ hätten ein besonderes rechtliches Interesse, die Geheimhaltung aufzuheben. So steht es im Entwurf.

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Keine Sanktionen für die Kammern

Das Ziel der Regierung ist es, alle Lobbying-Aktivitäten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene zu erfassen. Lobbyieren darf nur, wer im Register eingetragen ist. Und: Beim Erstkontakt mit einem Politiker oder Beamten muss sich der Lobbyist als solcher zu erkennen geben. Abgeordnete, die von einer Kammer oder einem Interessenverband entsandt wurden, sind von diesen Bestimmungen ausgenommen – selbst, wenn sie die Interessen ihres Arbeitgebers vertreten.

Ähnlich verhält es sich bei den Sanktionen: Sie gelten nur für Lobbying-Betriebe und Unternehmen, die eigene Lobbyisten beschäftigen. Vorgesehen sind Verwaltungsstrafen bis zu 60.000 Euro. Außerdem kann die Justizministerin Lobbyisten ohne Androhung aus dem Register streichen lassen, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen.

Regeln gibt es auch für Amtsträger: (Aktive) Politiker und Beamte dürfen für ihren Zuständigkeitsbereich keine entgeltlichen Lobbying-Aufträge entgegennehmen. In Betrieben werden Erfolgshonorare für Lobbyisten untersagt – es drohen Strafen bis zu 20.000 Euro.

Die Sanktionen nennt Fiedler zwar „ausreichend“ – doch die Vergehen müssten zunächst einmal aufgedeckt werden. Die Fragen seien: „Wir scharf wird kontrolliert? Oder: Wie kommt an die Oberfläche, wenn Stillschweigen zwischen Auftraggeber und -nehmer vereinbart wurde?“ Da seien die Bezirksverwaltungen „echt gefordert“.

In Kraft treten soll das Gesetz im März 2012. Im Parlament bedarf es für den Beschluss einer Zweidrittelmehrheit und damit der Zustimmung einer Oppositionspartei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2011)

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Das Lobbyistengesetz ist nicht mehr als ein PR-Gag.

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