Die kleine Wirkung der »großen Töchter«

Ab 2012 wird die neue Hymne erklingen. Die Verfechterinnen feiern das als Signal nach innen und außen.

„Hexenverbrennung“, „Schleich dich, Emanze“: So, oder so ähnlich, mussten sich Vorreiterinnen der neuen Hymne von Maria Rauch-Kallat (ÖVP) über Gisela Wurm (SPÖ) bis Judith Schwentner (Grüne) eigenen Angaben zufolge zuletzt beschimpfen lassen. In Gesprächen beim Einkaufen, auf der Straße – oder sogar unter Parlamentariern. Jetzt ist ihr Werk vollbracht, fast jedenfalls: Ab Jänner 2012 soll in Österreich die neue Hymne gelten. „Heimat großer Töchter und Söhne“, soll es dann in der ersten Strophe heißen – statt wie bisher, bei Paula von Preradović, „Heimat bist du großer Söhne“. Außerdem geplant ist, die „Brüderchöre“ in der dritten Strophe zu „Jubelchören“ zu machen. Das wünschen sich sogar die Erben der Autorin der Hymne aus dem Jahr 1947 – wenn der Text schon geändert wird.

Und das gilt bereits als sicher: Die Regierungsparteien sollen zurzeit eifrig an einem Entwurf für das neue Gesetz arbeiten, wie die „Presse am Sonntag“ erfuhr: Die „Heimat großer Töchter und Söhne“ dürfte sich demnach durchsetzen – statt der zunächst favorisierten „Heimat großer Töchter, Söhne“ (also mit Beistrich). Die Vorentscheidung über den exakten Wortlaut soll dann im Verfassungsausschuss am 22. November fallen, der finale Entschluss in der ersten Dezemberwoche im Plenum. Die notwendige einfache Mehrheit scheint bereits fix. Auch wenn noch, wie beim ersten Anlauf der rot-schwarz-grünen Frauenallianz im Juli, mehrere männliche ÖVP-Abgeordnete bremsen. Vor allem aber FPÖ und BZÖ, die eine Änderung der Hymne „prinzipiell“ ablehnen: Österreich habe andere Sorgen – etwa das Budget.

Für die mittlerweile ausgeschiedene Abgeordnete Rauch-Kallat, ÖVP-Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm, deren Kolleginnen Wurm und Schwentner geht es aber um mehr: Die neue Hymne habe eine „wichtige Symbolwirkung“ nach innen und auch nach außen, sagen sie unisono. Österreich solle und dürfe sich nicht länger mit einer „Macho-Hymne“ (Rauch-Kallat) präsentieren. Dass die Machos hierzulande noch weit verbreitet sind, habe sich zuletzt etwa darin gezeigt, dass sich Stefan Petzner (BZÖ) diese Woche im Nationalrat sorgte, das „Land der Dome“ könnte bald zu einem „Land der Dominas“ werden. „Ein Rücktrittsgrund“, urteilt Schittenhelm. „Das ist unterste Schublade.“


Für 51,4 Prozent. Ein solches „Lächerlichmachen von Frauen“ müsse rasch ein Ende haben, sagt die ÖVP-Frauenchefin. Die neue Hymne könne und werde dazu beitragen, das Bewusstsein der Frauen selbst, aber auch jenes der Männer für die Frauen und ihre Leistungen zu steigern, ist Wurm überzeugt. Immerhin stellen die Frauen 51,4 Prozent der Bevölkerung. „Früher hat man das Volk mit ,Bürger' angesprochen. Heute gehören die ,Bürgerinnen' automatisch dazu. So werden wir das auch bald mit den ,Töchtern' empfinden.“

Judith Schwentner hätte gern eine Rundum-Reform der Hymne – mit noch mehr gendergerechten Formulierungen. „Jetzt ist es halt der kleinste gemeinsame Nenner geworden.“ „Allerdings“, so die Grüne, „die meisten Österreicher identifizieren sich ohnehin eher mit den Lipizzanern als mit der Hymne. Ob die Frauen im Text das ändern können, wird sich zeigen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2011)

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