Kippt als Nächstes die Grunderwerbsteuer?

Kippt Naechstes Grunderwerbsteuer
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Einheitswerte immer stärker unter Druck: Der Aufhebung der Grundbuchsgebühr durch den Verfassungsgerichtshof könnte eine weitere folgen.

Wien. Vorige Woche hat der Verfassungsgerichtshof die Grundbuchsgebühr per 31.Dezember 2012 aufgehoben (G 34, 35/11; „Die Presse“ hat berichtet). Er hielt die Anknüpfung an die veralteten Einheitswerte erneut für unsachlich. Bei der Eintragung des Eigentumsrechtes in das Grundbuch wird eine Gebühr von 1,1% fällig. Als Wert wird bei Grundstückskäufen im Wesentlichen der Kaufpreis, bei Schenkungen der dreifache Einheitswert und in Sonderfällen der einfache Einheitswert angesetzt. Die Aufhebung der Eintragungsgebühr hat eine starke Signalwirkung für die bisher noch nicht vom VfGH geprüfte Grunderwerbsteuer, weil die Grunderwerbsteuer ebenfalls an diese Werte anknüpft. Da diese mit zwei bzw. 3,5% bis zu dreimal so hoch ist wie die Eintragungsgebühr, wird der VfGH sehr wahrscheinlich auch die Grunderwerbsteuer aufheben, sobald eine Beschwerde an ihn herangetragen wird.

Dem VfGH bleibt nur ein einziges Argument, mit dem er die Grunderwerbsteuer doch für verfassungskonform erklären könnte. Dieses bestünde in der Anerkennung einer gezielten grunderwerbsteuerlichen Begünstigung von meist innerhalb der Familie erfolgenden Grundstücksschenkungen. Eine solche gezielte Begünstigung hat der VfGH bei der Eintragungsgebühr aber abgelehnt. Zwar wird die Eintragungsgebühr im Unterschied zur Grunderwerbsteuer für die Inanspruchnahme einer konkreten staatlichen Leistung (des Grundbuchsgerichtes) erhoben, weshalb Begünstigungen derzeit schon gesetzlich explizit nicht vorgesehen sind. Trotz dieses Unterschiedes würde der VfGH eine Begünstigung durch veraltete Einheitswerte wahrscheinlich auch bei der Grunderwerbsteuer ablehnen.

Gesetzgeber schaut tatenlos zu

Der VfGH hat für die Eintragungsgebühr eine Reparaturfrist bis 31.Dezember2012 eingeräumt. Bleibt der Gesetzgeber bis dahin untätig, bemisst sich die Eintragungsgebühr künftig generell nach dem Verkehrswert. Schon vorsorglich weist der VfGH aber darauf hin, dass eine individuelle Wertermittlung durch Sachverständige bei Grundstücksschenkungen unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Der VfGH gibt damit einen Hinweis auf mögliche neuerliche Verfassungswidrigkeiten bei einer Untätigkeit des Gesetzgebers. Im Sinne einer Nivellierung nach unten könnte sich der Gesetzgeber auch dazu entschließen, generell, also auch bei Grundstückskäufen, die Einheitswerte heranzuziehen. Den damit verbundenen Einnahmenentfall wird der Fiskus aber nicht hinnehmen wollen. Deshalb ist auch eine Abschaffung der Eintragungsgebühr und der Grunderwerbsteuer unrealistisch. Alternativ wären bei einer ausreichenden Staffelung auch feste Gebührensätze möglich. Das wäre aber nur für die Eintragungsgebühr und nicht für die Grunderwerbsteuer eine zufriedenstellende Lösung.

Auf die Problematik der veralteten Einheitswerte wird schon seit Jahren hingewiesen. Leider hat die Politik weder agiert noch auf die Entscheidungen des VfGH reagiert. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer ließ man auslaufen. Die Stiftungseingangssteuer wird gerade in ein anderes Gesetz „übersiedelt“, um sie zumindest vorläufig vor der drohenden Aufhebung zu retten (siehe Rechtspanorama vom 17. Oktober). Nur die Grundsteuer hat der VfGH nicht angetastet, weil die Bewertungsunschärfen aufgrund der geringen Steuerfolgen (noch) hingenommen werden können. Wäre der VfGH hier nicht so großzügig gewesen, hätte dies vielleicht schon zu den notwendigen Reformen geführt. Es bleibt zu hoffen, dass die Aufhebung der Eintragungsgebühr jetzt den nötigen Impuls liefert und dass nicht auch noch bis zur Aufhebung der Grunderwerbsteuer zugewartet wird.

Die politische Untätigkeit ist nicht nur steuerrechtlich problematisch, sondern es ist auch rechtsstaatlich bedenklich, wenn politische Entscheidungsträger die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ignorieren. Die Geduld der Verfassungsrichter dürfte – soweit man höchstgerichtliche Befindlichkeiten derart beschreiben kann – mittlerweile erschöpft sein. So weisen die Richter in der aktuellen Entscheidung darauf hin, dass der Gesetzgeber für verfassungskonforme „Ersatzbemessungsgrundlagen zu sorgen“ hat, wenn er „das vernünftige System [der Einheitsbewertung] verlässt“.

Dabei wäre gerade die Einheitsbewertung relativ einfach zu reformieren, weil das unabhängig von allen anderen steuerrechtlichen Reformnotwendigkeiten erfolgen könnte. Dadurch würden nicht nur mehrere Abgaben wieder auf solide Beine gestellt, sondern zugleich würde auch die Grundsteuer als praktisch einzig vernünftig durchführbare Vermögensteuer automatisch valorisiert. Das immer wieder vorgeschobene Argument der mit einer Einheitswertreform verbundenen Verwaltungskosten kann hingegen nur dazu dienen, dieses politisch heikle Thema unangetastet zu lassen.

Ass.-Prof. DDr. Hermann Peyerl, LL.M. arbeitet am Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Boku Wien.

Auf einen Blick

Die Eintragungsgebühr für das Grundbuch richtet sich allgemein nach dem Kaufpreis des Grundstücks. Wird ein Grundstück aber verschenkt oder vererbt, errechnet sich die Gebühr auf Basis der Einheitswerte. Das ist verfassungswidrig, weil sich die wahren Werte weit von den Einheitswerten entfernt haben. Greift der Gesetzgeber bis Ende 2012 nicht ein, richtet sich die Gebühr stets nach dem tatsächlichen Wert des Grundstücks.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2011)

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