Maltsching: „Zu viel Karrierepolitik und zu wenig Ehrenamt“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Was steckt hinter der Politikverdrossenheit. Maria Maltsching von der „Sektion 8“ der SPÖ glaubt, dass sich die Parteistruktur ändern muss.

Die Presse: Zwei Gruppen interessieren sich sehr wenig für Innenpolitik: junge Menschen und Frauen. Sie sind eine junge Frau – und in der SPÖ. Warum?

Maria Maltschnig: Ich komme zwar aus einem sozialdemokratischen Elternhaus – mein Vater war Bürgermeister in Zell am See –, aber politisch aktiv bin ich erst seit 2004, seit Beginn meines Studiums. Ich gehöre zur „2000er-Generation“, das sind junge Leute, die unter der schwarz-blauen-Regierung SPÖ-Jugendorganisationen beigetreten sind. Seit 2008 bin ich Frauensprecherin in der Sektion 8.

Verstehen Sie denn, warum sich das Gros Ihrer Altersgenossen kaum für Politik interessiert?

Ja. Wenn man sich ansieht, welches Bild die politischen Parteien bieten, ist das ein relativ hermetisch abgeriegelter männlicher Apparat. Das wirkt auf junge Frauen nicht besonders einladend. Generell stößt die Jungen das Hickhack des politischen Tagesgeschäfts ab.

Wie hoch sind denn der Altersschnitt und der Frauenanteil in der Sektion 8?

Der Großteil ist Mitte bis Ende zwanzig. Auch wir haben allerdings einen Männerüberhang und trotz vieler Diskussionen kein Rezept, wie man das ändern könnte.

Die Sektion 8 sieht sich als neuer und linker, sehr linker Thinktank. Warum braucht es so etwas? Hätte man nicht zum Beispiel beim Renner-Institut andocken können?

Das hat mit unserer Entstehungsgeschichte zu tun. Die Sektion ist entstanden, weil es in der „2000er-Generation“ einen unglaublichen Unmut über die Regierungsbildung des Kabinetts Gusenbauer gab. Wir hatten das Gefühl, dass er die Partei verkauft. Wir sind angetreten, um die SPÖ von innen zu verändern. Ich will dem Renner-Institut nicht seine Thinktank-Eigenschaft absprechen, die machen Bildungsarbeit, und das ist gut so, aber die Sektion konzentriert sich auf ökonomische Themen: Zuletzt ging es um das Thema Steuern, aktuell um Parteiendemokratie.

Sie sind aber ein inoffizieller SPÖ-Thinktank, den die Partei nicht nützt.

Noch nicht.

Die Sektion hat zur SPÖ ein eher angespanntes Verhältnis. Ich zitiere aus Ihrem Strategiepapier: „Es gibt Bereiche in der SPÖ, in denen Gefügigkeit, familiäre Bande, Schleimerei, gefinkeltes Intrigieren, langjährige Zugehörigkeit oder politische Profillosigkeit eine dominante Rolle spielen.“ Ist das ein Problem der Personen oder der Struktur?

Der Struktur. Es gibt viel zu viel Karriere- und Berufspolitik und viel zu wenig Ehrenamt.

Wollen Sie die Abschaffung des Berufspolitikers? Einen ehrenamtlichen Bundeskanzler?

Nein, natürlich nicht.

Über welche Funktionen reden wir?

Wir haben die Debatte selbst erst initiiert. Wir sehen die Probleme, werden aber erst im Frühjahr konkrete Vorschläge vorlegen können.

Was müsste sich denn sonst an der Parteistruktur ändern?

Wir finden, dass Mandatare in ihrer Existenz nicht davon abhängen dürfen, ob sie bei einer Abstimmung mitgehen. Man könnte etwa das Wahlrecht stärker personalisieren und Listenplätze über Vorwahlen vergeben. Dass man wie in Frankreich Vorwahlen über den Spitzenkandidaten durchführt, sehe ich als Mindeststandard der Mitbestimmung von Parteimitgliedern.

Soll die SPÖ basisdemokratisch werden?

Zwischen dem Modell der SPÖ und dem basisdemokratischen Chaos der Grünen in den Achtzigern ist viel Platz.

Zum Schluss eine ehrliche Antwort: Ist es nicht naiv zu glauben, dass die Sektion 8 die SPÖ verändern kann?

Ich will den Einfluss nicht dramatisieren, wir sind sehr klein. Aber das „Ja“ zum Verbot des kleinen Glücksspiels auf dem Wiener Landtag hat gezeigt, dass es demokratische Prozesse in der SPÖ gibt. Wenn man uns Naivität vorwirft, möchte ich dagegenhalten, dass Leute, die nicht im Machtzirkel der Partei sitzen, einen objektiveren Blick auf deren Schwächen haben. Vielleicht muss es eine Wahlniederlage geben, damit sich etwas ändert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2011)

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