Koalitionsbasar bringt Reichensteuer

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Die ÖVP hat der SPÖ signalisiert, dass es eine neue Steuer geben könnte. Auch die Sozialdemokraten sind bereit, an Tabus zu rütteln: Das zu niedrige Frauenpensionsalter könnte angehoben werden.

Wien. Es war eine alte Forderung der Volkspartei – die SPÖ gab ihr nach lang anhaltendem Widerstand nach: die verfassungsrechtliche Verankerung einer Schuldenbremse, die zur Erfüllung allerdings automatisch den Beschluss eines Sparpakets erfordert.

Und dafür muss sich aus SPÖ-Sicht auch die ÖVP bewegen. Oder präziser: Sie musste sich bewegen. Bevor Werner Faymann und die teils murrende Partei dem neuen, im internationalen Vergleich ohnehin verzögerten Sparkurs zustimmten, machte die ÖVP – inoffiziell – ein Zugeständnis: Es dürfe eine neue Steuer auf große Vermögen und/oder einen Solidarbeitrag auf hohe Einkommen geben. Dies wurde der „Presse“ von einem hochrangigen Funktionär bestätigt.

Vor rund zwei Monaten hat Michael Spindelegger erstmals unter den schwarzen Landesparteichefs sondiert, ob sie die Einführung eines möglichen Solidarbeitrags für Bezieher hoher Einkommen unterstützen würden. Sie würden großteils. Niederösterreichs Erwin Pröll erklärte dies einige Wochen später in einem „Presse am Sonntag“-Interview. Notwendige Gegenmaßnahme dafür laut dem Spindelegger-Plan: Leistungsträger, also Bezieher höherer Löhne, müssten gleichzeitig entlastet werden, indem die Berechnungsgrundlage für den Spitzensteuersatz kräftig erhöht wird.

Dass andere Formen der Vermögensbesteuerung für die ÖVP denkbar seien, wurde der „Presse“ bestätigt: Auch eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer stehe im Raum – mit hohen Freibeträgen, um die Masse der Hausbesitzer und Bauern zu schonen. Spindeleggers Sprecher Thomas Schmid dementierte am Donnerstagabend eine Vermögensteuer mit ÖVP-Hilfe: „Eine Substanzbesteuerung wird es mit uns nicht geben.“

Auf SPÖ-Seite wird ebenfalls an Tabus gerüttelt, um ein gemeinsames Sparpaket zu ermöglichen: Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sorgte am Donnerstag für Aufsehen, weil er bei der Budgetdebatte über das Sozialkapitel von sich aus eine raschere Anhebung des niedrigeren Frauenpensionsalters zum Thema machte: „Ich glaube, wir sollten auch hier eine offene Diskussion führen.“

Nach einer 1992 beschlossenen Verfassungsbestimmung erfolgt die Anhebung für Frauen im ASVG, Bäuerinnen und Gewerbetreibende erst ab 2024 in Halbjahresschritten von 60 auf 65 Jahre – für weibliche Beamte gilt schon jetzt wie für Männer 65 Jahre.

Hundstorfer ging sogar noch weiter und nannte auch Gründe für eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters: die seit 1992 gestiegene Frauenbeschäftigungsquote von mittlerweile 66 Prozent, mehr ältere Frauen im Arbeitsprozess und die gestiegene Lebenserwartung.

Heinisch-Hosek ist dagegen

Allerdings meldete SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek prompt massive Bedenken an: „Das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben heißt nicht, Frauen länger im Arbeitsprozess zu halten. Viele Unternehmen entledigen sich älterer Arbeitnehmerinnen, weil sie zu teuer sind. Das ist die Realität in der heutigen Wirtschaft“, ließ sie der „Presse“ zum Vorstoß Hundstorfers ausrichten. Österreich brauche Strategien, um Frauen länger im Arbeitsprozess zu halten. „Ein Anheben des gesetzlichen Antrittsalters bringt älteren Frauen nichts, und auch nicht dem Staat. Denn wir verschieben die Ausgaben dann nur von der Pension in die Arbeitslosenversicherung.“

In diese Kerbe schlägt auch Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger. Dennoch lässt auch Öllinger aufhorchen: Er tritt wie die ÖVP für Änderungen in den Kollektivverträgen ein, um Frauen zu ermöglichen, dass sie mit 60 Jahren nicht zwangsweise in Pension geschickt werden, sondern freiwillig länger im Job bleiben können.

Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl spricht sich für eine raschere Anpassung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer aus. Eine konkrete Jahreszahl bis zu einer Angleichung der beiden Systeme wollte er nicht nennen.

Neugebauer gegen Felderer

Vehement gegen Einsparungen bei den Beamten setzte sich gestern Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer zur Wehr: „Das kommt sicher nicht infrage. Die öffentlich Bediensteten sind nicht schuld am Schuldendesaster. Sie werden die Suppe auch nicht allein auslöffeln.“ Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, hatte sich Mittwochabend im „Journal Panorama“ auf Ö1 für eine Nulllohnrunde bei den Beamtengehaltsverhandlungen ausgesprochen und verwies dabei auf internationale Vorbilder. Der Staat müsste ohnehin für Strukturvorrückungen bei den Beamten zahlen. „Das muss man noch einmal draufrechnen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)

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