Vassilakou: "Ich warne vor einer Schuldenbremse"

Maria Vassilakou, Die Gr�nenFoto: Clemens Fabry
Maria Vassilakou, Die Gr�nenFoto: Clemens Fabry(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Vizebürgermeisterin sieht höhere Parkgebühren nicht als Geldbeschaffungsmaßnahme. In Wien werde bereits gespart, sagt sie. "Beamtenschröpfen" sieht sie nicht als gangbaren Weg.

Die Presse: Parken plus 66, Wasser plus 33, Müllgebühr plus sechs Prozent. Ist das nach einem Jahr die grüne Handschrift in Wiens Regierung?

Maria Vassilakou: Mit Ausnahme der Parkgebühren: Nein! Wenn Kommunen finanziell besser ausgestattet wären, würden sie nicht an der einzigen Schraube drehen müssen, die zur Verfügung steht.

Teure Parkgebühren sind also Geldbeschaffung?

Das ist eine Verkehrslenkungsmaßnahme. Wir müssen ernsthafte Maßnahmen für Klimaschutz und bessere Luftqualität setzen.

Wien bekommt besonders viel Geld aus dem Finanzausgleich. Warum reicht das nicht?

Bei ständig wachsender Bevölkerung ergeben sich allein aus der Neubautätigkeit horrende Kosten. Die Kosten für die Mindestsicherung haben sich in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Über die Pflegekosten brauchen wir erst gar nicht reden.

Warum wird dann nicht gespart?

Sparen ist gut, aber es wäre höchst an der Zeit, auf Bundesebene die Besteuerung von Stiftungen anzugehen.

Damit sind wir wieder bei Steuererhöhungen.

Es braucht beides. Zu den Einnahmen: Österreich leistet es sich, Steuerparadies für Superreiche zu sein. Dafür wird auf Massensteuern gesetzt, die die Mittelschicht noch mehr belasten.

Das ist Bundessache. Wir fragen aber Wiens Vizebürgermeisterin nach Einsparungspotenzialen.

Auch als Vizebürgermeisterin bin ich der Meinung, dass mit einer Vermögensteuer für Reiche die Pflegefinanzierung weitestgehend gelöst werden kann.

Nochmals: Wo soll gespart werden?

Es wird gespart. Ich nenne exemplarisch die Wiener Gesundheitsreform. Für mein Ressort gilt: Einsparungspotenzial sehe ich bei größeren Infrastrukturmaßnahmen. Besonders beim Straßen- und Brückenbau. Jetzt muss man Substanzielles finanzieren - die Neugestaltung der Mariahilfer Straße, die Erneuerung der Meidlinger Hauptstraße, den Straßenbau für die Seestadt Aspern.

Wo soll hier gekürzt werden?

Es geht weniger um Kürzungen, sondern um genaue Planung, damit prognostizierte Kosten eingehalten werden. 

War man hier bisher zu nachlässig?

Ich will keine Noten an meine Vorgänger verteilen. 

Das riesige Wiener Beamtenheer bleibt von Sparmaßnahmen verschont?

Die Kaufkraft wird immer als ein zentraler Motor der Konjunktur beschworen. Beamtenschröpfen per se ist deshalb nicht der klügste Weg, um Finanzen zu sanieren.

Das klingt, als müsste man sich um die Beamten Sorgen machen. Aber allein die Beamtenpensionen liegen deutlich über den ASVG-Pensionen.

Es wäre etwas anderes, wenn man eine Pensionsreform anstrebt, die Bund und Länder erfasst. Und jungen Menschen die Sicherheit bietet, dass auch sie eine Pension bekommen werden, von der sie leben können. Hier braucht es größere Umverteilung von den älteren Generationen, die viele Privilegien genossen haben, zu jüngeren. Aber ich halte es für unfair und unsinnig, einzelne Gruppen an den Pranger zu stellen, weil man sich nicht traut, das große Ganze anzugehen. 

Wird es nicht trotzdem eine Schuldenbremse für Wien geben müssen? 

Ich unterstütze den Weg, dass Wien innerhalb der nächsten Jahre Schulden abbaut.

Derzeit werden aber eher Schulden angehäuft.

Es gibt große Sparanstrengungen in vielen Bereichen. Aber wir müssen zugleich in Schulen, Pflege, Wohnbau viel investieren.

Diese Sparanstrengungen reichen nicht. Kann sich Wien Geldgeschenke wie die billigere Jahreskarte noch leisten?

Das sind keine Geldgeschenke. Das ist ein Dankeschön an Zigtausende, die täglich mit den Öffis zur Arbeit fahren. Und wir wollen Tausende neue dazugewinnen - für mehr Lebensqualität und den Klimaschutz.

Ist das nicht Luxus angesichts der Schulden?

Man muss mit Maß und Ziel sparen. Ich warne vor einer Schuldenbremse, wie sie auf Bundesebene diskutiert wird. Jene europäischen Länder mit brachialen Sparpaketen sind weder demokratisch stabiler geworden noch haben sie dadurch eine stabilere Wirtschaft. Oder glücklichere Bürger.

Als Brachialsparpaket kann man die derzeit geplante Schuldenbremse nicht bezeichnen.

Sparen kann man nicht mit Prinzipienreiterei angehen. Man muss konkrete Maßnahmen und ihre Auswirkungen einzeln abwägen. Von mir würde es aus Prinzip nie eine Zustimmung zu einer Schuldenbremse geben.

Sie empfehlen den Bundesgrünen auf keinen Fall zuzustimmen?

Ich würde empfehlen, nicht zuzustimmen. Man kann nur über ein konkretes Paket abstimmen, aber niemals einen Blankoscheck für den Kahlschlag ausstellen und der Finanzministerin in die Hände legen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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