Rote Bremsklötze für Schuldenbremse

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Die SPÖ-Gewerkschafter wollen das Sparpaket nur mit Vermögensteuern akzeptieren. Die ÖVP legt ihre Strategie Ende der Woche in einer Klausur fest. Die Opposition stellt Bedingungen.

Wien. Der Nationalrat hat Freitagabend das Budget 2012 beschlossen. Nur die Koalition stimmte für den ersten Haushaltsentwurf von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), der ein Defizit von 3,2 Prozent und eine Staatsverschuldung von 74,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorsieht und damit die Maastricht-Vorgaben der EU verfehlt.
Umso kräftiger muss Fekter nun mit der Regierungsspitze die Schuldennotbremse ziehen, um bis 2020 das von SPÖ und ÖVP zumindest im Ministerrat festgelegte Ziel eines Abbaus der Staatsverschuldung auf 60Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu schaffen.

Abgelehnt wurden die von BZÖ bzw. FPÖ eingebrachten Misstrauensanträge gegen Finanzministerin Fekter bzw. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), die übrigens die Abstimmung über ihre Zukunft persönlich von der Regierungsbank verfolgten.

Beschluss spätestens im März 2012

Nach dem Zeitplan der Koalition soll bis Ende Jänner das Sparpaket fertig sein und im März gemeinsam mit dem neuen Finanzrahmen bis 2016 beschlossen werden. Dafür ist in beiden Koalitionsparteien aber noch jede Menge Überzeugungsarbeit notwendig. Bundeskanzler SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann kann damit schon heute, Samstag, beim Landesparteitag der SPÖ Oberösterreich in Wels beginnen. Die Landespartei fühlt sich ebenso wie die roten Gewerkschafter mit der Einführung einer Schuldenbremse überrumpelt. SPÖ-Landesparteichef Josef Ackerl war zudem einer der ersten Befürworter einer Vermögen- bzw. Reichensteuer.

Am Montag wartet die nächste Hürde. Präsidium und Vorstand der Fraktion der SPÖ-Gewerkschafter (FSG) unter Vorsitz Wolfgang Katzians beraten über die Schuldenbremse und neuerliche Einsparungen, die im Detail erst geklärt werden müssen. Eines steht aber schon vor der Sitzung fest: Die roten Gewerkschafter werden dem anwesenden Sozialminister und Ex-ÖGB-Präsidenten Rudolf Hundstorfer eine Bedingung mit auf die Heimreise geben: Für den Schuldenabbau müsse es jedenfalls einnahmenseitige Maßnahmen geben, nämlich Vermögensteuern. Das hat Katzian in der Budgetdebatte im Nationalrat am Freitag bekräftigt. Nach dem Willen der SPÖ-Gewerkschafter ist auch die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ein Thema.

Erst in der Vorwoche haben ÖGB-Präsident Erich Foglar und Katzian beim Gewerkschaftskongress der Beamten vor einem „Kaputtsparen“ und einem Abwürgen des für 2012 vorhergesagten schwachen Wirtschaftswachstums gewarnt. Foglar äußerte sich am Freitag im ORF-Radio daher „skeptisch bis ablehnend“ zur Schuldenbremse, die in der Verfassung festgeschrieben werden soll. Der Präsident der Arbeiterkammer, Herbert Tumpel, assistierte, geplante Sparmaßnahmen dürften das Wachstum nicht abwürgen. Er drängt weiter auf eine Regulierung der Finanzmärkte: „Wenn weiter so gezockt wird, können die Staaten konsolidieren so viel sie wollen, die Situation wird sich nicht verbessern.“

ÖVP plant eine befristete Solidarabgabe

In der ÖVP gibt es zwar grundsätzlich einen breiten Konsens für eine Schuldenbremse. Für Vizekanzler und Parteiobmann Michael Spindelegger wird es aber kommenden Donnerstag/Freitag spannend. Dann ist nach Informationen der „Presse“ aus verlässlicher Quelle eine Klausur der ÖVP-Spitzen und des Regierungsteams vorgesehen. Ursprünglich war geplant, diese Beratungen geheim abzuhalten. Es geht um die weitere Strategie der Partei.

Für Zündstoff ist gesorgt. Denn wie aus Parteikreisen zu erfahren war, bleibt die ÖVP in den Verhandlungen mit der SPÖ zwar vorerst beim Nein zu einer Vermögensteuer. Sie ist jedoch bereit, eine Solidarabgabe für Bezieher ganz hoher Einkommen mitzutragen. Um dieses Vorhaben intern leichter durchzubringen, steht eine Befristung dieser Maßnahme auf einige Jahre zur Debatte. „Es läuft alles in Richtung Solidarabgabe“, sagte ein ÖVP-Funktionär zur „Presse“. Abgesehen vom Wirtschaftsbund ziehe die gesamte Partei mit. Die Idee hatte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll öffentlich gemacht – im Interview mit der „Presse am Sonntag“ vor einigen Wochen. Der Solidarbeitrag war intern mit Spindelegger abgesprochen gewesen.

Einzelverhandlungen mit der Opposition

Auf alle Fälle wartet auf SPÖ und ÖVP noch ein Problem: Sie brauchen im Nationalrat die Stimmen von zumindest einer Oppositionspartei für die notwendige Zweidrittelmehrheit. Bei einem Treffen der Klubobleute der fünf Parlamentsparteien zur Schuldenbremse holten sich SPÖ-Fraktionschef Josef Cap und sein ÖVP-Pendant Karlheinz Kopf eine Abfuhr bei FPÖ, Grünen und BZÖ, weil diese für die Koalition teils unerfüllbare Bedingungen stellten. Cap und Kopf werden es nun in Einzelverhandlungen versuchen.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte wieder die Einstellung der österreichischen Beteiligung an der Griechenland-Hilfe und eine Volksabstimmung über den Euro-Rettungsschirm als Bedingungen für ein Ja verlangt. „Schuldenbremse nur mit Vermögensteuern“, sagte der grüne Vizeklubchef Werner Kogler. BZÖ-Chef Josef Bucher lehnt Steuererhöhungen ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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