Analyse. Alles falsch gemacht? Warum der Onlineauftritt des Bundeskanzlers bisher scheitert.
[WIEN] Das Desaster des SPÖ-Onlineauftritts hat viele Gesichter. Das aktuelle gehört Sabrina A.: Jung, hübsch, blond soll sie zuletzt neben ihrem Pony von der Internetseite „gerechtigkeit.spoe.at“ gelächelt haben – als eine von Hunderten SPÖ-Unterstützern. Das Bildermosaik zeigte neben SPÖ-Prominenz auch „einfache“ Fans aus dem Volk. So wie eben Sabrina A.
Deren Foto aber einen Schönheitsfehler hat: Es kann bei der Fotoagentur „fotolia“ erworben werden. Eine unangenehme Nachricht für SPÖ-Sprecher Oliver Wagner. Den Vorwurf aus der Netcommunity, die SPÖ habe sich für ihre (inzwischen veraltete) Kampagne Fans „gekauft“, weist er aber strikt zurück. Jeder x-beliebige User könne ein Foto auf „gerechtigkeit.spoe.at“ laden; Wagner schließt auch nicht aus, dass die Politkonkurrenz der SPÖ mit einem solchen Eintrag habe schaden wollen.
Der Vorfall reiht sich jedenfalls in eine Pannenserie: Erst am Donnerstag hat das Magazin „Datum“ publik gemacht, dass wohl mehrere Profile auf der Facebookseite des Kanzlers Werner Faymann gefälscht seien. Die Indizien: Die Profile hinter den Accounts sind unüberprüfbar, die Texte oft allzu positiv – für die soziale Gerechtigkeit zum Beispiel, für die der Kanzler kämpfe. Poster Hannes W. hat es mittlerweile zu massenmedialer Bekanntheit gebracht. Denn auch sein Foto kann bei einer Fotoagentur – iStockphoto – gekauft werden.
Gegen den Verdacht, hinter den Fake-Accounts könnten SPÖ-Mitarbeiter stecken, die Jubel inszenieren, wehrt sich das Kanzleramt aber heftig. Man habe „keinesfalls“ selbst etwas damit zu tun, betont die Webbeauftragte des Kanzlers, Angelika Feigl. Seit Tagen verspricht Faymanns Onlineteam auf Facebook, Fake-Accounts zu blockieren. Echte Fans werden aufgerufen, mögliche Fakes zu melden.
Werbung statt Dialog
Allein die Frage bleibt: Wie konnte der symbolträchtig am Nationalfeiertag gestartete Onlineauftritt zu einer solchen PR-Niederlage werden? Bisher war die Kampagne nur für einen ein Erfolg: Failmann, der im Web als Parodie auf den Kanzler unterwegs ist. Um dessen Identität wird dieser Tage eine kleine Schnitzeljagd veranstaltet. Der „Standard“ konnte zumindest die Berufe der drei Betreiber verraten: einer ist PR-Agenturbesitzer, einer Unternehmensberater und Hobby-Kabarettist und einer ist SPÖ-Politiker.
Bei der Original-Seite, jener, Faymanns, kann der Misserfolg jedenfalls nicht an den Mitteln liegen: 98.000 (Steuer-)Euro ließ man sich den Webauftritt auf Facebook, twitter, flickr und bundeskanzler.at bisher kosten, auf 200.000 Euro dürfte der Aufwand in den nächsten Monaten steigen. Viel Geld für etwas, was sich bisher hauptsächlich als Werbeauftritt entpuppt hat.
In sozialen Netzwerken gebe es zwei Strategien, erklärt der Socia-Media-Experte Ulf Grüner: eine aktive, sprich einen echten Dialog, und eine passive, bei der man sich aufs Ankündigen beschränkt. Letzteres machen etwa Firmen, von denen man aber auch nichts anderes erwarte. Sehr wohl aber von einem Politiker, der Bürgernähe verspricht: Da sei der Online-Spott verständlich, wenn einer nur „das Notwendigste“ und dieses „fad“ (O-Ton Politikberater Thomas Hofer) kommuniziert. „Wenn man mit den Leuten nicht reden will, muss man ihnen das vorher sagen“, sagt Grüner. Oder, böser ausgedrückt: Eine Facebookseite ist kein Inserat.
Was das Dilemma der Politiker im Netz auf den Punkt bringt: Bürger stellen coram publico unangenehme Fragen und erwarten schnelle Antworten. „Es ist normal, dass Politiker ein Team haben, das die Seiten betreut, aber ohne Persönliches geht es nicht“, sagt Grüner. Faymann selbst war auf Facebook bisher erst einmal selbst aktiv. Feigl gibt zu, dass Optimierungsbedarf bestehe: Man müsse „persönlicher und konkreter werden“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19. November 2011)