Klassenkampf light in der Volkspartei

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Der Konflikt zwischen Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel belastet die Partei. Daher wird Mikl-Leitners "Her mit dem Zaster"-Sager nun auch heruntergespielt. Vor allem im Wirtschaftsbund ist man wenig erfreut.

Wien. Demonstrative Gelassenheit. So lässt sich die Reaktion führender ÖVP-Funktionäre auf die klassenkämpferischen Töne von Johanna Mikl-Leitner beschreiben. „Das ist zwar eine Sprache, die man in der ÖVP sonst nicht gewohnt ist. Aber das ist halt der ÖAAB“, meint einer von diesen. Die Situation ist ohnehin heikel genug. Die Partei befindet sich in einer Zerreißprobe. Auf der einen Seite der Wirtschaftsflügel und Finanzministerin Maria Fekter, die „den Sozen in allen Parteien“ ausrichten lässt, dass nun aber wirklich gespart werden müsse. Auf der anderen der Arbeitnehmerflügel, der dies nur unter Inanspruchnahme einer Solidarabgabe tun will.

Johanna Mikl-Leitner hat am Samstag auf dem ÖAAB-Bundestag wortwörtlich gepoltert: „Und wenn die Abzocker oder die Börsenspekulanten unter den Spitzenverdienern zur Kasse gebeten werden und sie das Gefühl haben, wir zocken sie ab, dann sag ich euch nur: Die haben sowieso keinen Sinn für das Gemeinsame, für die Gemeinschaft. Dann sage ich bei denen nur: Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie!“ Für Mikl-Leitner hat es sich ausgezahlt. Tosender Applaus. Fast 94 Prozent der Stimmen bei ihrer Wahl zur neuen ÖAAB-Obfrau.

Genau darauf wird im Partei-Establishment nun auch verwiesen: Mikl-Leitner habe sich mit dieser Rede eben ihre Mehrheit auf dem ÖAAB-Kongress gesichert. Offiziell äußern wollte sich am Montag kein ÖVP-Grande. Wohl auch wegen der montäglichen Schlagzeile der „Kronen Zeitung“: „Wirbel in ÖVP um Mikl-Leitner“. Diesen Gefallen wolle man der „Krone“ nicht machen. Von der ÖVP-Basis sind allerdings unterschiedliche Signale zu vernehmen. Es gibt Zustimmung zu Mikl-Leitners Sager, aber auch massive Ablehnung. Vor allem im Wirtschaftsbund ist man wenig erfreut. Und dieser bleibt dabei: Es soll ausgabenseitig gespart werden, in eine Diskussion über „Reichensteuern“ begebe man sich erst gar nicht. Auch in Industriekreisen herrscht Verwunderung über die Ausdrucksweise Mikl-Leitners. Aber auch von der Industriellenvereinigung wollte gestern niemand offiziell Stellung beziehen.

Mit Parteichef Michael Spindelegger war Mikl-Leitners Rede nicht abgestimmt. Der Vizekanzler ignorierte diese dann auch in seiner Ansprache am ÖAAB-Bundestag – wie auch schon Mikl-Leitners Forderung nach einer Solidarabgabe für Spitzenverdiener davor. Allerdings hatte Spindelegger Ähnliches vor einigen Wochen selbst in den Raum gestellt, was Mikl-Leitners Mentor Erwin Pröll dann in einem „Presse am Sonntag“-Interview aufnahm und als seine Position propagierte.

Die ÖVP steckt in einem Dilemma, wieder einmal – zwischen dem christlich-sozialen und dem wirtschaftsliberalen Flügel. Und ums Eck lauert auch noch der politische Gegner. Retrospektiv wird die deftige Wortwahl der Innenministerin auch damit gerechtfertigt, dass es der Konkurrenz bisher ganz gut gelungen sei, die ÖVP als Partei der Spekulanten und Abzocker hinzustellen. Dem habe die Innenministerin etwas entgegenzusetzen versucht. Allerdings dürfte Mikl-Leitner schon auch die Stimmung unter den ÖAAB-Delegierten ganz gut antizipiert haben. An sich gelten diese innerparteilich in sozialpolitischen Fragen ohnehin schon als eher linkslastig. Und dann hat sich der explizit linke Flügel des ÖAAB – dessen Vertreter in der Arbeiterkammer – in der Vorwoche gemeinsam mit den anderen Fraktionen auch noch gegen die von der ÖVP-Führung forcierte Schuldenbremse ausgesprochen.

„Spindelegger abgehoben“

Ein schwarzer Promi meldete sich gestern dann doch noch mit Kritik zu Wort: Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer warf Parteichef Spindelegger Abgehobenheit vor. Zudem sei es befremdlich, dass Mikl-Leitners Rede von der Bundespartei einfach so als wahltaktisches Manöver hingenommen wurde. Aber auch dafür hat man in der ÖVP eine Erklärung parat: Wegen der Klausur in St. Florian hätten es die ÖVP-Minister nicht zu Mödlhammers Geburtstagsfeier geschafft – was diesen gekränkt habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2011)

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