Faymann: "Prüfen Einführung der Erbschaftssteuer"

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Bundeskanzler Werner Faymann verteidigt im Gespräch mit der "Presse" die Einführung neuer Steuern und will auch ÖVP-Vorschläge zu Erhöhung des Pensionsantrittsalters prüfen lassen.

Die Presse: Ich nehme an, Sie freuen sich über die Bestätigung des Triple A für Österreich durch die Ratingagentur Moody's, aber . . .

Werner Faymann: Es ist eine Auszeichnung. Österreich liegt innerhalb der Eurogruppe an fünfter Stelle, was die Höhe der Zinsbelastung betrifft. Österreich ist Triple-A-Land und gehört damit  zu den Besten.


Mit höheren Zinsen als noch vor Kurzem. In der Begründung der Agentur heißt es unter anderem auch, dass Österreich die Bestnote behalten kann, weil die Exportwirtschaft so vital ist.

Und weil wir uns eine Schuldenbremse verordnen. Sie haben das hoffentlich genau gelesen.

Ja, natürlich. Einige der von der SPÖ vorgelegten Ideen für neue oder höhere Steuern treffen die Exportwirtschaft. Das wäre kontraproduktiv. Etwa Maßnahmen, die die Gruppenbesteuerung betreffen.

Das bestehende System der Gruppenbesteuerung ist für viele Unternehmer ein guter Anreiz, im Ausland zu investieren. Deswegen gibt es von uns keinen Vorschlag, diese abzuschaffen. Aber wir könnten diese Verlustabschreibung zeitlich begrenzen, auf einen Zeitraum von drei, vier Jahren. Da kenne ich Unternehmer aus der Wirtschaft, die das verstehen. Wünschen wird es sich niemand. Aber die Gruppenbesteuerung war als Starthilfe gedacht, nicht als ständige Verlustabschreibung.


Für eine Erhöhung der Körperschaftsteuer wird es nicht viel Verständnis in der Wirtschaft geben.

Es ist zu früh, jeden einzelnen Vorschlag zu kommentieren. Grundsätzlich ist zu sagen: Es geht darum, die Lasten im Land so zu verteilen, dass jeder einen Anteil leisten kann, der dazu in der Lage ist.  Ein Beispiel dafür wäre die Abschaffung der zehnjährigen Frist, über der keine Steuern auf Gewinne aus Immobilienverkäufen zu leisten ist. Das trifft nicht die Exportwirtschaft.

Aber den Wohnungsmarkt. Wenn sich Immobilienkäufe nicht mehr rentieren, steigen doch auch die Mieten.

Gewinne – etwa in guten Lagen – haben bisher nicht dazu geführt, dass die Preise unten bleiben. Eine junge Familie kann sich eine Wohnung im ersten Bezirk in Wien nicht leisten.

Muss sie auch nicht. Wiens Innenstadt ist ein Minisegment.

Die Steuer wird auf Kosten der Gewinnspanne gehen. Aber auch Experten wie Ariel Muzicant, der nicht nur Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde ist, sondern lange in der Immobilienbranche tätig, sagt, dass diese Maßnahme schon längst hätte umgesetzt werden sollen. Das schadet weder Mietern noch Jungfamilien auf Wohnungssuche.

Kam diese Idee von ihm?

Er war einer der Experten, die uns das vorgeschlagen haben. Und es gibt eine Reihe weiterer Maßnahmen, die derzeit geprüft werden.

Bei der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer waren Sie skeptisch.

Auch diese Maßnahme wird geprüft – mit hohen Freibeträgen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise zwingt uns generell dazu, Maßnahmen zu prüfen, die ich mir vor wenigen Jahren nicht vorstellen wollte. Wenn Sie mich fragen, welche Maßnahmen ich grundsätzlich gerne in einem Budget treffen möchte, dann sind es Maßnahmen, die die Steuergerechtigkeit erhöhen. Aber in der aktuellen Situation geht es auch um außergewöhnliche Maßnahmen, wir haben uns im Kampf gegen die heftigste Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren höher verschuldet, etwa auch für Konjunkturpakete. Durch diese notwendigen Maßnahmen geht es uns vergleichsweise gut, aber deswegen haben wir jetzt einen höheren Konsolidierungsbedarf, als ich noch vor wenigen Jahren erwartet hätte. Deshalb müssen wir jetzt reagieren.

Bisher hört und liest man mehr von Steuern als von Einsparungen. Entsprechen Ihre Ansätze den 19 Vorschlägen, die Staatssekretär Andreas Schieder vorgelegt hat?

Das Papier ist eine Grundlage. Wir wollen zeigen, dass wir in der Bundesverwaltung etwas einsparen können, indem wir Doppelgleisigkeiten beseitigen – und das nicht nur von den Ländern fordern. Auch die Vorschläge der Sozialpartner zur Erhöhung des faktischen Pensionsalters sind eine Grundlage. Sie haben Maßnahmen vorgelegt, das Antrittsalter bis 2020 um zwei Jahre zu erhöhen, vielleicht gibt es da bald mehr.

Die ÖVP will bis 2020 das Pensionsantrittsalter um vier Jahre erhöhen und dies mit Zu- und Abschlägen erreichen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat dies abgelehnt. Sie auch?

Jeder ernsthafte Vorschlag wird geprüft. Die Situation ist zu ernst, um eine Idee nicht zu berücksichtigen. Dazu zählt für mich aber nicht, Kranken und nicht arbeitsfähigen Menschen die Invaliditätspension zu streichen. Hier müssen wir sehr genau darauf achten, wie es gelingen kann, dass Menschen länger gesund im Arbeitsprozess bleiben können.

In einem der 19 Vorschläge Schieders ist die Abschaffung der Frühpensionen bei Beamten vorgesehen. Das müsste auch für Beamte der Länder und der Stadt Wien gelten, wo das Antrittsalter wesentlich niedriger als im Bund ist.

Das gilt auch für Tirol. Wenn wir die für das Konsolidierungspaket notwendigen Maßnahmen umsetzen, werden wir auch mit den Ländern Gespräche führen, welche davon sie übernehmen. Die Länder haben Sparziele, die sie erreichen müssen, da werden sie auch aus eigenem Interesse und ohne gute Ratschläge vorbildhafte Regeln übernehmen.

Das hat Wien bei den Pensionsregelungen bisher aber auch nicht getan.

Jedes Land hat Sparziele. Wie das erreicht wird, ist Sache des Landes. Aber: Kein Land kann über den Deckel hinaus. Jeder ist Teil des Programms, keiner kann sich verstecken.

Sie haben gerade gesagt, jeder soll seinen Anteil tragen. Aber vor einer Erhöhung einer Massensteuer wie der Mehrwertsteuer schrecken Sie zurück.

Ja, denn die Mehrwertsteuer trifft sozial Schwache überproportional. Höhere Steuern auf Lebensmittel treffen die Armen, denn jeder muss sie kaufen. Jemand, der wenig verdient, gibt einen höheren Anteil von seinem Einkommen im Supermarkt aus als ein Besserverdiener.

Sie haben die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert, davon hört man mittlerweile wenig. Warum?

Angesichts der Wirtschaftskrise und der Situation des Euro stehen wir 2011 vor der Frage, ob uns ein Sturm oder eine schwere Böe trifft. Da ist die Frage der Wehrpflicht in den Hintergrund gerückt, aber ich bleibe bei meiner Meinung, dass eine Professionalisierung in Richtung Berufsheer richtig ist. Man kann den Standpunkt vertreten, dass dies auch erst in drei Jahren umgesetzt werden kann, aber ich finde, je früher man es macht, desto besser.

Wird es ein Sturm oder eine Böe?

Italien braucht nächstes Jahr 300 Milliarden zur Refinanzierung und das  zu halbwegs vernünftigen Zinsen. Wir werden einen stärkeren Schutzschirm brauchen, ob mittels einer eigenen Bankenkonzession für den Schutzschirm, damit er sich über die EZB  refinanzieren kann, oder ob mittels Eurobonds wird man sehen. Wir Regierungschefs sind auf Terminsuche für einen Gipfel Ende Jänner. Und in meinem Terminkalender sind schon vorher informelle Kontakte mit Regierungschefs vorgesehen.

In der ORF-Comedy-Sendung „Willkommen Österreich“ hieß es am Donnerstag, dass wir endlich eine Frau an der Regierungsspitze hätten. Angela Merkel führe die EU und Sie . . .

Man darf bei dieser Frage nicht vergessen, dass Deutschland das Zehnfache des österreichischen Anteils zu leisten hat, wenn es um die gemeinsamen Euro-Schutzschirme geht. Ich würde mir wünschen, dass Angela Merkel noch einen Schritt weitergeht und noch stärkere, gemeinsame Maßnahmen in der Eurozone vorantreibt. Wenn ihr das unabhängig von den innenpolitischen Entwicklungen in Deutschland gelingt und wir dadurch in Europa und für die gemeinsame Währung mehr Stabilität erreichen und dann noch immer über die Macht Angelas Merkels gescherzt wird, habe ich damit kein Problem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2011)

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