Herbert Paierl: "Das System wird zusammenbrechen"

(c) Teresa Zötl
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Der ehemalige steirische ÖVP-Landesrat und ehemalige Management-Club-Präsident Herbert Paierl vermisst im Interview mit der "Presse" ein konservativ-liberales Lager. Eine Piratenpartei hält Paierl für möglich.

Die Presse: Verdienen Manager in staatsnahen Unternehmen zu viel?

Herbert Paierl: Es gibt immer zwei Vertragspartner: Einen, der den Vertrag annimmt, aber auch einen, der den Vertrag anbietet. Und wenn jemand so viel zahlt, dann muss er sich dabei etwas gedacht haben. Aber rund um Weihnachten kommt immer diese selbstgefällige „Licht ins Dunkel“-Haltung: das schlechte Gewissen, dass man sich irgendwo danebenbenommen hat. Dagegen verwehre ich mich. Das ist Sozialismus, da ist jeder irgendwie links. Der eine konservativ-sozialistisch, der andere katholisch- oder öko-sozialistisch, der Dritte national-sozialistisch. Aber es gibt in Österreich im Moment keine politische Gruppierung, die sich gegen diese linke sozialistische Unterwanderung – nämlich in jeder Lebenslage Opfer zu sein – zur Wehr setzen und sich davon einigermaßen befreien kann. Es gibt kein freies, konservatives, ordoliberales Lager.

Die ÖVP kann das nicht abdecken?

Meine Beobachtung ist, dass sie dazu nicht in der Lage ist.

Können Sie sich an die letzte konstruktive Duftmarke der ÖVP erinnern?

Der letzte Mohikaner, der die Fahnen hochhält, ist Karlheinz Kopf – innerhalb seiner Möglichkeiten als Klubobmann. Und wenn man ihn ranlässt ist das, was er sagt, konsistent. Aber sonst...

Eine Wirtschaftspartei könnte dieses Vakuum ja füllen. Deren Kopf wollten Sie aber nicht sein.

Es geht nicht um die Wirtschaftspartei.

Was fehlt dann? Ein Liberales Forum?

Am Anfang hat alles gut ausgeschaut, Titel und Überschriften hätten gepasst. Aber wenn man genauer hinsieht, kommt immer derselbe Etatismus, dieselbe Opferhaltung, diese sozialistische Durchdringung, dass der Staat alles machen soll. Es wird zu wenig auf die Eigenständigkeit der Menschen gebaut. Ich bin überzeugt davon, dass das – wenn es wie jetzt Krisenbewältigungsstrategien geben muss –, nicht ohne unternehmerisches Denken auf allen Linien geht. Unser Modell ist nicht mehr zukunftsfähig. Es braucht eine Systemänderung.

Und zwar?

Die Umverteilung wächst jährlich. Die Bezieher niedriger Einkommen erhalten schon über 80 Prozent aus Transferzahlungen. Das ist nicht ihre Schuld, sondern ein Problem des Systems. Die staatlichen Ausgaben auf allen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden – gehen zu 53 Prozent ins Sozialsystem. Und trotzdem nimmt die Armutsbedrohung zu. Da muss man systematisch etwas ändern. Das geht nur über die Stärkung mittelständischer unternehmerischer Kultur, also echte Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und Risikobereitschaft. Und wenn das Risiko dann schlagend wird, darf man nicht – wie auch einige im Wirtschaftsbund – sofort nach dem Staat rufen, sondern muss eigenständige Krisenbewältigungsstrategien entwerfen. Denn das, was im Moment passiert, dieses System werden wir nicht mehr halten können: Es wird in sich zusammenbrechen, davon bin ich überzeugt.

Was muss sich ändern?

Man muss sich fragen, ob unsere Strukturen noch zeitgemäß sind. Ich frage mich, wie eine Ebene, die eigentlich nur mehr Verwaltungsaktivitäten hat, so in die Verschuldung kommen kann. In Wahrheit müsste man die gesamten Defizite der Länder dem Bund zurechnen.

Also die Landtage abschaffen?

Ich habe nichts gegen Folklore. Und die Länder und Gemeinden haben ja auch direkt nichts mit der Finanzkrise und der Bankenrettung zu tun. Freilich gab es 2009 weniger Steuereinnahmen durch den wirtschaftlichen Abschwung, aber haben Sie gehört, dass zu Zeiten sprudelnder Einnahmen 2010 irgendwo ein Überschuss erwirtschaftet wurde? Es wurde nicht einmal daran gedacht, in Zeiten der Hochkonjunktur, in denen das Geld bei der Tür hereinrinnt, irgendwelche Reserven anzulegen. Stattdessen wird das Geld für sämtliche Förderungen seit Jahren am Finanzmarkt aufgenommen. Es wird nur mit geborgtem Geld herumgeschmissen. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.

Was erwarten Sie von 2012?

2012 wird das entscheidende Jahr werden. Kommt es zu systematischen Veränderungen durch politische Kraft oder wird weiter versucht, sich im Hinblick auf die Wahl 2013 drüberzuturnen. Dann werden die Änderungen von außen diktiert werden und es kann zu sozialen Verwerfungen kommen.

Trauen Sie dem aktuellen politischen Personal diesen Kurswechsel zu?

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Muss man den Ratingagenturen dankbar sein, dass sie dermaßen Druck auf die Politik ausüben, dass plötzlich über Einsparungen diskutiert wird.

Ja. Es ist aber traurig, dass man Ratingagenturen braucht, um sachlich vernünftige Dinge zu tun.

Braucht es eine verfassungsrechtliche Festschreibung der Schuldenbremse?

Na ja, es wäre wichtiger, zur Schuldenbremse die Story zu haben, die attraktiv und kraftvoll genug ist, um sie auch umzusetzen. Ich würde mir generell mehr Verantwortung, und zwar bis hinein zu persönlichen Haftungen, vorstellen können. Wenn jemand über Jahre hinweg Geld ausgibt, das er nicht hat, ist das gemäß den Spielregeln, die eine zivilisierte Gesellschaft vorgibt, Fahrlässigkeit und damit ein strafrechtlicher Tatbestand.

Sie haben als Management-Club-Präsident ein Buch mit 95 Reformideen herausgegeben, der Rechnungshof hat zuletzt 599 Vorschläge aufgelistet. Passiert ist aber...

... nichts. Daher auch mein Frust.

Wird man da zum Wutbürger?

Das ist nicht ganz meine Ebene. Aber ich halte es generell für nicht ausgeschlossen, dass es so etwas wie eine Piratenpartei auch in Österreich gibt, weil viele gute Leute, die es im jetzigen Parteiensystem auch gibt, dort chancenlos bleiben. Es wird sich daher etwas außerhalb dieses Systems etablieren. Hoffentlich nicht radikal, sondern zivilgesellschaftlich verankert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2011)

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