Steuern: Wenn der Staat "Raubritter" spielt

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Sie rasierte Bärte, deckte Häuser ab, löste Revolutionen aus, war meist der Geldhahn zur Kriegsfinanzierung und drängte preußische Jungfrauen ins Ehebett. Seit Jahrtausenden steuert uns die Steuer.

Vielleicht sollte sich die Regierung für die anstehenden Steuerverhandlungen in die Burgruine Rauhenstein zurückziehen. Die vormalige Festung im Helenental bei Baden atmet nämlich fiskalpolitische Geschichte. Übermächtige Raubritter (be)steuerten die Burg im 18. Jahrhundert in den Ruin. Ihr Name: Österreich – oder besser gesagt Habsburg. Das Kaiserhaus hatte eine Gebäudesteuer einführen lassen, die sich an der Größe der Dachfläche orientierte. Um die „Dachsteuer“ zu umgehen, deckten Burgherren unbenutzte, teils marode Gebäude ab und gaben sie damit dem Verfall preis. Die Burgruine Rauhenstein, ein überdimensioniertes Mahnmal für überdimensionierte Steuern.

Vom alten Ägypten bis zum Ballhausplatz 2011: Kaum etwas hat die Herrscher aller Epochen und Konfessionen derart geeint wie ihr Drang nach dem Erfinden neuer Steuern. Und doch umgibt die Steuer auch heute noch etwas Mystisches.

Wenn Geld „kein Mascherl hat“, dann hat auch Steuergeld keines. Wohin der Steuercent fließt – ob in Bildung, Pensionswesen oder die Förderung des Trachtenvereins im Tiroler Hinterland – erschließt sich dem Steuerzahler nicht. Gesichert ist, dass der Steuerfluss beim Bürger entspringt und in den Staatsapparat mündet, und dass dieser Fluss in Österreich mit einer Steuer- und Abgabenquote von 44 Prozent (inklusive Sozialversicherungsbeiträgen) durchaus dazu geneigt ist, über die Ufer zu treten.

Der Pegel des Steuerflusses wird auch nicht fallen. Die SPÖ hat 24 Vorschläge präsentiert, wie an der Steuerschraube zu drehen wäre – von der Umwidmungsabgabe bis zur Erbschaftssteuer. Im historischen Vergleich muten die Erwägungen der Kanzlerpartei aber beinahe einfallslos an, da gibt es durchaus exotischere Exemplare – von der Perückensteuer über die Fenstersteuer bis hin zur auch hierzulande eingesetzten „Flatrate“ auf die bloße Existenz, der Kopfsteuer.


Geld stinkt nicht. Steuergeld hat nicht nur kein Mascherl, es stinkt auch nicht. „Pecunia non olet“, wie der römische Kaiser Vespasian zu sagen pflegte, nachdem er seine Untertanen auch eine „Urinsteuer“ hatte abführen lassen. Im Russland der Zaren wurde der Bart zur Steuerlast. Peter I. hat aus modischen Gründen und zum Stopfen der Finanzlöcher 1699 die Bartsteuer ersonnen – im sicheren Wissen, dass die Altgläubigen lieber an den Fiskus liefern, als ihre Manneszierde zu mähen. Ein nacktes Gesicht empfanden die Ultrareligiösen schlicht als Blasphemie.

Die Familienpolitik der Preußen wiederum gipfelte in der Jungfrauensteuer – einer Abgabe für alle Damen, die noch mit 20 Lebensjahren Amors Pfeilen erfolgreich ausgewichen waren. Wer schon im Jugendalter den Bund der Ehe schloss, erhielt dagegen Steuerbegünstigungen.

Auch wenn eine „Jungfrauensteuer“ heute nicht dem kühnsten Finanzminister in den Sinn käme, dass mit Steuerbegünstigungen für Familien das Bevölkerungswachstum angekurbelt werden soll, kennt man auch heute noch. Die Steuer tarnt sich eben gerne als Erziehungsmaßnahme. Die Mineralölsteuer zum Beispiel zeigt auch den Interessenskonflikt dahinter: Würde die Lenkungsmaßnahme greifen, also der Österreicher sein Auto nach Möglichkeiten stehen lassen, hätte die Finanzministerin ein dickes Budgetloch in ihren Büchern.

Die Steuer, das war in der Geschichte auch meist der Geldhahn zur Kriegsfinanzierung. „Während der großen Türkenkriege flossen bis zu 90 Prozent der Staatsausgaben in den Militärapparat“, sagt der Historiker Peter Rauscher von der Universität Wien. Weshalb Kaiser Rudolf II. im 16. Jahrhundert auch versuchte, die Steuerlast auf immer mehr Schultern zu verteilen

Die Geschichte wiederholt sich. Dabei musste sich der Monarch allerdings mit einem alten Bekannten herumschlagen: den Ländern. „Ob Böhmen, Tirol oder Niederösterreich, alle hatten ein unterschiedliches Steuerrecht. Mit allen mussten eigene Regelungen ausverhandelt werden“, erzählt Rauscher. Widerstand aus den Ländern gegen Maßnahmen aus der Zentrale: Die Geschichte wiederholt sich eben doch, wenn auch an anderen Schauplätzen. Denn Maria Theresia entzog den Ländern die Steuerhoheit.

So alt die Steuern sind, so umstritten sind sie auch. Thomas von Aquin sah im Eintreiben von Steuern „einen Fall von erlaubtem Raub“. An der Schwere des „Raubes“ liegt es, ob der Bürger die Obrigkeit dafür zur Rechenschaft zieht. Steuern können jedenfalls Unruhen auslösen und mitunter auch Revolutionen. Frankreich, die Wiege der Menschenrechte, wurde 1789 von einer ungerechten Steuerpolitik aufgeschaukelt. Am Anfang der Französischen Revolution standen Unruhen wegen hoher Brotpreise und der erdrückenden sowie ungleich verteilten Steuerlast. Die Expansionspolitik seit Ludwig XIV. hatte das Land in die Schuldenfalle getrieben. Hohe Steuern als letzter Ausweg: Ein Schicksal, das den Euroländern blühen könnte.

Die Vereinigte Staaten von Amerika wiederum lagen erst in den Wehen, als ein Steuerstreit mit der britischen Kolonialmacht den Unabhängigkeitskrieg entfachte. „No taxation without representation“ hatten die „Amerikaner“ ihren Kolionalherren ausgerichtet. Die Briten lehnten ab, es flogen die Kanonenkugeln.

Steuern durch Steuern, das ist eben immer ein Balanceakt. Der US-amerikanische Autor Austin O'Malley soll das einmal so formuliert haben: „Beim Steuereintreiben wie beim Schafscheren sollte man aufhören, wenn die Haut kommt.“ Man sollte aber auch dann aufhören, wenn den Häusern plötzlich etwas fehlt – wie das Dach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)

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