„Wer weiß, vielleicht werde ich Schriftsteller“

Interview. Die EU stelle die Souveränität Ungarns infrage, kritisiert FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Nach der nächsten Wahl will er Kanzler werden.

Die Presse: Sie haben uns diese Woche ein Rätsel aufgegeben.

Heinz-Christian Strache: Ein Rätsel?

Ja. Der Austria Presse Agentur haben Sie gesagt, das Kanzleramt wäre nur ein Zwischenschritt. Was wollen Sie denn danach werden?

Wer weiß, vielleicht werde ich Schriftsteller.

Schriftsteller?

Oder Kabarettist. Vieles ist möglich. Nach einer Kanzlerschaft ist das Leben ja nicht zu Ende.

Aber zunächst einmal wollen Sie Kanzler werden.

Das ist mein großes Ziel. Wir müssen diese rot-schwarze Unfähigkeit aufbrechen.

Und was kommt dann? Schwarz-Blau?

Ich bin doch nicht in der Farbenspielkiste. Wer bereit ist, freiheitliche Inhalte mit uns umzusetzen, kann ein Partner sein.

Aber die ÖVP ist Ihnen thematisch näher.

In einem gesamtthematischen Querschnitt – nein. Gesellschaftspolitisch ist uns die ÖVP sicher näher als die SPÖ. Aber sozial- und infrastrukturpolitisch ist es umgekehrt.

Mit welcher Partei würden Sie koalieren?

Ich schließe keine Partei aus. Aber eines ist klar: Ich würde als stärkere Kraft niemals den Schwächeren zum Kanzler machen.

Sind die Verhandlungen mit der ÖVP über eine Schuldenbremse in der Verfassung gescheitert?

Die haben doch nie stattgefunden.

Klubobmann Kopf hat mit Ihnen verhandelt.

Aber die Regierungsspitze nicht. Kopf hat sich redlich bemüht, aber er wird von seinem Parteichef permanent konterkariert.

Vielleicht haben Sie zu hohe Forderungen gestellt.

Wir wollen, dass Volksbegehren automatisch zu einer Volksabstimmung führen, wenn sie von mehr als vier Prozent der Wahlberechtigten unterstützt werden. Allerdings verweigert uns auch der Bundeskanzler das Gespräch.

Faymann sagt: „Was ich von der FPÖ gehört habe, war nicht ernsthaft, sondern eine Sekkiererei.“

Dieser Mann ist nicht fähig, sein Amt zu führen. Das muss man ganz offen sagen.

Eigentlich sind Sie ein Phänomen: Sie haben keine Lösungsansätze anzubieten und steigen trotzdem stetig in der Wählergunst. Wie geht das?

Das Phänomen unseres Erfolges ist viel tiefgründiger, als Sie es darzustellen versuchen. Wir betreiben seit dem Jahr 2005 eine sehr konsequente inhaltliche Politik.

Verzeihen Sie, aber außer populistischen Ansagen ist mir von Ihnen wenig bis gar nichts bekannt.

Dann fragen Sie mich was Konkretes.

Wie soll der Staatshaushalt saniert werden?

Indem man das umsetzt, was eine freiheitliche Persönlichkeit, nämlich Rechnungshof-Präsident Josef Moser, angeregt hat. Er hat 599 Vorschläge für eine Verwaltungsreform gemacht, die sehr vernünftig sind.

Nennen Sie mir die drei wichtigsten.

Da gibt es viele: von den Bezirkshauptmannschaften über die Bezirksschulräte bis hin zu den Sozialversicherungen, die man von über 20 auf ein bis zwei reduzieren könnte.

Bezirkshauptmannschaften zusammenlegen?

Das muss man diskutieren. Wenn es um eine schlankere Staatsverwaltung geht, sind wir für jede Verfassungsmehrheit zu haben.

Diskutieren zu wollen ist aber noch kein Vorschlag.

Wieso? Die Fusion der Sozialversicherungen ist ein konkreter Vorschlag.

Den haben Sie schon vor Jahren gebracht.

Deshalb ist er nicht weniger wahr.

Was haben Sie in der Schulverwaltung vor?

Wir müssen uns entscheiden, welche Ebene die Schulverwaltung steuern soll – der Bund oder die Länder. Das ist letztlich eine Geschmacksfrage.

Was wäre nach Ihrem Geschmack?

Ehrlich gesagt, bin ich hier mit meiner Weisheit noch nicht am Ende. Jedenfalls brauchen wir keine Schulden-, sondern eine Subventionsbremse. 2010 haben wir 18,5 Milliarden dafür ausgeschüttet.

Welche Subventionen wollen Sie streichen?

Drogensüchtigen wird rückwirkend die Familienbeihilfe ausbezahlt, wenn sie nachweisen, dass sie vor dem 21. Lebensjahr süchtig waren. Und dann gibt es so Verrücktheiten wie den „Hurentag“, die gefördert werden.

Das Land Kärnten fördert das Hiasl-Almfest und das Eierspeisfest. Das ist nicht verrückt?

Diese Traditionsfeste beleben die Wirtschaft.

Messen Sie da nicht mit zweierlei Maß, weil Ihre Parteifreunde in Kärnten in der Regierung sind?

Nein, bei solchen Veranstaltungen zahlt sich jeder Subventionscent aus.

Gilt das auch für Zuschüsse zur Landestracht?

Warum sollen Kultur und Identität nicht förderungswürdig sein?

Weil das Steuergeldverschwendung ist.

Ich finde es schön, wenn junge Kärntner ihre Tracht auf eine sehr moderne Art tragen.

Wozu brauchen Sie einen Diplomatenpass?

Parlamentarier fahren ja nicht aus Spaß in sehr kritische Regionen der Welt.

In welche Krisenregionen?

In den Gazastreifen etwa. Oder nach Libyen.

Sie waren in Libyen?

Nein, einer meiner Abgeordneten hat Vorverhandlungen für mich geführt. Was ich sagen will: Der Diplomatenpass ist ein Schutz, wenn es zu brenzligen Situationen kommt.

Wer soll einen haben dürfen?

Aktive Regierungsmitglieder, das diplomatische Korps, aber auch Abgeordnete, die namens des Parlaments ins Ausland reisen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in Ungarn?

Die Vorgangsweise der EU erinnert mich an die Sanktionen gegen Österreich im Jahr 2000. Die ungarische Regierung wird unter Druck gesetzt und durchaus auch bedroht.

Zu Unrecht?

Damit wird die Souveränität der Ungarn schon sehr stark infrage gestellt. Das muss einen bedenklich stimmen.

Bedenklich muss einen auch stimmen, dass die Regierung Justiz und Notenbank unterwandert.

Das wird unterstellt und völlig unkritisch von allen Medien übernommen.

Ich bitte Sie: Das ist offenkundig.

Fakt ist, dass die sozialistische Opposition international gut vernetzt ist. Das sollte in der Betrachtung auch berücksichtigt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

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