Der „TV-Effekt“: Schöner, flüssiger, weniger „Ähm“

(c) APA/Roland Schlager
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Wie sich Fernsehkameras auf die Parlamentarier auswirken und auf U-Ausschüsse auswirken könnten. In einer Studie der Universität Leuven analysierten Sprachwissenschaftler Reden im österreichischen Nationalrat.

Wie ändert sich Politik, wenn eine Fernsehkamera dabei ist? Ändert sie sich überhaupt? Das fragt man sich in der aktuellen Debatte zum „U-Ausschuss-TV“. Allein: Antworten sind rar. Das Thema gilt nämlich als blinder Fleck der Forschung. Zumindest bis jetzt.

In einer Studie der Katholischen Universität Leuven (Belgien) analysierten die Sprachwissenschaftler Elisabeth Zima (eine gebürtige Österreicherin) und Kurt Feyaerts Reden im österreichischen Nationalrat. Im Rahmen ihrer Dissertation verglich Zima Debatten aus den Jahren 2007 und 2008. Das Ergebnis zeigt eine einheitliche Tendenz: Die Fernsehkamera beeinflusst das Verhalten der Politiker tatsächlich – wenn auch nicht dramatisch: So sprechen die Volksvertreter „schöner“ und flüssiger, also formeller und mit weniger „Ähm“-Pausen, wenn das Fernsehen dabei ist. Sie schauen auch weniger auf ihre Spickzettel und verwenden mehr Gesten, was die Reden energischer erscheinen lässt.

Die Politiker sind sich der Präsenz des (TV-)Publikums bewusst: Ohne Kamera wird die Bevölkerung nicht angesprochen, bei TV-Präsenz wird sie direkt adressiert und auch stärker thematisiert („die Arbeitnehmer, die Österreicher“). Wie viel davon Kalkül sei und wie viel automatisch passiere, könne man aber nicht sagen, so Zima.

„Fader, als man denkt“

Auf den U-Ausschuss lassen sich die Ergebnisse nur bedingt übertragen. Auch weil die Kamera bei stundenlangen Befragungen in Vergessenheit gerate, sagt der deutsche Politik- und Kommunikationswissenschaftler Jens Tenscher. Tenscher, derzeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, befürwortet Live-Übertragungen. Die Gefahr, dass dadurch der U- zum Show-Ausschuss wird, hält er für überschaubar: „Dass Einzige, was passieren könnte, ist, dass es fader wird, als man denkt.“

Als Beispiel nennt er die im Fernsehen übertragene Befragung von Joschka Fischer, dem deutschen Ex-Außenminister, im Visa-U-Ausschuss des Bundestags im Jahr 2005. Fischer habe im „Visa-TV“ ständig wiederholt, dass er wegen des schwebenden Verfahrens dazu nichts sagen dürfe.

Ob hiesige Politik-Prominenz im „Korruptions–TV“ aussagt (oder schweigt), ist weiterhin offen. Die Opposition ist – Stichwort: Transparenz – für eine Aufhebung des TV-Verbots im U-Ausschuss. Die SPÖ zögert (bis auf Parlamentspräsidentin Barbara Prammer), die ÖVP bremst: Man wolle nicht die Spielregeln während des Ausschusses ändern. Und weiter: Man müsse die Grundrechte der Befragten bedenken. Die Abgeordneten könnten als Fragesteller unter dem Schutz der parlamentarischen Immunität polemisch agieren. Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk stützt das Argument und findet noch ein anderes: Die heimische Debatten(un)kultur sei dafür einfach nicht reif.

Die Uhr tickt jedenfalls: Bei sofortiger Einigung (Zweidrittelmehrheit) könnte die Änderung der Geschäftsordnung, die die Grünen vergangene Woche beantragten, frühestens Ende März in Kraft treten. Der grüne Vorschlag sieht vor, dass bei Ausschussbeschluss die Befragung Prominenter im TV gezeigt werden darf. An ein Zustimmungsrecht der Geladenen (wie in Deutschland) ist nicht gedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2012)

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