WKR-Ball im Club 2: "Verklagen Sie mich doch!"

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Von Horror-Storys, Nazis und Kreisky: Gegner und Besucher des Burschenschafter-Balls beflegeln sich in einer untergriffigen Club-2-Debatte.

Eva Rossmann erhebt sich zwischenzeitlich aus ihrem Moderatorenstuhl: "Jetzt ist Schluss. Hört mich da noch jemand? Das bringt doch alles nichts. Uns versteht keiner." Ariel Muzicant, Chef der Israelitischen Kultusgemeinde, und Wolfgang Jung, Brigadier, FPÖler und Burschenschafter, haben sich wieder einmal beflegelt. Für den Zuschauer waren nur noch Wortfetzen zu verstehen. "Verklagen Sie mich doch!", schreit Muzicant im Laufe der Sendung. "Weltmeister des Verdrehens" nennt Jung den Chef der Israelitischen Kultusgemeinde, von dem er sich nicht mehr als "Nazi" bezeichnen lassen will.

Es war eine emotionale, mitunter untergriffige Debatte. Das Thema ließ nichts anderes erwarten. "Wie rechtsextrem ist Österreich?", wurde im Club 2 des "ORF" diskutiert - und das zwei Tage vor dem Ball des Wiener Korporationsrings. Die schlagenden Burschenschafter werden am Freitag ein letztes Mal in der Hofburg das Tanzbein schwingen. Dann wird ihr Ball aus dem Amtssitz des Bundespräsidenten verbannt. Aus dem Unesco-Verzeichnis des Kulturerbes in Österreich ist der Ball bereits geflogen.

"Who is who"

Muzicant sieht im WKR-Ball ein Treffen des "Who is Who" der rechtsextremen und Nazi-Szene Europas. Udo Guggenbichler, Vorsitzender des WKR-Ballkomitees, sieht in den Gästen des "unpolitischen Tanzfestes" dagegen "Leistungsträger". Er wirft Muzicant vor, das "Who is Who" der linken Gewalt zu den Demonstrationen nach Wien bestellt zu haben. Frauen und Kinder würden mit Steinschleudern und Pyrotechnik-Artikel beschossen werden.

Muzicant ist empört. Das sei "eine niederträchtige Unterstellung" und "Horror-Story der FPÖ". Er habe diesmal die Polizei aufgefordert zu überprüfen, ob nicht FPÖ-Provokateure dahinter stecken - "um uns dann die Schuld in die Schuhe zu schieben." Man würde auch einen eigenen Ordnerdienst einsetzen, um Radikale von den Demonstrationen gegen den Ball fernzuhalten.

Die Kritik der geladenen Ball-Gegner entzündet sich vor allem am Datum. Am Freitag ist internationaler Holocaust-Gedenktag. Der Historiker Gerhard Botz sieht im Festhalten der Burschenschafter am Ball-Termin ein Zeichen, dass ihnen jedes Gefühl für diesen Gedenktag fehlt.

"Tanzen und Flirten"

Lothar Höbelt teilt mit Botz die Profession, aber keineswegs die Meinung. Am harmlosesten seien die Burschenschafter doch, "wenn sie tanzen und flirten", sagt Historiker Höbelt. Das sei alles eine "Luxusdebatte", die es in den Nachkriegsjahren nicht gegeben habe. "Da hatten die Leute andere Sorgen." "Weil sie aus den Konzentrationslagern heimgekehrt sind", erwidert Muzicant. Höbelt: "Ja, genau." Die Hauptverteidigungslinie der Ballfreunde zielt in der Club2-Diskussion aber vor allem darauf ab, dass am Freitag noch andere Bälle stattfinden.

Wenn der WKR-Ball schon über die Bühne geht, will Muzicant zumindest ein Zeichen der Burschenschafter, eine Entschuldigung. Er rechnet aber nicht damit: "Ich sehe viele, die sich auf den Schenkel klopfen und sich sagen: Jetzt können wir sie wieder einmal provozieren, die blöden Juden."

Während der heftigen Club2-Debatte wird es nur einmal relativ ruhig im Studio: "Es ist kein Vergnügen für mich, hier zu sitzen", sagt Muzicant. "Wir gedenken am Freitag sechs Millionen ermordeter Juden. Das ist für uns ein Trauma mit dem wir nicht fertig werden. Sie verstehen nicht, was es für uns bedeutet, dass eine ganze Reihe von verurteilten Rechtsextremen versucht, in Österreich Politik zu machen. Und diesen Herren werden auch Verbindungen zu Burschenschaften nachgesagt."

"Ich habe auch Ermordete in meiner Familie", sagt Jung. Sie seien ermordet worden, weil sie Deutsche waren - "so wie Ihre Familienmitglieder ermordet wurden, weil sie Juden waren". Wenn er für diese Opfer einen Gedenktag fordere, werde er als Ewiggestriger beschimpft.

"Kreisky ist mir wurscht"

Dann wird - wieder einmal - um den Begriff der  Volkszugehörigkeit diskutiert. Das ist ermüdend. "Es gibt heute ungarische, slowenische, tschechische
Österreicher. Und was sind die anderen: Österreichische Österreicher? Das ist doch lächerlich!", sagt Jung. Selbst Kreisky habe sich zur deutschen Volkszugehörigkeit
bekannt. Moderatorin Rossmann: "Entschuldigen sie, aber der Kreisky ist mir jetzt wurscht."

Und wie rechtsextrem ist nun Österreich?  Die Burschenschafter seien noch ganz stark auf das "Deutschtum" abgestellt, sagt Hans Magenschab, Ex-Sprecher von Thomas Klestil und CVer. In den katholischen Studentenverbindungen und der Kirche habe nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen ein Umdenken stattgefunden.

Der Club 2 endet nach 80 Minuten ohne Aussöhnung. Am Freitag könnte der verbale Schlagabtausch in Gewalt durch Extremisten umschlagen. Wie die Presse berichtete, erwartet der Verfassungsschutz das "heißeste Ereignis der letzten Jahre". Zitat: "Da braut sich etwas zusammen."

(Red.)

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