U-Ausschuss: Das „System Telekom“ lief wie geschmiert

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Eine neue Zeugin bestätigt, wie mittels „komplett erfundener“ Rechnungen Telekom-Geld in den Wahlkampf von Justizministerin Gastinger floss. Letztere zeigt sich weiterhin ahnungslos.

Wien. „War Ihnen klar, dass es sich um verbotene Parteienfinanzierung handelt?“ – „Das möchte ich nicht beantworten.“ Dieses Terrain war der als Zeugin geladenen Werberin Tina Haslinger am Mittwoch im parlamentarischen U-Ausschuss dann doch zu heikel. Der Fraktionsführer der Grünen, Peter Pilz, bohrte auch nicht weiter nach. Davor allerdings hatte Haslinger schon sehr viel beantwortet: Nämlich wie die Telekom Austria im Sommer 2006 den – letztlich abgebrochenen – Vorzugsstimmenwahlkampf der damaligen BZÖ-Justizministerin, Karin Gastinger, finanzierte.

Und so entstand am Mittwoch im altehrwürdigen Budgetsaal des Parlaments erneut ein dramatisches Sittenbild, basierend auf einem augenscheinlichen Grundelement: hier Geld, da politische Gefügigkeit. Man erfuhr, wie im Juli 2006 eine „kleine“ Werberin ihren ersten Großauftrag bekam – einen Auftrag, mit dem Haslinger als Agenturchefin den Weg in die Selbstständigkeit wagte. Man erfuhr auch, wie „das Ganze dann in eine komische Richtung gegangen ist“ (Zitat Haslinger). Und wie am Schluss ein Großteil des an die kleine Agentur überwiesenen Geldes – insgesamt waren es 240.000 Euro gewesen – weitergeschoben werden musste. An die BZÖ-nahe PR-Agentur der Brüder Schmied.

Von dort wiederum lief die auf Wanderschaft befindliche Summe, etwa 200.000 Euro, an das – damals voll im Wahlkampf befindliche – BZÖ. Das Geld kam von der Telekom Austria. Geld, das, so bestätigen Zeugen vor dem U-Ausschuss, vom damaligen Tiroler BZÖ-Mandatar und BZÖ-Telekom-Sprecher, Klaus Wittauer, gleichsam organisiert worden war.

Die Geschichte rund um die noch unbeantwortete Frage nach verbotener Parteienfinanzierung erinnert auch frappant an das Entstehen jener für die Telekom finanziell einträglichen „Universaldienstverordnung“. Für dieses 2006 gebastelte Regelwerk (es erlaubt der Telekom, von privaten Telefonie-Anbietern bestimmte Gebühren zu kassieren) soll Ex-Infrastrukturminister Hubert Gorbach (BZÖ) nach seinem Ausscheiden aus der Politik Gelder kassiert haben. Gelder, die auf Vermittlung des Lobbyisten Peter Hochegger über eine Firma einer früheren Gorbach-Sekretärin gelaufen sein sollen. Insgesamt soll die Telekom in dem Fall 268.800 Euro lockergemacht haben, ein Gutteil soll Gorbach zugutegekommen sein. Gorbach sagte bereits vor dem Ausschuss aus, er habe „keine Wahrnehmungen über diese Zahlungen“. Ansonst pochte er auf sein Recht zu schweigen.

Aber zurück zu Gastinger. Die Ex-Ministerin zeigte sich am Mittwoch mehr oder minder ahnungslos. Ja, sie sei dem Rat ihres Pressesprechers Christoph Pöchinger gefolgt und habe Mitte 2006 einen Vorzugsstimmenwahlkampf begonnen. Wer bezahlte? „Ich ging davon aus, dass das BZÖ-Geld ist.“ Alles sei über Wittauer gelaufen (sein Zeugenauftritt im U-Ausschuss ist für den 27.Februar geplant). Die mittlerweile als Unternehmensberaterin tätige Ex-Ministerin weiter: „Ich hatte keine Sekunde irgendeinen Zweifel daran, dass irgendwo irgendetwas Illegales sein könnte.“

Wer also in Gastingers unmittelbarem Umfeld musste davon wissen, dass der Vorzugsstimmenwahlkampf von der Telekom finanziert wurde? „Herr Pöchinger“, sagt Werberin Haslinger. – Und was sagt Herr Pöchinger? Ja, gewusst habe er dies irgendwann schon, wohl irgendwann im August 2006. Aber erfahren habe er dies von Haslinger. „Frau Haslinger hat mir gegenüber aufgedeckt, wer dahintersteckt.“

Dies empörte nun Frau Haslinger. Sie sprach gar von Lüge. Es sei Pöchinger gewesen, der ihr vorsorglich angekündigt habe, dass bald 240.000 Euro von der Telekom auf ihrem Agenturkonto einlangen würden. Praktischerweise waren vorher von der Telekom Rechnungsvorlagen übermittelt worden. Haslinger: Die angeführten Leistungen hatten mit meiner Arbeit nichts zu tun.“ Dennoch habe sie die Rechnungsvorlagen „eins zu eins übernommen“. Eilig habe sie an einer Wahlwerbekampagne für die damalige Justizministerin zu arbeiten begonnen.

Die Sache mit den erfundenen Rechnungen erinnerte an den Auftritt des Werbers Kurt Schmied. Dieser hatte der Telekom gar 720.000 Euro verrechnet. Zum Schein. In Wahrheit sei das Geld zum Großteil an das BZÖ weitergeleitet worden, so Schmied. Mit den Rechnungen habe auch er sich nicht lange aufhalten müssen. Schmied am Dienstag vor dem U-Ausschuss: „Die Telekom hat mir einen Rechnungsentwurf geschickt, den hab ich auf unser Briefpapier kopiert und an sie zurückgeschickt.“

Spannung vor Hochegger-Auftritt

Letztlich war Schmieds Adresse aber, wie erwähnt, auch für Haslinger relevant, wurde ihr doch unmissverständlich erklärt, dass sie den Großteil der erhaltenen 240.000 Euro an ebendiese Agentur weiterzuschleusen hatte. Denn nachdem Gastinger aus dem BZÖ ausgetreten war, wenige Tage vor der Wahl, hatte BZÖ-Wahlkampfleiter Gernot Rumpold konsequenterweise das der Partei „gewidmete“ Geld für ebendiese beansprucht.

Rückblickend sagt Gastinger nun, das BZÖ sei schon damals ein „notwendiges Übel“ gewesen. Der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner hegt nun den Verdacht, dass ein fliegender Wechsel Gastingers zur Volkspartei geplant gewesen sei. Denn: Fest stehe, dass „die ÖVP-Agentur ,media select‘“ zwei Gastinger-Inserate noch nach deren Ausscheiden aus dem BZÖ bezahlt habe. Heute, Donnerstag, steht der Auftritt des Lobbyisten Peter Hochegger am Programm. Zudem wurde überraschend Telekom-Boss Hannes Ametsreiter geladen (Zum Live-Ticker).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2012)

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