Jonglieren mit Sozialgeld: Staat trickst, Private zahlen

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Das „Sparpaket“ birgt eine Kuriosität. Der Bund entlastet sich bei den Beamten um eine halbe Milliarde Euro und belastet gleichzeitig die Besserverdiener. Ungleichbehandlung wurde am Wochenende publik.

Wien. Das Steuer- und Sparpaket der Bundesregierung sieht nicht nur Milliardeneinnahmen vor, die zum Teil wie etwa die Finanztransaktionssteuer noch gar nicht sicher sind. Mit den nun bis kommenden Montag in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwürfen zu dem gesamten Maßnahmenbündel werden auch Widersprüche offenkundig, wie sich der Bund, aber auch die Länder selbst als Dienstgeber bei der Beamtenversicherung bevorzugen, während Dienstgeber und Dienstnehmer in der Privatwirtschaft in der Sozialversicherung höhere Beiträge zahlen müssen.

Die Ungleichbehandlung wurde erst am Wochenende publik. Beim Schreiben der Gesetzesentwürfe haben SPÖ und ÖVP in aller Eile verankern lassen, dass der Beitrag der öffentlichen Dienstgeber zur Krankenversicherung in der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter gesenkt wird – und zwar bereits ab dem heurigen Jahr bis inklusive 2016. Die finanziellen Folgen sind umfangreich: Immerhin erspart sich die öffentliche Hand als Arbeitgeber damit insgesamt eine halbe Milliarde Euro, exakt sind es 540 Millionen Euro, an Beiträgen für Bedienstete.

Es geht um schnelles Geld fürs Budget

Die Geld-Hol-Aktion im Schnelltempo zum Schuldenabbau in Bundes- und Landesbudgets fällt besonders deutlich auf, da die rot-schwarze Koalition bei den in der Privatwirtschaft beschäftigten ASVG-Versicherten genau den entgegengesetzten Weg geht. Dort wird nämlich, wie schon länger bekannt ist, im kommenden Jahr die Höchstbeitragsgrundlage für Besserverdiener zur gesamten Sozialversicherung von derzeit 4320 Euro brutto im Monat zusätzlich zur jährlichen regulären Erhöhung 2013 um weitere 90 Euro erhöht. Von der Extra-Anhebung sind nicht nur die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten betroffen, dadurch werden auch die Dienstgeber in der Wirtschaft zusätzlich zur Kasse gebeten.

Und das nicht zu knapp: Denn so kommen durch das außertourliche Hinaufsetzen der Höchstbeitragsgrundlage in Summe jährlich rund 500 Millionen Euro an Mehreinnahmen in die Sozialkassen – von der Pensions- über die Kranken- bis zur Unfallversicherung. Während also Staat und Länder ihre Finanzen damit um 540 Millionen Euro auffetten, dürfen Private gleichzeitig fast die gleiche Summe mehr zahlen.

Ausräumen wegen Überschüssen

Die Regierung hat zudem vorgesorgt, dass es auf diese Weise auch ein Millionen-Körberlgeld für die Arbeitslosenversicherung gibt. Nebenbei würde auch die Arbeiterkammer profitieren: Der AK-Pflichtbeitrag von 0,5 Prozent des Bruttolohns steigt für Besserverdiener durch die Sondererhöhung der Höchstbeitragsgrundlage, wie bereits berichtet, ebenfalls. Die Arbeiterkammer hat inzwischen versprochen, die erwarteten Einnahmen von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro pro Jahr nicht für das AK-Budget zu verwenden, sondern weiterzugeben – entweder an das Arbeitsmarktservice oder den Verein für Konsumenteninformation.

Eigenartig ist auch die Begründung. Das Ausräumen der Beamtenversicherung durch den Bund (dieser soll 40Prozent der Einnahmen erhalten, Länder und andere öffentliche Dienstgeber 60Prozent) ist laut Regierung gerechtfertigt, weil die Beamtenanstalt in den vergangenen Jahren jeweils Überschüsse im zweistelligen Millionenbereich erwirtschaftet hat. Beamtenvertreter führen das unter anderem darauf zurück, dass Beamte – ähnlich wie beispielsweise Gewerbetreibende – im Gegensatz zu ASVG-Versicherten einen Selbstbehalt beim Arztbesuch übernehmen müssen.

Die anderen Krankenkassen kämpften zwar jahrelang mit roten Zahlen. Das hat sich mittlerweile durch eigene Sparprogramme, aber auch durch Extra-Finanzspritzen aus dem Bundesbudget geändert. Erst in der Vorwoche wurde daher für das vergangene Jahr ein Gesamtüberschuss von 240 Millionen Euro ausgewiesen. Generell steht allerdings die Beamtenversicherung nach wie vor besser da: Sie verfügte Ende des Vorjahres über gut 600 Millionen Euro Vermögen, während die Krankenkassen noch mit einem Gesamtschuldenberg von rund 300 Millionen Euro kämpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Plan für höhere Kosten bei Sozialgerichten liegt auf Eis

Die Koalition will Betroffene nicht höher belasten. Hintergrund für das Abgehen der Regierung von den Plänen ist, dass mit einem Proteststurm zu rechnen war.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.