Frühpensionen: SPÖ muss Eigentor fürchten

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ÖVP-Seniorenchef Khol erwartet Aufhebung durch EU-Gericht wegen Benachteiligung von Männern. Sozialminister Hundstorfer repariert nun die missglückte Erhöhung 2008 mit Nachzahlung für 540.000 Pensionisten.

Wien. Sozialminister Rudolf Hundstorfer steht im Dauereinsatz. Er ist gerade dabei, den Flop des rot-schwarzen Vorgängerkabinetts unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) bei der Pensionserhöhung 2008 zu beseitigen. Dabei waren gemäß einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ausgerechnet Kleinstpensionisten, nämlich zum allergrößten Teil Frauen, durch eine niedrige Erhöhung aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden.

Das könnte der SPÖ und dem Sozialminister mit dem jetzigen Pensionsreformpaket wieder blühen. Dabei geht es um eine Sparmaßnahme durch höhere Hürden bei der Korridorfrühpension, die in der Realität nur Männer trifft. Nach dem Grazer Arbeits- und Sozialrechtler Franz Marhold, der dies als gleichheits- und verfassungswidrig erachtet („Die Presse“ berichtete am 21.Februar) rechnet auch der Obmann des ÖVP-Seniorenbundes, Andreas Khol, der selbst Verfassungsexperte ist, mit einer neuen Verurteilung durch den EU-Gerichtshof.

Für Hundstorfer und die SPÖ könnte das mittelfristig – die Verschärfung ist erst ab 2014 geplant und kann erst dann von betroffenen Männern juristisch bekämpft werden – zu einem Eigentor werden. Denn für Khol wäre ein EuGH-Urteil prompt Anlass, die Anhebung der von SPÖ und ÖGB verhinderten Angleichung des gesetzlichen Frauenpensionsalters erneut zum Thema zu mache. „Mit dem ungleichen Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen durch ein Bundesverfassungsgesetz wurde seinerzeit die Verfassung zugunsten der Frauen durchbrochen. Wenn nun erneut nachteilige Veränderungen an der Korridorpension vorgenommen werden, wird dies vor dem EuGH sicher nicht halten, weil dies fast ausschließlich ein Geschlecht – nämlich die Männer – negativ betrifft“, argumentiert Khol gegenüber der „Presse“. Und: „Das wird auch die Frage nach der rascheren Angleichung des Frauenpensionsalters aufs Tapet bringen. Wenn das nach Luxemburg geht, wird das Ergebnis den Druck, diese Ungleichbehandlung endlich zu beenden, massiv steigern.“

1,1Prozent Nachzahlung im Oktober fix

Die Verfassung erlaubt zwar in Österreich, dass Frauen im ASVG, Bäuerinnen und Gewerbetreibende noch bis 2024 bereits mit 60 regulär in Pension gehen können (Beamtinnen wie Beamte und Männer im ASVG hingegen mit 65). Nach Expertenansicht dürfen aber Männer nicht noch zusätzlich diskriminiert werden, was durch die Abschläge bei der Korridorfrühpension der Fall wäre.

Hundstorfer gibt sich trotz der Bedenken bezüglich der Korridorregelung gelassen. Der Sozialminister hat jetzt immerhin schon Erfahrung mit dem Aufräumen: Er muss den gesetzlichen Pallawatsch ausbaden, der vor seiner Amtszeit bei der Pensionserhöhung 2008 passiert ist. Damals wurde die Erhöhung sozial gestaffelt, allerdings so missglückt, dass speziell Bezieher mit ganz niedriger Eigenpension eine geringere Erhöhung bekamen. Oft waren das Ehefrauen von Männern mit Eigenpension oder Einkommen, die nicht einmal die Ausgleichszulage von 747 Euro im Monat erhielten.

Hundstorfer hat nun, wie am Donnerstag der „Presse“ in seinem Ministerbüro bestätigt wurde, eine Pensionsnachzahlung für diese Personengruppe fixiert. Davon werden immerhin 540.000 Menschen profitieren. Diese erhalten per 1.Oktober 2012 eine Draufgabe von 1,1Prozent. Dadurch erhöht sich gleichzeitig die Ausgangsbasis für 2013.

Der Sozialminister zeigt sich dabei kulant gegenüber sozial Schwachen und zahlt allen potenziell Betroffenen eine Pension nach. Angefochten wurde die niedrigere Erhöhung von rund 150 Pensionisten, darunter sind einige, die von der Arbeiterkammer Oberösterreich unterstützt worden sind.

AK-Protest wegen Pensionsvorschusses

Vor diesem Hintergrund ist es politisch bemerkenswert und rechtlich höchst interessant, dass jetzt die AK Oberösterreich und ihr Präsident, Johann Kalliauer (SPÖ), gegen eine weitere von Hundstorfer im neuen Reform- und Sparpaket fix vorgesehene Maßnahme protestieren. Es geht dabei um die Streichung des sogenannten Pensionsvorschusses, der bisher bis zum Erhalt einer Invaliditätspension gezahlt wird.

Zwar sieht die Änderung vor, dass Betroffene während der Wartezeit Arbeitslosengeld erhalten. Die Arbeitnehmervertretung in Oberösterreich spricht dennoch wörtlich von einem „großen Fallstrick“: Betroffene, die vorerst weiter als arbeitsfähig eingestuft werden, würden künftig bei einer Anfechtung des Gesundheitsgutachens und Klagen gegen die betroffene Pensionsanstalt keinen Vorschuss mehr erhalten. Deswegen würden sich ab 2013 viele solche Klagen gar nicht mehr leisten können, warnt die Arbeiterkammer.

Derartige Klagen werden häufig eingebracht und sind dann oft auch erfolgreich. Konkret bekamen dann in Oberösterreich 41,3Prozent von 479 Klägern eine Pension. Präsident Kalliauer fordert daher, diesen Personen müsse bei der Neuregelung des Pensionsvorschusses mehr Respekt entgegengebracht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2012)

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