Im Justizausschuss am Dienstag könnte auch das Lobbyistengesetz zurückgestellt werden. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will eine Verschärfung und Verschiebung auf Mai. Die ÖVP will das allerdings nicht.
Wien/Pö/Oli/Apa. Nach Anwälten, Journalisten und Ärzten meldeten sich gestern, Montag, auch die Notare mit scharfer Kritik zu Wort: Beatrix Karls Vorhaben würde einen „massiven Eingriff in die höchstpersönlichen Rechte aller Österreicher“ bedeuten und bewege sich „an der Grenze der Grundrechtsdefinition der Europäischen Menschenrechtskonvention“, so der Präsident der Notariatskammer, Ludwig Bittner.
Montagnachmittag traf sich ÖVP-Justizministerin Karl dann mit den Justizsprechern der Parlamentsparteien – mit Ausnahme des BZÖ, für das „eine Aushöhlung des Rechtsstaats nicht verhandelbar“ sei – und Experten, um ihren umstrittenen Entwurf zur Strafprozessordnung zu diskutieren. Die Ministerin legte dabei mehrere Varianten vor. Ein Ergebnis stand zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus. Vor dem Treffen war man davon ausgegangen, dass der Entwurf im heutigen Justizausschuss des Nationalrats zurückgestellt werden könnte.
Die von Karl nachträglich in den Entwurf eingearbeitete Änderung des Paragrafen 112 hatte zuletzt großes Missfallen hervorgerufen. Von den Kritikern befürchtet wurde eine Aushöhlung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, des Redaktions- und des Arztgeheimnisses. So sollen Beschuldigte nicht mehr die Möglichkeit haben, Einspruch gegen die Verwendung bisher geschützter Unterlagen zu erheben. Außerdem ist im Entwurf eine „Erstsichtung“ durch den Staatsanwalt und den Betroffenen bzw. dessen Verteidiger geplant – und zwar ohne Richter. Nur wenn ein Betroffener die Verwendung eines Dokuments wegen geheimer Inhalte ablehnt, soll dies der Richter entscheiden dürfen. Derzeit erfolgt die erste Sichtung durch das Gericht unter Beiziehung von Staatsanwalt und Betroffenem.
Karls zweiter Aufreger
Es war dies das zweite Vorhaben Beatrix Karls – nach dem Plan, eine Diversion auch bei Amtsmissbrauch zu ermöglichen –, das für beträchtliche Aufregung gesorgt hatte. Wenigstens ihr Parteichef war am Montag mit ihr zufrieden – jedenfalls nach außen hin. „Ich habe hier gar keinen Tadel“, sagte Michael Spindelegger am Rande einer ÖVP-Klausur und stärkte seiner Ministerin demonstrativ öffentlich den Rücken: „Sie arbeitet gut.“ Und: „Wir sehen, dass sie mit ihren Reformen etwas vorantreibt.“ Letztlich könnte nach den Gesprächen Karls mit Parteienvertretern und Betroffenen eine Lösung stehen, die nicht allzu weit entfernt sei von dem, was sie geplant habe, so Spindelegger.
Die Justizministerin selbst fühlt sich in der Causa missverstanden. Man wolle Verfahren vereinfachen und nicht Rechte beschneiden. Und: Nichts von ihrem Entwurf sei „in Stein gemeißelt“. Es sei auch ein „normales Prozedere“ in der Gesetzwerdung, dass noch Einwände gehört werden.
Ebenfalls im Justizausschuss sollte heute das Lobbyistengesetz behandelt werden. Doch auch dieser Punkt könnte vertagt werden. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim hielte es für vernünftig, dieses erst im Mai zu beschließen, im Zuge des Transparenzpakets gemeinsam mit Parteienfinanzierung und Korruptionsstrafrecht. Im Justizministerium geht man aber davon aus, dass die Vorlage heute endlich beschlossen wird.
Jarolim begründet seinen Wunsch nach einer Verschiebung damit, dass der Entwurf zum Lobbyinggesetz „noch nicht ganz ausgegoren“ und einiges noch im Lichte des U-Ausschusses zu klären sei. So halte er angesichts der Erfahrungen im U-Ausschuss eine Verschärfung für geboten: Ins Register sollten alle Unternehmenslobbyisten aufgenommen werden, nicht nur jene, die „überwiegend“ mit Lobbyingtätigkeiten für das Unternehmen beschäftigt sind.
Auf einen Blick
Justizministerin Beatrix Karl hatte zuletzt mit zwei Gesetzesentwürfen für Aufregung gesorgt: Zum einen war geplant, den außergerichtlichen Tatausgleich auch bei Amtsmissbrauch zu ermöglichen. Zum anderen sollten Staatsanwaltschaft und Polizei leichteren Zugang zu bisher geschützten Aufzeichnungen von Anwälten oder Journalisten haben. Bisher entschied darüber vorrangig ein unabhängiger Richter.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2012)