ÖVP und Justiz: Gräben werden immer tiefer

(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Die Gewerkschaft fordert den Rücktritt von Klubchef Kopf. Die ÖVP will die Arbeit der Staatsanwälte im Parlament zum Thema machen. Fraktionsführer Amon will die Staatsanwälte anzeigen.

WIEN. Der scharfe Angriff von Karlheinz Kopf auf die Staatsanwaltschaft Wien repräsentiert nicht etwa die Einzelmeinung eines ÖVP-Politikers. Der Klubobmann sprach aus, was nahezu die gesamte Volkspartei denkt: Man wittert eine Verschwörung gegen die ÖVP.

Am Mittwoch mehrten sich die Stimmen (wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand), die sich auf die Staatsanwaltschaft Wien einschossen. Am 17. April tagt ein Unterausschuss des Justizausschusses im Parlament zur neuen Vorverfahrensregelung. Dabei könnte man auch die Arbeitsweise der Wiener Anklagebehörde zum Thema machen, wurde der „Presse“ von ÖVP-Kreisen erklärt. Anlass dazu gibt der Fall Werner Amon. Der ÖVP-Fraktionsführer im aktuellen U-Ausschuss wird im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre der Geldwäsche verdächtigt. In seiner Zeit als Generalsekretär des Arbeitnehmerbundes ÖAAB – konkret im Jahr 2007 – sollen 10.000 Euro über eine Firma des Telekom-Lobbyisten Peter Hochegger an den Arbeitnehmerbund der ÖVP geflossen sein. Als Druckkostenbeitrag für eine Werbebeilage in der ÖAAB-Zeitschrift „Freiheit“, sagte die ÖVP. Belege dafür gibt es keine.

„Retourkutsche“?

Die Staatsanwaltschaft will daher gegen Amon ermitteln und beantragte die Aufhebung seiner Immunität. Kopf stellte sich vor seinen Parteifreund und nannte die Vorgangsweise „eine Schweinerei“. Es handle sich offenbar um eine „Retourkutsche“ der Staatsanwaltschaft Wien, weil Amon wenige Tage davor die Arbeit der Ankläger im Fall Kampusch kritisiert hatte.

Der Antrag, Amon als Beschuldigten zu vernehmen, wurde im Februar gestellt. Die Justiz will sich die Vorwürfe der ÖVP nicht bieten lassen. „In jedem zivilisierten Land würde so ein Verhalten zum Rücktritt führen“, sagte Klaus Schröder, Gewerkschaftschef der Richter und Staatsanwälte, am Mittwoch zur „Presse“. Kopf sei als Klubobmann nicht mehr tragbar. Wie sich Schröder Kopfs Reaktion erklärt? „Die Politik hat erkannt, dass sie uns nicht gängeln kann.“ Man werde sich aber nicht davon abhalten lassen, auch weiter in möglichen „politischen Sümpfen“ zu ermitteln.

Amon will Staatsanwälte anzeigen

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) verteidigte die Justiz gegen die Anschuldigungen aus ihrer Partei: „Ich verbitte mir jede Einmischung von außen.“ Am Mittwoch schlug sich auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) auf die Seite der Staatsanwaltschaft: Es sei „nicht in Ordnung“, den Rechtsstaat infrage zu stellen. „Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien.“

Amon selbst erklärte, er prüfe Schritte gegen die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs. Der Verdacht sei zu gering, um ihn als Beschuldigten führen zu dürfen, sagte Amon dem „Kurier“. Und die Staatsanwaltschaft Wien solle den Fall wegen Befangenheit an andere Ankläger abgeben. Zu den 10.000 Euro meinte Amon nun, diese könnten eine Telekom-Spende ohne Gegenleistung gewesen sein. Möglicher Hintergrund: Parteispenden sind nicht illegal.

Telekom-Chef im U-Ausschuss

In der heutigen Sitzung des Korruptions-U-Ausschusses geht es um verdeckte Parteienfinanzierung der Telekom Austria in Richtung ÖVP. Konkret geht es um eine über den Lobbyisten Peter Hochegger abgewickelte Zahlung von 96.000 Euro an eine im Wahlkampf 2008 für die ÖVP tätige Werbeagentur. Den Auftakt macht die Befragung des früheren Telekom-Chefs Boris Nemsic unter anderem zur Kursmanipulations-Affäre des Jahres 2004.

Auf einen Blick

Weil die Justiz Ermittlungen gegen ÖVP-Mandatar Werner Amon wegen Geldwäsche führt, gehen die Wogen hoch. Klubchef Karlheinz Kopf meint, dass es sich um eine Revanche der Staatsanwälte für die Kritik Amons an der Arbeit der Ermittler in der Causa Kampusch handle. Die Justizgewerkschaft weist das scharf zurück und fordert im Gegenzug den Rücktritt Kopfs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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