Kampfzone U-Ausschuss

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Korruptionsuntersuchungsausschuss bietet seinen Mitgliedern die Chance auf Inszenierung – notfalls auf Kosten der anderen. Hochegger kassierte auch Provision für Post-Privatisierung.

Über einen Mangel an Arbeit brauchte sich der parlamentarische Korruptionsuntersuchungsausschuss schon bisher nicht beschweren. Jetzt gibt es noch mehr zu tun: Die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger sollen auch bei der Teilprivatisierung der Post AG 2006 kassiert haben. 350.000 Euro machte laut „Profil“ die Erfolgsprovision aus, bezahlt von der Raiffeisen Centrobank, die von der ÖIAG-Holding als eine von fünf Investmentbanken mit der Abwicklung des Börsegangs betraut worden war.

Für Manfred Ainedter, Anwalt des politisch für die Privatisierung verantwortlichen Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser, gab es damit auch wieder Arbeit. Sein Klient sei bei der Auswahl der Investmentbanken nicht involviert gewesen, versicherte Ainedter, dies sei alleinige Sache der ÖIAG gewesen.

Neuer Stoff für den U-Ausschuss, neue Chance für Inszenierungen. Neun Uhr morgens an diesem Mittwoch, die Show kann beginnen. Die Kontrahenten betreten den Raum. Auf der einen Seite: Ex-Innenminister Ernst Strasser, neben Peter Hochegger und Hubert Gorbach der bisher schillerndste Befragte im Korruptions-U-Ausschuss. Auf der anderen Seite 16 Abgeordnete – von der SPÖ bis zum BZÖ. Doch das Match lautet nicht nur: Abgeordnete gegen Befragter. Es lautet auch: Abgeordneter gegen Abgeordneter, Fraktion gegen Fraktion. Das Ausschusslokal Nummer IV, der Budgetsaal im Hohen Haus, wird zur Kampfzone. Denn es gilt, schwere Korruptionsfälle aufzuklären – so weit der offizielle Grund. Die Ausschusssitzungen sind (großteils) medienöffentlich: Kamera an, Ton ab, Schreibblöcke auf den Tisch: It's showtime.

„Das meinen Sie ernst?“ oder: „Ich lese Ihnen jetzt einmal etwas aus den Ermittlungsakten vor“, donnert der selbst ernannte grüne „Aufdecker“ Peter Pilz gern den Befragten entgegen – ob sie nun Ernst Strasser oder Boris Nemšić heißen, ob sie (ehemalige) Vertreter der Politik oder der Wirtschaft sind. Bevor er einen „Knaller“ absondert, holt Pilz noch einmal tief Luft, macht eine Kunstpause – und legt los: So geschehen am Dienstag, als er ausführte, nun sei der ÖVP-Fraktionschef im Ausschuss, Ex-ÖAAB-General Werner Amon, selbst der Beteiligung an Geldwäsche beschuldigt. Ob er noch tragbar für den Ausschuss sei? Die Antwort von Parlament und Justiz blieb vorerst aus.

An Auffälligkeit kommt ihm, Pilz, im Ausschuss nur Petzner nahe. Nicht nur, weil er wie üblich solariumgebräunt erscheint, sich flippig kleidet und dabei in fast hautenge Hosen zwängt. Mitunter klemmt Petzner auch eine Zigarette zwischen die Lippen, um dann für eine kleine Rauchpause das Ausschusslokal (Nichtraucherzone!) zu verlassen. Aber nicht zu lange: Denn drinnen, im Saal IV, spricht auch er gern von „Knalleffekten“. Am Donnerstag, bei der Befragung des einstigen ÖVP-Manns und Telekom-PR-Verantwortlichen Michael Fischer blieben solche Effekte – trotz anderslautender Ankündigungen – zwar aus. Aber: Mit seinen penetranten Fragen an die Zeugen – à la: „Ich frage Sie jetzt: Haben Sie oder haben Sie nicht diese Rechnung gelegt? Ja oder nein?“ – gehört Petzner zu den hartnäckigsten Abgeordneten. Seine Fragen sind offenbar lange vorbereitet.


2013 im Visier.
In Petzners Fall ist die Mühe – die sich auch andere Abgeordnete machen – einfach erklärt: Kommt er in die Zeitungen, könnte das ihm und seiner Partei bei der nächsten Wahl die politische Existenz retten, so die Hoffnung. Andere wie die FPÖ – angeführt vom eher farb- und zahnlosen Walter Rosenkranz – kämpfen darum, nicht mit dem BZÖ in einen Topf geworfen zu werden; immerhin wird auch gegen (Ex-)BZÖ-Politiker wie Hubert Gorbach wegen Verdachts auf Schmiergeldzahlungen ermittelt. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Verdächtigungen gegen Schwarz-Blau weist die FPÖ weit von sich.

Das tut auch die ÖVP, die lieber Verschwörungstheorien anhängt; die politische Konkurrenz oder gar die Justiz wolle ihr Böses. Die SPÖ kämpft gegen aufkeimende Verdächtigungen und Angriffe gegen sich selbst. Die Grünen – selbst bisher skandalfrei – wollen endlich einmal für ihre „Aufklärungsarbeit“ mit mehr Wählerstimmen belohnt werden, wie das die grüne Ausschussvorsitzende Gabriela Moser offen sagt. Wenn das schon bei früheren Wahlen nicht geklappt hat, dann ja vielleicht 2013? Fakt ist: Mit einem kernigen Auftritt – Attacken gegen Kollegen im U-Ausschuss sind gewünscht und beabsichtigt – sichern sich die Abgeordneten von Hannes Jarolim (SPÖ) abwärts ihre Chance auf ihre 15 Minuten Ruhm.


Strasser, geknickt.
Ein bisheriger „No Name“ kann also ohne Weiteres eine frühere große Nummer „grillen“. Wie den einstigen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser, den gefallenen „Lobbyisten“ aus Brüssel, der sich im Ausschuss zuletzt wegen des Verdachts auf Zahlungen von der Telekom bzw. vom Telekom-Lobbyisten Peter Hochegger verantworten musste; die Vergabe des Blaulichtfunk-Auftrags an die Tetron wird dort erst in einigen Wochen Thema sein. Noch vor wenigen Jahren ein mächtiger und nicht uneitler Mann auf der Regierungsbank im Plenum, sitzt er jetzt 16 Abgeordneten gegenüber, die ihm früher – politisch – das Wasser nicht reichen konnten. Für Strasser eine Schmach – für die Mandatare die Gelegenheit, rasch an Gewicht zu gewinnen.


Parallelen Justiz – Parlament. Die Eitelkeit ist das eine, ein bisher einzigartiger Umstand in der Geschichte der parlamentarischen U-Ausschüsse das andere: Während die 16 Mitglieder des Korruptions-U-Ausschusses die politische Verantwortung zu Themen wie Telekom, Buwog oder Blaulichtfunk klären sollen, führt die Justiz Ermittlungen. Und fragt: Wer ist strafrechtlich verantwortlich? Beide Institutionen haben sich genau dieselben Sachbereiche vorgenommen. Diese „Parallelaktion“ führt im Ausschuss eben auch zu einer Atmosphäre des „einander Belauerns“. Ganz nach dem Motto: „Heute trifft es Werner Amon von der ÖVP – und wen und welche Fraktion trifft es morgen?“

Dazu unternimmt Petzner einen waghalsigen – und gescheiterten – Versuch: Am Donnerstag verkündet er („vielleicht auch ein Knalleffekt“), dass auch Pilz von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt werde – ob er denn im U-Ausschuss tragbar sei? Pilz (und Weitere) winken ab: Die Sache sei längst bekannt – es geht um eine Privatklage von Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser wegen Verleumdung gegen den Grünen.

Sicher kann sich im Ausschuss fast niemand sein: Wiewohl sich die Abgeordneten tausende Seiten Unterlagen aus dem Justiz-, Innen- und Finanzministerium liefern lassen und damit vor gröberen Überraschungen gefeit sein müssten, weiß niemand, wie weit die Staatsanwälte wirklich sind. Was sie als Nächstes planen. Welcher Politiker wird der nächste Beschuldigte?

Insofern besteht eine (Zusatz-)Vereinbarung zwischen Justizressort und Parlament, bestimmte Unterlagen doch nicht ins Hohe Haus zu schicken – jene, deren Sichtung eine Gefährdung laufender Erhebungen bedeuten würde. Konkret: Wenn das Durchstöbern des vorliegenden Materials etwaige Verdächtige warnen könnte, sollte dieses Material unter Verschluss bleiben. Was also schlummert noch in den Tresoren der Ankläger im Grauen Haus?

So besteht im Fall Amon nun eine eigenartige Situation: Durch die Übermittlung der Seiten aus dem Telekom-Akt kann Amon, der als Abgeordneter mit dem Verlust der Immunität und einer baldigen Auslieferung an die Justiz rechnen muss, schon jetzt in brisanten Unterlagen stöbern. Und zwar in seiner Rolle als prüfender Parlamentarier. Dabei sieht er jene Papiere, mit denen der für ihn zuständige Wiener Staatsanwalt, Hannes Wandl, später einmal in die Schlacht ziehen könnte.

Solche Konstellationen prägen Stimmungsbilder – die von der jeweiligen Parteizugehörigkeit abhängen. Während sich Pilz und Petzner seit Wochen einen Aufzeigewettbewerb liefern – wen nimmt die Ausschussvorsitzende und karenzierte Lehrerin Moser vorher dran? –, bleiben Vertreter von SPÖ und FPÖ voraussichtlich weiter gedämpft.


FPÖ-Anzeige und SPÖ-Konsequenzen. Mitunter helfen manche Parteien selbst noch nach. So hat die FPÖ nun die Casinos Austria und Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien angezeigt. Grund ist eine ÖVP-Wahlkampfveranstaltung 2008, die vom Glücksspielbetreiber gesponsert wurde. Die FPÖ vermutet dahinter einen Gesetzeskauf. Das sei eine „völlig haltlose Behauptung“, sagen die Casinos Austria.

Für den früheren SPÖ-Telekom-Sprecher Kurt Gartlehner ist es nicht nur wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ungemütlich. Sein Landesparteichef Josef Ackerl richtete ihm via „Oberösterreichische Nachrichten“ aus, dass er „aus disziplinären Gründen“ nicht mehr aufgestellt werde. Von einer gemeinsamen Freude über das Aufdecken von (politischen) Missständen ist bisher jedenfalls keine Spur.

BUNTER MIX

Der Korruptions-U-Ausschuss zählt fünf SPÖ-, fünf ÖVP-, drei FPÖ-, zwei grüne und einen BZÖ-Abgeordneten.

Auch die Agenda ist bunt: Telekom, Buwog, Behördenfunk, Inserate, Glücksspiel, Staatsbürgerschaften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2012)

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