Kleine Parteisoldaten? Wie Politik Nachwuchs ködert

Archivbild: Niederösterreichs VP-Landerhauptmann Erwin Pröll (rechts) im Kindergarten
Archivbild: Niederösterreichs VP-Landerhauptmann Erwin Pröll (rechts) im Kindergarten(c) APA (Schlager Roland)
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Kindergarten, Ferienlager, Schule. Das Jagdrevier der Parteien ist groß. Trotzdem schöpfen sie ihr Potenzial nicht aus. Ein Überblick über die österreichischen Parteiapparate und ihre (teils) verdeckte Jugendarbeit.

Österreichs Parteien treten in vielerlei Gewändern auf - in offiziellen und in halboffiziellen. Ihr Engagement endet nicht an der Pforte zum Parlament. Das gilt besonders für den Bereich der Jugend. Die Schulen sind das Revier der Großparteien: Die Aktion Kritischer SchülerInnen (AKS) wird von der SPÖ offiziell als Teilorganisation geführt. Die Schülerunion wird dem Lager der ÖVP zugeordnet, wehrt sich aber dagegen und will unabhängig sein. Der Politologe Thomas Hofer zeigt dafür Verständnis: Die Schülerunion wolle verhindern, vereinnahmt zu werden. Immerhin, der VP-Europaabgeordnete Othmar Karas und die VP-Nationalratsabgeordnete Silvia Fuhrmann standen beide an der Spitze der Schülerunion.

Die Parteien treten aber auch verhüllt an das Volk heran. Die Kinderfreunde etwa sind eine Vorfeldorganisation des SPÖ. Etwa 50.000 Kinder werden als Mitglieder geführt. 17.000 werden in hauseigenen Kindergärten und Hortgruppen betreut. 7000 bei Ferienaktionen. Personelle Überschneidungen der Kinderfreunde mit der SPÖ sind offenkundig: Kinderfreunde-Chef Christian Oxonitsch sitzt für die SPÖ im Wiener Gemeinderat. Er ist dort Amtsführender Stadtrat für Bildung, Jugend, Information und Sport. Oft sei man mit der SPÖ einer Meinung, oft aber auch nicht. „Wir haben da schon eine kritische Distanz", sagt Pressesprecher Daniel Bohmann.

Eine Teilorganisation der Kinderfreunde sind die roten Falken. Mit ihr sollen Jugendliche angesprochen werden - derzeit sind das etwa 1500. Bei ihrer Gründung 1925 sollten die roten Falken „arme Arbeiterkinder von der Stadt in die Natur bringen", wie auf der Homepage nachzulesen ist.

Diffuses Geflecht der Volkspartei

So offen freundschaftlich wie in der Sozialdemokratie sind die Querverbindungen der ÖVP nicht. Zu vielen Vereinigungen wird ihr allerdings ein Naheverhältnis nachgesagt: Zu den Pfadfindern, der katholischen Jungschar und vor allem der Landjugend. Gleiches gilt für den Mittelschüler-Kartell-Verband und seiner Studentenvariante, den Cartellverband (CV). Letzterem gehören gleich mehrere aus den Regierungsteam der ÖVP an: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist Mitglied der Austro-Danubia, Parteichef Michael Spindelegger ist Urmitglied der Norica Wien, ebenso sein Staatssekretär, Wolfgang Waldner.

Eine offizielle Verflechtung zur Partei besteht keine. Etwaige Verbindungen zur ÖVP sind ideologischer, thematischer, personeller Natur - und spekulativ. Eindeutiger ist die Zugehörigkeit der Österreichischen Kinderwelt. Sie ist die Kinderorganisation der Jungen Volkspartei. Die Bundesorganisation betreut nach Angaben des Vorsitzenden Ulrich Lanzer 4000 Jugendliche im Jahr und damit wesentlich weniger als die Kinderfreunde. In den Länderorganisationen sollen es allerdings weit mehr sein.

Der Nachwuchs an Parteisoldaten

„Jungendorganisationen sind ein unverzichtbarer Teil einer Partei", sagt Hofer. Sie sollen für die Bindung an die Partei und ihre Idee sorgen. Aber: „In letzter Zeit funktioniert das weniger gut." Gerade die traditionellen Großparteien SPÖ und ÖVP seien bei den Jungen keine großen Parteien mehr. Die Junge Volkspartei (JVP) hat zwar bundesweit 100.000 Mitglieder, schaffe es aber nur selten, die Mitglieder später in die Mutterpartei mitzunehmen. Nur in Einzelfällen, wie bei Staatssekretär Sebastian Kurz, gelinge das. Mit ihm sei die JVP erst in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen, vorher habe sie innerhalb der ÖVP unter „ferner liefen" rangiert, so der Politologe. Dabei haben mit Othmar Karas, dem Abgeordneten Werner Amon und Silvia Fuhrmann einige zentrale Figuren der ÖVP an ihrer Spitze gestanden.

Auch in der SPÖ gibt es Beispiele für erfolgreiche Karriereverläufe über die Sozialistische Jugend (SJ). Parteichef Werner Faymann war von 1981 bis 1987 Vorsitzender der SJ. Auch Finanzstaatssekretär Andreas Schieder kommt aus der Vorfeldorganisation, er war ihr stellvertretender Vorsitzender in Wien. Die Sozialistische Jugend sei innerhalb der SPÖ aber eine weit kritischere Stimme als die JVP in der Volkspartei, so Hofer. Neben der aufmüpfigen SJ hat die SPÖ mit der Jungen Generation noch ein eigenes Parteireferat für Jugend eingerichtet. Ein Konkurrenzverhältnis bestehe nicht, sagt ein Sprecher der JG auf Nachfrage.

Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft

Grundsätzlich sei die Idee, die Jugend über interne Parteikritik anzusprechen, aber keine schlechte, sagt Hofer. Der Jungendbereich dürfe keine Kopie der Partei im Miniformat sein. „Das ist der falsche Weg".

Verbesserungsbedarf besteht nicht nur bei den Regierungsparteien. Der RFS, die Jugendorganisation der Freiheitlichen „ist in der Öffentlichkeit nicht präsent, sie tümpelt herum", so Hofer. Der Erfolg bei Jugendlichen werde über die „jugendliche Person" des Obmanns Heinz-Christian Strache eingefahren. Noch habe die FPÖ in der Jugend keine nachhaltige Struktur. Die Grünalternative Jugend wiederum fällt - abgesehen vom studentischen Bereich - nur vereinzelt mit Aktionen auf.

Ansonsten fehlen bekannte Akteure, eigene Themen und konsequente Kritik an der Mutterpartei. Das BZÖ fokussiere bundesweit auf die Figur Josef Bucher, die Generation Zukunft Österreich sei aber nicht „der Bringer", so Hofer. Die stiefmütterliche Behandlung der Jungendbereiche hält der Experte für einen Fehler: Würden die Parteien mehr in ihre Jugendstrukturen investieren, „dann könnten nachhaltige Bindungen geschaffen werden".

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