Mikl-Leitner: "Erfüllung der Flüchtlingsquoten bis Sommer"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verspricht durch Reform mehr Polizisten auf der Straße. Als Chefin des ÖAAB fordert sie ein Ende der "Diskriminierung" von Frauen mittels höherem Pensionsalter ab 2019.

Die Presse: Das Steuer- und Sparpaket ist beschlossen. Für die Exekutive gibt es neben der Nulllohnrunde 2013 Einsparungen bei Überstunden. Wie können Sie das als Innenministerin, die für die Sicherheit verantwortlich ist, mittragen?

Johanna Mikl-Leitner: Bei diesem Konsolidierungspaket hat jedes Ministerium seinen Beitrag zu leisten. Wir gehen mit positivem Beispiel voran, mit der größten Behördenreform in der Zweiten Republik. Da werden 31 Polizeibehörden zu neun Landesdirektionen zusammengefasst. Das bedeutet schlankere Verwaltung und mehr Beamte draußen auf der Straße.

Was bringt das finanziell?

Es werden pro Jahr acht bis zehn Millionen Euro eingespart.

Und für die Polizeiarbeit?

Mehr Management für die Landespolizeidirektoren, die eigenständig ihre Schwerpunkte – im verkehrs- oder kriminalpolizeilichen Bereich – setzen können.

Was wird bei Überstunden bis 2016 eingespart?

Wir müssen 50 Millionen durch Verwaltungsreformmaßnahmen und Dienstzeitmanagement pro Jahr erbringen. Ein Teil kommt durch ein Zeitwertkonto herein: Junge Polizisten sollen die Möglichkeit haben, Überstunden zu leisten. Älteren wollen wir die Chance geben, weniger Überstunden zu machen oder später Auszeit zu nehmen. Das ist keine Frühpension, denn es wurde ja zuvor gearbeitet. Darüber wird mit den Betroffenen konstruktiv verhandelt.

Letztlich heißt das auch weniger Streifendienste.

Das wird nicht auf Kosten der Streifendienste gehen! Das ist alles eine Frage der Kommandos und Schwerpunktsetzung. Mit der Behördenreform schlagen wir Personal frei für den Dienst auf der Straße. Außerdem haben wir das Versprechen abgegeben: Bis Ende 2013 trotz Pensionierungen netto 1000 Polizisten mehr. Die Bevölkerung braucht sich nicht fürchten.

Der Menschenrechtsbeirat hat eben kritisiert, in Österreich würden Schubhäftlinge schlechter als Strafgefangene behandelt. Lässt Sie das kalt?

Unsere Quartiere sind bestens ausgestattet, es gibt beste Betreuung. Uns wird generell beim Asyl hohe Professionalität zugesichert – von den Erstaufnahmezentren bis zu den Rücknahmezentren.

Auch wenn man als Schubhäftling dort landet?

Unsere Aufgabe ist es, erstens jenen, die Flüchtlingsstatus erlangen, diesen zuzugestehen. Dieser Tradition bleiben wir treu. Zweitens haben wir aber die Verantwortung, jene, die einen rechtskräftigen negativen Bescheid haben, außer Landes zu bringen. Dieser rechtskräftige negative Asylbescheid stammt nicht vom Innenministerium, sondern von einem eigenen Asylgerichtshof, der beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Dort entscheiden Richter. Wie jede Österreicherin, jeder Österreicher, haben sich auch Asylwerber an höchstgerichtliche Urteile zu halten. Der Polizei kommt die Aufgabe zu, höchstgerichtliche Urteile zu vollziehen.

Also kein Handlungsbedarf bei Schubhaft?

Wir kommen allen Menschenrechtsverpflichtungen und EU-Vorgaben nach.

Jetzt steigen die Asylzahlen wieder. Ist doch ein drittes Erstaufnahmezentrum notwendig?

Derzeit brauchen wir keines, weil wir in unseren Verfahren noch schneller und professioneller geworden sind. Wir schließen 80 Prozent aller Verfahren innerhalb von sechs Monaten ab. Wir haben auch eine Vereinbarung zur Grundversorgung mit den einzelnen Bundesländern. Wir sind da in äußerst konstruktiven Gesprächen mit den Ländern.

Fakt ist: Einige Länder erfüllen ihre Quote nicht.

Daher hat es sehr intensive Gespräche gegeben. Dabei hat jedes Bundesland signalisiert, seiner Quote nachzukommen.

Bis wann?

Ich hoffe, dass die Länder bis zum Sommer den Hauptteil ihrer Quote erfüllt haben.

Und wenn das nicht passiert?

Alle Bundesländer sind jetzt bestrebt, Quartiere zu organisieren. Ich gehe davon aus, dass sie Wort halten, denn dazu gibt es konkrete Verträge.

Es gibt von Ihnen auch auf EU-Ebene intensive Bestrebungen zu einer besseren Aufteilung von Flüchtlingen. Bis wann?

Österreich, die Niederlande und Deutschland, haben einen EU-Gipfel mit sieben Ländern, die am meisten von den Asylströmen betroffen sind, organisiert. Diese Länder haben 75Prozent aller Asylverfahren zu bewältigen. Ich hoffe, dass das bis zum Sommer mit einem Handlungsplan erledigt ist.

Sie wollen aber auch die Migration stoppen.

Es geht darum, das Leben der Menschen in den Herkunftsländern zu verbessern, indem wir die Entwicklungshilfe neu kanalisieren, etwa indem wir Partnerschaften mit Drittstaaten aufbauen.

An der Umschichtung gibt es scharfe Kritik.

Entwicklungshilfevorhaben, die derzeit in Umsetzung sind, werden selbstverständlich fertiggestellt. Aber was kann schlecht sein, wenn man Geld von Nicaragua Richtung Afghanistan lenkt, wenn dort ein Frauenprojekt forciert wird. Das kann nur von Vorteil sein.

Sie sind seit November 2011 als erste Frau ÖAAB-Chefin. Ein Schwerpunkt ist für Sie, Kindererziehung mehr auf die Pension anzurechnen. Wie und wann soll das in Sparzeiten funktionieren?

Es ist mir ein ganz großes Anliegen, alle Faktoren, die zur Diskriminierung von Frauen führen, zu beseitigen. Bei den meisten Kollektivverträgen mit automatischen Gehaltsvorrückungen werden nur Präsenz- und Zivildienst sowie Urlaubszeit angerechnet, aber keine Kindererziehungszeiten. Das ist eine Diskriminierung von Frauen.

Und wie wollen Sie die beenden?

Ich fordere, das bei allen Kollektivverträgen anzurechnen. Dadurch schaffen wir es auch, die Gehaltsschere bis zu 25Prozent zwischen Frauen und Männern zu schließen und die Unterschiede bei den Pensionen.

Die rühren teilweise allerdings auch vom niedrigeren Pensionsalter der Frauen.

Es ist ein Nachteil, dass das Pensionsalter der Frauen bei 60, bei den Männern bei 65 liegt. Die Statistik zeigt, dass dieses frühere Pensionsalter zu einer Diskriminierung von Frauen führt. Mit 40/45 zählt man bereits zu den älteren Arbeitnehmerinnen, viel früher als Männer. Unternehmen hören ab 40/45 auf, in Weiterbildung zu investieren.

Wie soll das geändert werden?

Wir müssen das gesetzliche Pensionsalter auf 65 anheben. Wir dürfen nicht erst 2024 beginnen, sondern 2019. Es ist eine Notwendigkeit, das in den nächsten Jahren zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2012)

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