Warten auf Töchterle – altes Stück, neu besetzt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Karlheinz Töchterle hat in seinem ersten Jahr als Wissenschaftsminister noch kaum Tatsachen geschaffen. Seiner Beliebtheit tut das keinen Abbruch. Doch er weiß: Die Zeit der Umsetzung ist langsam gekommen.

Mir war schon das Stück „Warten auf Godot“ nie sonderlich sympathisch“, formulierte Claudia Schmied, auf Karlheinz Töchterle angesprochen, bei ihrem jüngsten „Presse“-Interview. Auf Töchterle – so die versteckte Botschaft – wolle sie somit schon gar nicht warten. „Ich bin immer für Gespräche offen, aber irgendwann muss man Projekte und Reformen auch umsetzen“, so die Unterrichtsministerin mit Blick auf den Alleingang, den sie bei der Einrichtung neuer Masterstudien an den Pädagogischen Hochschulen wagte.

Schmieds Aussage legt jedoch weit mehr offen als nur die zunehmend schwieriger werdende Beziehung zweier Minister, deren Amtsverständnis und Stil unterschiedlicher kaum sein könnten. Tatsächlich ist die Amtszeit Töchterles – die vor knapp einem Jahr, am 21. April, begann – bisher nicht zuletzt von einem geprägt: warten. Warten auf den Hochschulplan, den er versprochen hat. Warten auf die Studienplatzfinanzierung, die er ausarbeitet. Warten auf die neue Lehrerbildung. Auch auf die Studiengebühren könnte man warten. Dass es sich mit ihnen in dieser Legislaturperiode so verhält wie mit Godot, gilt aber als fix. Sie werden nicht kommen. Auf den Weg gebracht hat Töchterle bisher einzig die sogenannte Hochschulmilliarde, die 2013 ausbezahlt wird.

Das Besondere an Töchterles Amtsführung: So gut wie niemand bemerkt, dass der Minister noch keine Tatsachen geschaffen hat. Das mag zweierlei Gründe haben: Zum einen sind die Österreicher in Sachen Bildung Kummer und Verzögerung gewöhnt. Töchterles Vorgänger Beatrix Karl und Johannes Hahn (beide ÖVP) scheiterten mit fast all ihren Vorhaben. Die Latte lag tief.

Unorthodoxe Zukunftshoffnung

Zum anderen ist da noch die Person Töchterle, die in der sonst als so glanzlos wahrgenommenen heimischen Politik bei vielen beinahe für Begeisterung sorgt. Innerhalb eines Jahres hat sich der 62-Jährige vom auf den ersten Blick spröden Tiroler Ex-Rektor zu einer unorthodoxen Zukunftshoffnung der ÖVP gewandelt. Im „Vertrauensindex“, mit dem die Meinungsforscher von OGM die Beliebtheit heimischer Politiker abfragt, rangiert er auf den vorderen Plätzen.

Mittlerweile gilt Töchterle nicht nur als möglicher „Bildungsminister“, falls Uni- und Unterrichtsministerium in der nächsten Legislaturperiode – wie zuletzt unter Elisabeth Gehrer – fusioniert werden. Auch als Nachfolger des glücklosen Günter Platter im Amt des Landeshauptmanns wird der leidenschaftliche Tiroler gehandelt. Noch vor einem Jahr war es Platter, der Töchterle für das Wissenschaftsressort empfahl. Auch als ÖVP-Kandidat bei der nächsten Präsidentschaftswahl wird er genannt. Gegen eine mögliche SPÖ-Kandidatin Barbara Prammer rechnet sich die ÖVP mit ihm gute Chancen aus.

Doch woher rührt sein Erfolg? Töchterle sei der vielleicht „letzte Bildungsbürger“ in der Regierung, schrieb „Die Presse“ anlässlich seines Amtsantritts in einem Porträt. Ein Anspruch, den er bis heute erfüllt. Ebenso wie jenen des Experten, als der man als Minister in der sensiblen „Scientific Community“ besser lebt. Töchterle schafft es, mit diesen Zuschreibungen zu spielen, ohne durchschaubar zu wirken. Vielleicht sind es „seine gedrechselten, langsam gesprochenen Sätze, die auf den ersten Blick eigentümlich wirken, einen dann aber doch in ihren Bann ziehen“, wie es ein früherer Rektorenkollege formuliert. Vielleicht ist es auch das ehrliche Interesse, dass Töchterle bei seinen Besuchen in Fachhochschulen und Unis an dem ihm Dargebotenen zeigt. Oder die Tatsache, dass er es sich auch als Minister nicht nehmen lässt, Fachartikel zu publizieren. Und egal, ob er (unabhängig vom Anlass) fast all seinen Reden ein lateinisches Zitat voranstellt oder in Gesprächen weniger den Politiker und mehr den dozierenden Altphilologen herauskehrt: Die Grenze zur Peinlichkeit hat er noch nie überschritten. Dass es sie gibt, weiß er.

In seinen politischen Positionierungen ist er zuletzt noch klarer (manche sagen: sturer) geworden. Auch seine Wortwahl wurde härter. Die Querschüsse gegen die ÖVP-Parteilinie sind seltener geworden. Vor allem in den immer öfter offen zur Schau getragenen Auseinandersetzungen mit SPÖ-Ministerin Schmied versucht er sich nun zu profilieren. Das muss er auch. Die Taktikerin Schmied und die SPÖ gönnen ihm freiwillig keinen Erfolg. Der Kampf zwischen Schmied und Töchterle ist nicht nur ein inhaltlicher – etwa um Zugangsbeschränkungen oder Uni-Autonomie –, sondern auch einer der unterschiedlichen Politikverständnisse. Idealist Töchterle trifft auf Pragmatikerin Schmied.

Wozu das führen kann, zeigte sich etwa bei der Kontroverse um Studiengebühren: Das vom Büro Schmied vorgelegte Kompromissmodell würdigte der Uni-Minister keines Blickes. Er wolle die generelle Wiedereinführung – oder gar nichts, lautete die Sprachregelung. Es wurde gar nichts. Den Vorwurf, den Unis die Chance auf sichere 30 Millionen Euro jährlich zu verbauen, muss er sich gefallen lassen.

Mehr als nur Kosmetik

Auch unter den Rektoren, die er zur selbsttätigen Einhebung von Studiengebühren motivieren will, hat er sich damit Feinde gemacht. Die Anti-Töchterle-Fraktion unter den Rektoren wachse, heißt es. Angreifbar gemacht hat sich der Minister nicht zuletzt mit seiner zwiespältigen Haltung zur Fusion von Uni und Medizin-Uni Innsbruck: Nach außen betont er die Autonomie der Unis, die die allfällige Entscheidung selbst treffen müssten. Hinter den Kulissen gilt Töchterle als Triebfeder einer Wiedervereinigung. Mehr noch. Kritiker meinen, dass die Wiedervereinigung vor allem einen Zweck haben soll: Töchterle in seiner Heimat, wo eine Fusion begrüßt würde, zu einem politischen Erfolg zu verhelfen.

Ein solcher täte dem Minister tatsächlich gut. Mit dem bis heute (großteils) nur schlecht geregelten Hochschulzugang und der von vielen Seiten erhofften Gesamtlösung in Form des Hochschulplans hat er ein Mammutprojekt vor sich. Gelingt es ihm, dieses beim Koalitionspartner ohne Substanzverlust durchzuboxen, könnte er schaffen, woran viele scheiterten: Den Uni-Sektor grundsätzlich zu reformieren – statt nur Kosmetik zu betreiben. Zeit wäre es.

Auf einen Blick

Am 21. April 2011 wurden – nach dem Rücktritt von Josef Pröll – die neuen Mitglieder der ÖVP-Regierungsmannschaft wie Karlheinz Töchterle, Johanna Mikl-Leitner, Sebastian Kurz und Wolfgang Waldner angelobt bzw. jene, die schon in der Regierung waren, in ihre neue Funktion eingesetzt – wie Beatrix Karl, Maria Fekter und Michael Spindelegger. „Die Presse“ zieht nun in loser Folge eine Ein-Jahres-Bilanz der Arbeit dieser schwarzen Regierungsmitglieder. Den Anfang macht der Wissenschaftsminister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Sebastian Kurz, der unterschätzte Staatssekretär

Vor einem Jahr stieg der JVP-Chef in die große Politik ein: Seither hat Österreichs Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz viele Vorschläge gemacht, einiges umgesetzt und sich dabei selbst neu erfunden.
Innenpolitik

„No, no, no“: Fekters Gespür für Diplomatie

Bei ihrem Wechsel ins Finanzministerium wollte sich Maria Fekter im Ton mäßigen. Es blieb ein Vorsatz. In Brüssel fiel sie in Ungnade, in Wien kämpft sie gegen die Spätfolgen des Sparpakets.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker auf Besuch in Oberösterreich
International

Juncker zu Fekter: "Kein bitterböser Streit"

Eurogruppen-Chef Juncker habe Österreichs Finanzministerin lediglich deutlich gemacht, dass man nicht dauernd aus Sitzungen herausplaudern dürfe.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.