„No, no, no“: Fekters Gespür für Diplomatie

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Bei ihrem Wechsel ins Finanzministerium wollte sich Maria Fekter im Ton mäßigen. Es blieb ein Vorsatz. In Brüssel fiel sie in Ungnade, in Wien kämpft sie gegen die Spätfolgen des Sparpakets.

Wien.Bei ihrem Abschied aus dem Innenministerium Ende April 2011 war Maria Fekter beinahe selbstkritisch: Vielleicht sei sie manchmal „zu deftig in der Sprache“ gewesen. Als Finanzministerin aber werde sie sich im Ton mäßigen müssen, denn: „Finance ist etwas anderes als die Kieberei.“

Ein Jahr später wird selbst Maria Fekter nicht leugnen: Aus dem guten Vorsatz wurde nichts. Allein in der Vorwoche tappte die Ministerin in zwei Fettnäpfe – man möchte fast sagen: Sie sprang mit Anlauf hinein. Denn die Finanzministerin hielt sich nicht an das Brüsseler Hofzeremoniell und gab schon vor Ende einer EU-Ratstagung das Verhandlungsergebnis über den 800-Milliarden-Rettungsschirm für den Euro bekannt. In der Brüsseler Lesart war das ein Affront.

Jean-Claude Juncker: „Es hat gereicht“

Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker ließ eine Pressekonferenz platzen und zog sich empört in sein Hotel zurück. Eigentlich, so erklärte Fekter später in einem „Standard“-Interview, seien seine Nierensteine der Grund dafür gewesen. In Wahrheit hatte sie mit derart privaten Details dem peinlichen Vorfall noch eins draufgesetzt. Juncker sagte bei einem Besuch in Linz am Dienstag: „Es hat gereicht“, man könne nicht dauernd aus der Sitzung herausplaudern. Aber ein „bitterböser Streit“ sei es nicht gewesen.

Dabei ist das Image der österreichischen Finanzministerin auf dem EU-Parkett sowieso schon angeschlagen. Aus Ratskreisen werden regelmäßig schräge Auftritte gemeldet. So authentisch Fekter daheim wirken mag, Diplomatie ist nicht ihre Stärke. „Sie schreit bei Ratstagungen dazwischen, hält sich an keine Rednerlisten“, heißt es. Irgendwann rief sie einfach „No, no, no“ in die Runde.

Schon bei ihrer ersten Sitzung mit den 26 Amtskollegen sorgte Fekter für Kopfschütteln. Das war im Frühsommer 2011. Es ging um den EU-Haushalt für das nächste Jahr. Die Finanzministerin sprach sich lautstark gegen den Vorschlag der EU-Kommission aus und argumentierte damit, dass ein höheres Budget auch die Kofinanzierung von Projekten in Österreich erhöhen würde. Das würde das Erreichen der Defizitgrenze gefährden. Dass es allerdings nicht um neue Verpflichtungen für Österreich ging, sondern um die Abwicklung längst eingereichter Projekte, war ihr nicht aufgefallen.

Fekter, so heißt es aus dem Finanzministerium, habe freilich ihre inhaltlichen Schwächen bald erkannt. Sie lasse sich regelmäßig von den Fachleuten im Ressort für EU-Tagungen vorbereiten. Ihr ehrliches Bemühen um Kompetenz verpuffe dann aber oft an der Brüsseler Front und schon gar bei öffentlichen Auftritten. „Die Zeit, die wir uns gegeben haben, ist shortly“, sagte sie im Juli 2011 zur Griechenland-Krise. Das Video von dieser Pressekonferenz wurde zu einem Hit auf YouTube. Denn die Finanzministerin hatte auch noch schelmisch in nicht ganz perfektem Englisch hinzugefügt: „Und auf Ihre Frage, was das heißt, sage ich Ihnen: Shortly – without von Delay.“ Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist die mäßige Englisch-Aussprache von Politikern eine beliebte Zielscheibe des Spotts.

Fekter galt lange als Liebling der Brüsseler Korrespondenten, weil sie einen Hang zu klaren Aussagen hat. Mittlerweile ist auch ihre englische Aussprache besser geworden. Auf Interviews mit internationalen Medien bereitet sie sich intensiv vor. Dennoch nahm die „Financial Times Deutschland“ den Eklat mit Juncker diese Woche zum Anlass für einen vernichtenden Artikel. Von der „hyperaktiven Österreicherin“ war da zu lesen. Und: „Dass es in der Euro-Gruppe derzeit wenig gute Leute gibt, zeigt das Beispiel Fekter.“

Der böse Artikel kam nicht von ungefähr. Die österreichische Finanzministerin hat es sich derzeit auf EU-Ebene gehörig verscherzt. Zu durchsichtig agiert sie im Sinne nationaler Interessen. Etwa beim Streit um ein Steuerabkommen mit der Schweiz. Den Zugriff auf Steuerflüchtlinge im Nachbarland verlangt Fekter zwar für die Sanierung des heimischen Budgets. Gleichzeitig lehnt sie aber das von EU-Partnern geforderte Ende des österreichischen Bankgeheimnisses strikt ab.

Wenn ihr (wirtschafts-)politisches Weltbild infrage gestellt wird, kann Fekter bisweilen ziemlich emotional werden. Dann hat sie ihr Temperament nicht immer unter Kontrolle. Im September 2011, beim Krisentreffen der Euro-Finanzminister im polnischen Wroclaw, verglich sie die anhaltende Kritik an den Banken und Reichensteuer-Forderungen aller Art mit der Judenverfolgung: „So was hatten wir schon einmal . . . Es hat das zweimal in einem Krieg geendet.“ Den Verharmlosungsvorwurf parierte Fekter zunächst noch selbstsicher. Doch tags darauf folgte die Entschuldigung – auf Anordnung von ÖVP-Chef Michael Spindelegger.

Keine Mehrheit in der eigenen Partei

Innenpolitisch befand sich die Finanzministerin zuletzt in der Zwickmühle. Im Vorfeld der Sparpaketsverhandlungen hatte Fekter wiederholt erklärt, dass es mit ihr keine neuen Steuern geben werde – und das auch so gemeint. Allerdings war diese Position nicht einmal in der eigenen Partei mehrheitsfähig. Vor allem der Arbeitnehmerflügel in der ÖVP und der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll, drängten, wenn schon nicht auf (klassische) Vermögensteuern, so doch auf einen Beitrag der Vermögenden.

Das Ergebnis – ein sogenannter Solidarbeitrag, den Spitzenverdiener von 2013 bis 2016 zahlen müssen – redet die Finanzministerin seit der Präsentation des Steuer- und Sparpakets Mitte Februar konsequent klein: Man dürfe nicht vergessen, dass es sich hierbei um eine befristete Maßnahme handle. Gewinne aus Immobilienverkäufen werden seit 1. April freilich unbefristet besteuert.

Umgekehrt befinden sich die Strukturreformen, die Fekter zur Bedingung im Sparpaket erklärt hat, allenfalls im Anfangsstadium. Im Bereich der Frühpensionen waren mit der SPÖ nur kleine Verschärfungen möglich. Für die Gesundheitsreform und die gewünschte Entschlackung des Förderwesens braucht die Ministerin noch die Zustimmung der Länder. Was die Sache nicht einfacher macht.

Ihrem Standing in der ÖVP hat das alles nicht geschadet: Als Josef Pröll vor einem Jahr seine Ämter niederlegte, galt Fekter neben Spindelegger und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner als Kandidatin für die Parteispitze. Daran hat sich nichts geändert.

Zur Person

Maria Fekter ist seit April 2011 Finanzministerin. Sie folgte Josef Pröll nach, der seine politischen Ämter niedergelegt hatte. Davor war Fekter Innenministerin (2008 bis 2011), Volksanwältin (2007 bis 2008), Nationalratsabgeordnete (1994 bis 2007) und Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium (1990 bis 1994). Fekter stammt aus dem oberösterreichischen Attnang-Puchheim, ihrer Familie gehört ein Kieswerke-Betrieb. Die 56-Jährige hat einen Uni-Abschluss in Jus und Betriebswirtschaftslehre, ist verheiratet und Mutter einer erwachsenen Tochter.

Auf EU-Ebene wurde Fekter in der Vorwoche kritisiert, weil sie vor Ende einer EU-Ratstagung das Verhandlungsergebnis über den 800-Milliarden-Euro-Rettungsschirm bekannt gegeben hatte. „Die Presse“ zieht in loser Folge eine Ein-Jahres-Bilanz über jene ÖVP-Minister, die im April 2011 ihr Amt antraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2012)

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