Vor einem Jahr wurde eine niederösterreichische Landesrätin zur schillernden Ministerin. Johanna Mikl-Leitner ist keine Ministerin von Traurigkeit. Ihre Loyalität ist ebenfalls legendär.
Wien. Sie erzählt gerne Witze. Und manchmal handelt es sich dabei um „nicht jugendfreie“, wie man es in der ÖVP formulieren würde. Johanna Mikl-Leitner ist auf jeden Fall keine Ministerin von Traurigkeit. Ängste, wie sie etwa ihre Kollegin im Justizministerium Beatrix Karl häufig quälen, also sich Feinde zu schaffen, unattraktive Entscheidungen zu treffen oder laut auf den Tisch zu hauen, sind Mikl-Leitner völlig fremd. Ihre Loyalität ist ebenfalls legendär, ob die nach oben zu Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll oder nach unten zu ihrem Kabinettschef Michael Kloibmüller. Als sich der ehemalige politische Zögling Ernst Strassers mit durchaus ernsten Anschuldigungen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien konfrontiert sah, hielt sie demonstrativ zu ihm. Ihm war vorgeworfen worden, ein vertrauliches und heikles Mail über Hausdurchsuchungen an einen befreundeten, externen Berater weitergegeben und in der Causa Mensdorff-Pouilly Telekom-Managern mit „unangenehmen Konsequenzen“ gedroht zu haben, falls diese Details an Medien weitergeben würden. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen nun eingestellt. Mikl-Leitner feierte dies auch als persönlichen Sieg. Persönlich hatte sie Journalisten von der Unschuld ihres Büroleiters zu überzeugen versucht.
Konsequenz – manche sagen Sturheit – ist überhaupt Kennzeichen Mikl-Leitners: Im Innenressort hielt sie strikt die Linie ein, die Ernst Strasser, Günther Platter und zuletzt Maria Fekter vorgegeben hatten: die polizeilichen Befugnisse weiter ausbauen und verteidigen, zuletzt etwa bei den Terrorgesetzen oder der Vorratsdatenspeicherung. Bei ihrer – laut Boulevardzeitungen – wichtigsten Aufgabe, der Verbrechensbekämpfung, wird sich erst nächste Woche zeigen, ob ihr erstes Jahr erfolgreich war oder nicht, sie präsentiert die aktuelle Kriminalitätsstatistik. Wie man aus dem Innenressort schon vorab hört, wird es schwer werden, große Jubelmeldungen zu verkünden.
Hatte es anfänglich so ausgesehen, als würde Mikl-Leitners Ressort von allen Sparmaßnahmen ausgenommen werden wie, etwa beim Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst, überraschte dann das Konsolidierungspaket: Bei den finanziell attraktiven Überstunden muss eisern gespart werden. Die Prostete dagegen blieben bisher aber vergleichsweise zahm.
Den Gegnern der strengen Asylgesetzgebung konnte Mikl-Leitner ebenfalls den Wind aus den Segeln nehmen – und zwar mit Sebastian Kurz. Dank dem neuen Staatssekretär für Integration wird dieses Thema endlich nicht mit Asyl einerseits und Kriminalität andererseits durch eine zuständige Ministerin verbunden. Dass auch viele Alt-Asylfälle abgearbeitet wurden, die Zahl der Abschiebungen tendenziell kleiner wird und diese offenbar unauffälliger gehandhabt werden, sorgt ebenfalls für weniger Schlagzeilen.
Für die sorgte Mikl-Leitner schon lieber als ÖAAB-Chefin: Ungeniert vom ohnehin holprigen Keine-neuen-Steuern-Kurs ihres Parteiobmanns brüllte sie „Her mit dem Zaster!“ beim ÖAAB-Parteitag Ende des vergangenen Jahres und forderte einen Beitrag der Bestverdiener, der dann später auch tatsächlich von SPÖ und ÖVP beschlossen wurde. Solche Auftritte vor Funktionären liegen der Innenministerin auch deutlich mehr als solche am glatten Wiener oder Brüsseler Parkett. Obwohl dort selbst kritische Beobachter einen gewissen Lerneffekt erkennen. Einen solchen erhoffen sich ihre Parteifreunde noch von ihren TV-Auftritten, die geraten rhetorisch und inhaltlich noch einigermaßen inferior.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2012)