Integration: Kurz unter Beobachtung

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Ein Forscherteam der Uni Wien untersucht bis 2013 die Arbeit des Staatssekretariats für Integration, Sebastian Kurz. Ein kleiner Paradigmenwechsel ist bereits auszumachen

Eigentlich hat Sebastian Kurz die „Zeugnisverteilung“ schon erfolgreich hinter sich gebracht. Rund um den Jahrestag seines Amtsantritts gab es für den Regierungsdebütanten durchwegs mediales Lob – einmal mehr, einmal weniger. Doch der Staatssekretär oder, korrekter, sein Amt stehen auch unter wissenschaftlicher Beobachtung: Seit April 2011 verfolgt eine Forschergruppe an der Uni Wien die Arbeit des Staatssekretariats für Integration.

Bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 soll ständiges Monitoring Antwort auf die Frage geben, inwieweit die neue Institution die Integrationspolitik verändert. Grundlage dafür ist die Medienbericherstattung in der „Presse“ und im „Standard“ sowie die Presseaussendungen des Staatssekretariats. Heute, Dienstag, werden die ersten Zwischenergebnisse präsentiert.

Zuwanderung bleibt unangetastet

Eines der wichtigsten lautet: Es gibt in der Integrationsdebatte so etwas wie einen Paradigmenwechsel: „In den Nullerjahren wurde in Europa unter Integration verstanden, dass man eine gemeinsame Kultur teilt – man denke an die vielen Integrationstests“, sagt Studienautorin Sieglinde Rosenberger.

Heute hingegen gehe es vor allem um Bildung und Arbeitsmarkt und den dafür nötigen Spracherwerb. „Integration durch Leistung“ heißt das in der Diktion des Staatssekretariats – für die Politikwissenschaftlerin ist das ein Fortschritt. Während ein kulturelles Integrationsverständnis von den Migranten ein Bekenntnis zu gemeinsamen Werten verlange, ermögliche der sozioökonomische Fokus auf Bildung und Arbeitsmarkt konkrete politische Maßnahmen.

Allerdings sehen die Forscher ein Ungleichgewicht: Leistung setze faire Ausgangschancen voraus. In den Mipex-Studien (Migrant Integration Policy Index) liegt Österreich jedoch traditionell auf den hintersten Rängen. Laut Monitoring-Bericht kommt auch 2011/2012 die Thematisierung von Anti-Diskriminierung auf dem Arbeits-und Wohnungsmarkt zu kurz. Ebenso vermisst man eine Debatte über eine Änderung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft oder davon entkoppelte politische Rechte: Bei langem Aufenthalt könne es etwa ein Wahlrecht auf Landesebene geben.

„Die Strukturen der Zuwanderung werden nicht angetastet“, sagt Rosenberger. Dabei würden die Regeln für Ein- und Auswanderung vorweg die Grenzen für Integration festlegen. Der Bericht formuliert es so: Durch die geradezu kategorische Zuweisung dieser Agenden ans Innenministerium würden „Integrationshürden de-thematisiert“.

Dahinter vermutet Rosenberger parteipolitisch-strategische Gründe: Die Aufteilung des Themas auf Staatssekretariat und Ministerium erlaube einen gleichzeitig restriktiven und liberalen Zugang zur Integration. So achte das Integrationsstaatssekretariat peinlich darauf, nicht mit Asylagenden in Verbindung gebracht zu werden. „Obwohl sie zumindest für die Integration von anerkannten Flüchtlingen zuständig sind, findet man fast nichts zu diesem Thema.“

Sachlich bis zum Wahlkampf?

Die Scheu vor einem erweiterten Integrationsbegriff sei auch ein Grund, warum viele Maßnahmen „soft“ blieben – „Es gibt ein Projekt hier, dort eine Neuregelung, aber kaum grundlegende Gesetzesanträge mit parlamentarischer Debatte.“ Allerdings sei das schon in der Institution angelegt: „Ein Staatssekretariat ist nur Impulsgeber.“ Bei den Impulsen siedelt Rosenberger auch das größte Verdienst an: „Es ist gelungen, das Thema in die Regierung zu holen und erstmals wird es nicht über Defizite von Migranten begriffen.“ Ob die viel gelobte Versachlichung der Debatte – Expertenrat sei Dank – anhält, lässt man aber dahingestellt: „Die Erwartung ist, dass das im Wahlkampf nicht durchzuhalten ist.

Der Bericht ist ab Dienstag unter: http://inex.univie.ac.at/research-projects/monitoring abrufbar. Um 18 Uhr findet eine Debatte u.a. mit Sebastian Kurz statt: Aula Universitätscampus, Hof 1, Spitalg. 2–4, 1090 Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2012)

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