Künstliche Befruchtung auch für lesbische Paare?

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In-vitro-Fertilisation. Die Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes gibt grünes Licht für homosexuelle und alleinstehende Frauen. Die Entscheidung liegt nun beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Wien/Ib/Uw. Es spricht nichts dagegen, künstliche Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen zu erlauben – zu diesem Schluss kam nun die Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes. Noch ist es für gleichgeschlechtliche Paare verboten, künstliche Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Mit dem Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare gab es auch eine Änderung des sogenannten Fortpflanzungsmedizingesetzes. Dort heißt es: „Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig.“

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüft allerdings derzeit das Verbot auf Antrag des Obersten Gerichtshofes – und hat im Februar die Bioethikkommission um eine Stellungnahme gebeten. Mit einer Entscheidung des Höchstgerichts dürfte im Laufe des Herbsts zu rechnen sein.

Doch wie argumentiert die Bioethikkommission ihr Ergebnis? In ihrer Empfehlung versucht die Kommissionsmehrheit die in den Gesetzesmaterialien angeführten Bedenken Punkt für Punkt zu entkräften. Wobei sich die Proargumente für lesbische Paare und alleinstehende Frauen großteils decken. Ausgangspunkt ist, dass das Recht der Fortpflanzung so fundamental ist, dass ein Verbot medizinischer Unterstützung (In-vitro-Fertilisation) nur gerechtfertigt ist, wenn damit schwerwiegende Gefahren abgewehrt werden. „Am wichtigsten war die Frage des Kindeswohls“, sagt die Vorsitzende Christiane Druml. Die internen Debatten darüber, gibt sie zu, seien „durchaus emotional“ gewesen. Die Mehrheit jedenfalls sieht es als erwiesen an, dass sich Kinder in „Regenbogenfamilien“ nicht anders entwickeln als in traditionellen. Und weiter: Die Tatsache, dass solche Kinder diskriminiert werden könnten, rechtfertige allein kein IVF-Verbot. Denn sonst müsse man auch andere diskriminationsgefährdete Gruppen (z. B. aufgrund der Hautfarbe) von der Reproduktionsmedizin ausschließen. Wenig kann die Kommission auch mit der Furcht vor der Schaffung von „ungewöhnlichen persönlichen Beziehungen“ anfangen: Das Gesetz könne nicht alles verbieten, was außerhalb der Norm sei. Auch dass das Kind nur einen Elternteil im rechtlichen Sinn hat, lässt man nicht gelten: Erstens könne der Gesetzgeber dies ändern (durch Einführung der gemeinsamen Obsorge bei gleichgeschlechtlichen Paaren). Zweitens toleriere er Vaterlosigkeit in anderen Fällen sehr wohl: So muss eine Mutter den Vater nicht angeben.

Und was ist mit der Gefahr von Missbrauch der Fortpflanzungsmedizin, etwa durch Leihmutterschaft? Die Gegenstimmen in der Kommission sorgten sich, dass männliche Paare im Zuge der Gleichbehandlung auf Leihmutterschaft pochen könnten – die in Österreich verboten ist. Die Kommissionsmehrheit sieht aber weder ein höheres Missbrauchsrisiko als bei heterosexuellen Paaren, noch, so findet man, rechtfertige eine Benachteiligung der Männer ein Verbot der IVF für lesbische Paare und alleinstehende Frauen. Generell gilt: Die Empfehlung der Kommission bindet den VfGH nicht, aber: „Allein die Tatsache, dass er uns überhaupt fragt, zeigt, dass er unsere Meinung schätzt“, sagt Druml.

Auf einen Blick

Die künstliche Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen ist in Österreich verboten. Laut Fortpflanzungsmedizingesetz ist eine „medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig“. Laut Mehrheit der Bioethikkommission könnte man das Verbot aufheben, der Verfassungsgerichtshof prüft derzeit das entsprechende Verbot auf Antrag des Obersten Gerichtshofes. Mit einer Entscheidung dürfte im Herbst zu rechnen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2012)

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