Wenn die Große Koalition zur Minderheitsregierung wird

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Die Regierung versucht sich ein Jahr vor der Nationalratswahl 2013 im Umschwung. Doch die Volkspartei ist so geschwächt, dass die Aussichten trüb sind.

Wien. Die Bilder vom Kahlenberg sollen den Umschwung bringen. Michael Spindelegger marschiert dynamisch mit Sebastian Kurz an seiner Seite. Michael Spindelegger schaut ernst, als er die Einigung beim Transparenzpaket mit Werner Faymann verkündet. Michael Spindelegger lächelt neben Maria Fekter. Und: Ein eigens engagierter Fotograf hat versucht, den Vizekanzler und ÖVP-Parteichef zuletzt in ein besseres Licht zu rücken. Die meisten Fotos der vergangenen Monate hatten Spindelegger nicht gefallen. Er lächelte selten bis nie, wirkte defensiv und nicht wie ein künftiger Regierungschef.

Das soll nun anders werden. Der Telekom-U-Ausschussteil ist vorerst vorbei, Mandatar Ferry Maier tritt endlich ab, und eine Transparenzregelung für die Parteikassen ist gefunden.

Dass ausgerechnet die Länder von der Neuregelung vorerst ausgeklammert bleiben, zeigt die wahren Machtverhältnisse: Spindelegger darf ohne Landeshauptmann Erwin Pröll noch weniger als Werner Faymann unter Michael Häupl. Die beiden Landeschefs sind endgültig zum heimlichen Kanzlertandem geworden, das nach Gutdünken blockieren und verschieben kann. Dagegen gibt es zwar intern Kritik, etwa im ÖVP-Klub, aber keinen ernsthaften, also effizienten Widerstand.

Dass Häupls und Prölls Vertreter in der Bundesregierung keine rosigen Aussichten haben, stört die beiden nicht weiter. Vor allem die eklatante Schwäche der ÖVP führt dazu, dass die beiden Parteien in mehreren Umfragen zusammen nicht einmal mehr auf 50 Prozent kommen. Sollte dies bei der Nationalratswahl im Herbst 2013 als Ergebnis feststehen, müsste vermutlich ein dritter Partner an Bord. Dies gilt als Horrorszenario für Faymann, der selten bis nie, aber auf jeden Fall ohne Diskussionen entscheidet. Ein Dritter im Bunde – die Grünen drängen sich da auf, das BZÖ würde alles dafür tun – wäre für Faymann ein Störfaktor. Kein Wunder also, dass sich die SPÖ mittlerweile Sorgen um den Koalitionspartner macht, was diesen nur weiter demütigt.

Die Aussichten für Spindelegger sind also entgegen der Autosuggestionsübung auf dem Kahlenberg alles andere als rosig, zumal die internen Grabenkämpfe trotz aller Aufrufe zur Einigkeit nicht enden werden: Vor allem Klubobmann Karlheinz Kopf steht im Zentrum der Auseinandersetzungen. Der eine Flügel erkennt in ihm den letzten aufrechten Kämpfer gegen die SPÖ und den mächtigen Niederösterreich-Flügel in der eigenen Partei, der andere hält ihn für schlicht überfordert. Zudem kommen Rivalitäten zwischen dem unter Spindelegger aufgestiegenen ÖAAB und dem Wirtschaftsbund, für den Reinhold Mitterlehner einmal subtil bis unauffällig auf inhaltliche Distanz zu Spindelegger geht.

Doch auch für Faymann dürfte es bald unangenehm werden: Vor dem U-Ausschuss kommt seine Inseratenpolitik zur Sprache, massive Vorwürfe gegen ihn aus seiner Zeit als Infrastrukturminister gibt es genug. Hinzu kommt eine interne Debatte über das neue Parteiprogramm mit hohem Richtungskurspotenzial. Die Ergebnisse der Initiative „Österreich 2020“ sollen zwar erst 2014 in ein neues Parteiprogramm fließen, aber schon ins Wahlprogramm für 2013 aufgenommen werden: Geht die SPÖ wie von Jungen und manchen Ländern gewünscht zu weit nach links, verliert sie in der Mitte. Macht sie es nicht, revoltieren sie.

Vielleicht ist Spindelegger dann eine Verschnaufpause gegönnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2012)

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