Cap: „Vorzugsstimmen im Bund einführen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bei Nationalratswahlen sollten die Spitzenkandidaten in allen Ländern kandidieren dürfen, sagt SPÖ-Klubchef Josef Cap. Die höhere Parteienförderung verteidigt er.

Die Presse: Darf ich mit einer Definitionsfrage beginnen: Was verstehen Sie eigentlich unter Harmonisierung?

Josef Cap: Ich kann das erst definieren, wenn ich weiß, worauf Sie die Frage beziehen.

Die Regierung hat eine Harmonisierung der Parteienförderung versprochen. Das Ergebnis lautet: Die Bundesparteien bekommen künftig mindestens fünf Euro pro Jahr und Stimmbürger, die Landesparteien zehn bis 22 Euro. Von einer Vereinheitlichung kann da wohl keine Rede sein.

Die Länder haben immer einen höheren Anteil bekommen, weil sie nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Gemeindeebene Informationsaufgaben zu erfüllen haben. Mit dem Korridor ist jetzt der Gestaltungsrahmen beschrieben. Das hat es bisher nicht gegeben.

Aber mit einer Harmonisierung hat das nichts zu tun. Warum verspricht man etwas, von dem man vorher schon weiß, dass man es nicht halten kann?

Ich habe dieses Wort nie verwendet.

Aber die Regierungsspitze. Das wissen Sie so gut wie ich.

Vielleicht wäre es besser gewesen, „Regelung“ statt „Wildwuchs“ zu sagen. Ich sehe jedenfalls einen Schritt in die richtige Richtung. Dass gleichzeitig auch die Wahlkampfkostenrückerstattung abgeschafft wird, ist eine Motivation für die Parteien, nicht mutwillig Neuwahlen vom Zaun zu brechen.

Gut, dass Sie das ansprechen. Wenn man die Kosten für die Wahlkampfkostenrückerstattung – 5,3 Millionen Euro im Jahr – abzieht, bekommen die Parteien immer noch gut zehn Millionen Euro mehr als bisher. Das ist schon bemerkenswert, wo doch alle immer vom Sparen reden, oder?

Ich finde es immer sehr interessant, wenn sich Printmedien kritisch dazu äußern. Gerade sie profitieren mit Einschaltungen von der politischen Informationsarbeit. Und die sind nicht billiger geworden.

Den Steuerzahler wird das weniger interessieren. Er wird dazu verpflichtet, die Parteien stärker zu finanzieren. Wie kommt er eigentlich dazu?

Der Steuerzahler will wissen, was mit seinem Geld geschieht. Und die Politik hat die Pflicht, über ihre Leistungen zu informieren. Das ist ein Recht des Steuerzahlers.

Sie rechtfertigen eine Verdoppelung der staatlichen Parteienförderung auf 31,65 Millionen Euro pro Jahr, mit dem Recht des Steuerzahlers auf Information? Das ist fast abenteuerlich.

In der Vergangenheit sind oft Kosten in Millionenhöhe entstanden, weil da und dort Wahlen vom Zaun gebrochen wurden. Es hat keine Grenzen gegeben. Jetzt ist eine Regelung da. Und die ist transparent.

Man kann sich alles schönreden.

Darum geht es nicht. Das ist eine Verpflichtung.

Wie halten Sie es mit einer anderen Verpflichtung: Der Kanzler will, dass Volksbegehren, die von 700.000 Personen unterstützt wurden, automatisch zu einer Volksabstimmung führen.

Bevor wir uns auf Zahlen festlegen, müssen wir uns einigen, welche Themen Volksabstimmungs-praktikabel sind und welche nicht.

Welche Themen sind es nicht?

Menschenrechte. Oder Fragen, die die Grundsätze der Verfassung betreffen. Und man muss aufpassen, dass nicht größere Gruppen der Bevölkerung Initiativen gegen kleinere starten.

War der Kanzler voreilig?

Die Koalition bewegt sich in der Debatte auf 650.000, 700.000 Unterschriften zu. Und wenn eine Volksabstimmung Gesetz werden soll, braucht es schon eine Beteiligung von mehr als 50 Prozent.

Sie wollen auch, dass die Bevölkerung – nach einem Parlamentsbeschluss mit einfacher Mehrheit – über Regierungsvorlagen abstimmen kann. Das klingt ein bisschen schweizerisch.

Ich nenne das demokratisch. Die Schweizer treffen sich am Hauptplatz und heben die Hand über die Frage, wie der Zugplan künftig gemacht wird. Das hat in Österreich keine Tradition. Wir haben die Leitung der ÖBB, die über den besten Zugplan entscheidet. Das muss man nicht am Hauptplatz machen, womöglich noch bei Regen.

Über welche Gesetzesmaterien soll denn die Bevölkerung mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen, wenn schon nicht über die Zugpläne der ÖBB? Über die Reform der Parteienförderung?

Nein. Aber sollte je ein EU-Beitritt der Türkei zur Debatte stehen, was sich derzeit nicht abzeichnet, sollte die Bevölkerung befragt werden.

Sie sprechen immer von der Notwendigkeit, die Persönlichkeitswahl zu stärken. Was schlagen Sie konkret vor?

Man könnte die Vorzugsstimmen auf Bundesebene wieder einführen. Diese Praxis hatten wir bis vor rund 20 Jahren. Damals durfte der Spitzenkandidat in allen neun Landeswahlkreisen kandidieren.

Damit würden die Wahlen auf die Personen zugeschnitten. Jede Stimme für Werner Faymann wäre eine für die SPÖ.

Das wäre eine Bereicherung. Außerdem sollten wir die Prozentsätze bei den Vorzugsstimmen senken: Derzeit braucht der Kandidat ein Sechstel der Parteistimmen, um in der Reihung vorzurücken.

Wie weit wollen Sie die Prozentsätze senken?

Das muss man diskutieren.

Der Kanzler fährt am Sonntag zum Nato-Gipfel nach Chicago. Sie haben sich einmal für einen Nato-Beitritt Österreichs ausgesprochen. Ist diese Forderung noch aufrecht?

Die Nato hat sich in eine problematische Richtung entwickelt. Schauen Sie sich die letzten Einsätze an – da hat die UNO die zentralen Aufgaben übernommen. Die Nato muss ihre Identität neu finden. Insofern ist eine Friedenskooperation derzeit die optimale Form österreichischen Engagements. Ein Beitritt wäre weder nötig noch sinnvoll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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