Nach Scheitern des Blaulichtfunk-Projekts: Innenressort zapfte Flüchtlingsgeld an

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Symbolbild(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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30-Millionen-Zahlung des Innenministeriums an Mastertalk-Konsortium sorgt für Aufregung. Geldtöpfe für Flüchtlinge und für Zivildiener wurden angezapft. Grün-Mandatar Pilz sprach von „klassischer ÖVP-Politik“.

Wien. Was tut das Innenministerium, wenn es einem Mobilfunk-Anbieterkonsortium im Rahmen eines Vergleichs knapp 30 Millionen Euro überweisen muss? Es zapft kurzerhand zwei Geldtöpfe an, die eigentlich sozialen Zwecken dienen: den für Flüchtlinge und den für Zivildiener. So wurde ebenjenes Geld aufgetrieben, das infolge einer verpfuschten Vergabe ausgehandelt worden waren, um langwierige Prozesse zu vermeiden. Geld, das dem Mastertalk-Konsortium zufloss, nachdem das Projekt Adonis 2003 gescheitert war und neue Anbieter einen digitalen Blaulichtfunk (Projekt Tetron) aufbauen sollten.

Ein E-Mail des Innenressorts an das Finanzministerium vom 15. November 2006 (es liegt der „Presse“ vor) beweist, dass damals „um Zustimmung zu überplanmäßigen Ausgaben“ ersucht wurde. Man wolle „Aufwendungen“ der Sicherheitsexekutive von 29,9 Millionen Euro „bedecken“, indem man „Minderausgaben“ in Höhe von 2,3 Millionen Euro aus dem Zivildienstbudget und in Höhe von 27,6 Millionen Euro aus der „Flüchtlingsbetreuung und Integration“ entnehme. „Der Mehrbedarf begründet sich mit der im Zusammenhang mit dem Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens mit Mastertalk entstandenen Zahlungsverpflichtung.“

Die Begründung für das Heranziehen dieser Budgets laut dem E-Mail: Das Zivildienerbudget sei nicht verbraucht worden (tatsächlich hatte es zu der Zeit einen Zivildiener-Rückgang gegeben). Und der Tagessatz aus der Grundversorgung sei um fünf Euro pro Person und Tag niedriger ausgefallen „als ursprünglich prognostiziert“.

Grün-Mandatar Peter Pilz reagierte am Donnerstag prompt und sprach von „klassischer ÖVP-Politik“. Denn: „Für die Adonis-Pleite müssen Zivildiener und Flüchtlinge geradestehen, das ist unverschämt.“

Indessen kann das Innenressort die Zahlungsströme sehr wohl erklären. Sprecher Karl-Heinz Grundböck zur „Presse“: „Es handelte sich um eine Umschichtung innerhalb des Ressortbudgets.“ Man habe deshalb in die beiden genannten Töpfe gegriffen, weil diese damals über freie Mittel verfügt hätten. Es sei zu bedenken, dass das jährliche Gesamtbudget des Innenministeriums 2,5 Milliarden Euro betrage. Vor allem aber: „Es gab keinerlei Kürzungen bei der Versorgung der Flüchtlinge und bei den Zivildienern.“

Strasser für 20.Juni geladen

Die Auftragsvergabe für einen bundesweiten digitalen Mobilfunk (Polizei, Feuerwehr, Rettung) ist weiter Thema im parlamentarischen U-Ausschuss. Die nächsten Sitzungen finden kommenden Dienstag (ein Zeuge) und Mittwoch (vier Zeugen) statt. Weitere Tage: 19. und 20.Juni. Am 20. soll unter anderem Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser aussagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2012)

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