Plädoyer für Reform bei künstlicher Befruchtung

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Juristen und Mediziner fordern liberalere Positionen und werfen den Gegnern „Frankenstein-Fantasien“ vor.

Haibach ob der Donau/Ett. Der Gesetzgeber solle so „wie er sich früher aus den Schlafzimmern zurückgezogen hat“, seine paternalistische Haltung zur künstlichen Befruchtung aufgeben und im Fortpflanzungsmedizingesetz liberalere Positionen zulassen: Der Wiener Medizinrechtler Christian Kopetzki fand für seinen Vortrag bei der diesjährigen Tagung der Juristenkommission breite Zustimmung. Anhänger der restriktiven Gesetzeslage in Österreich würden weitreichende Verbote mit „Dammbruchargumenten“ wegen möglicher medizinischer Risken verteidigen: „Es sind so Frankenstein-Fantasien.“

Während eine Arbeitsgruppe des Justiz- und Gesundheitsministeriums Änderungen des aus dem Jahr 1992 stammenden Fortpflanzungsmedizingesetzes berät, drängten am Freitag bei der Juristentagung in Haibach ob der Donau (Bezirk Eferding) auch führende Mediziner auf Änderungen. „Da ist Verbesserungsbedarf“, betonte Peter Husslein. „Wir hätten gern ein Gesetz, das die moderne Realität widerspiegelt und nicht die Realität von vor 20 Jahren“, meinte der Vorstand der Wiener Universitätsfrauenklinik mit Verweis auf medizinische Fortschritte. Zugleich gebe es im Ausland längst liberalere Regeln: Weil die Eizellenspende in Österreich verboten sei, würden die Leute nach Tschechien fahren.

Ins gleiche Horn stieß Ernst Wolner, der Leiter des Obersten Sanitätsrats: „Man braucht nur nach Bratislava fahren, die Wiener Institute haben dort ihre Exposituren.“ Auch für ihn sind die geltenden Verbote „nicht sinnvoll“. Was die Wahrscheinlichkeit der politischen Umsetzung betrifft, war sich Wolner mit Husslein freilich ebenfalls einig. Er rechne mit einer „Hochzeit“ für Juristen, „weil ich ganz sicher bin, dass es in der derzeitigen politischen Situation nicht zu einer Novellierung kommen wird“. Nur Höchstgerichtsentscheidungen erzeugten Druck. Er spielte damit darauf an, dass die ÖVP im Gegensatz zum Koalitionspartner SPÖ einer Lockerung – etwa in Richtung künstlicher Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare oder alleinstehende Frauen – ablehnend gegenübersteht.

Matthias Beck, Moraltheologe an der Universität Wien, forderte bezüglich der In-vitro-Fertilisation, die Grundstruktur der Familie im Auge zu behalten. Er stellte sich mit Blick auf die Würde des Menschen hinter restriktive gesetzliche Bestimmungen. Zu anderen Regeln im Ausland sagte er: „China macht Todesstrafe, also machen wir auch Todesstrafe?“

Für Erwin Bernat (Uni Graz) zeigen empirische Studien, „dass die Gesellschaft keinen Grund hat, sich um das Wohlergehen künstlich gezeugter Kinder zu sorgen“. Eltern hätten zu solchen Kindern sogar ein „warmherzigeres“ Verhältnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2012)

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