Der ehemalige FPÖ-Chef Steger und Kärntens Landeshauptmann Dörfler zeigen sich nach den jüngsten Vorwürfen empört. Die Bundespartei hält dagegen weiter zu Graf.
Wien. Noch hält die FPÖ-Führung an ihrem Dritten Nationalratspräsidenten fest. „Das ist Rufmord“, klagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Martin Graf als Hochstapler zu bezeichnen, nur weil es im „bürokratischen Prozess“ Fehler gegeben habe, sei „abenteuerlich“. Einen Rücktritt Grafs schloss er im „Presse“-Gespräch aus.
Doch nicht alle in der FPÖ sehen das so. Der ehemalige Parteichef Norbert Steger ist „schockiert“ über Graf. „Noch jeder Abgeordnete hat sich den Eintrag auf dem Wahlvorschlag ganz genau angeschaut.“ So einen Fall habe er in seiner gesamten Karriere noch nicht erlebt. „Das erinnert an eine Köpenickiade. Er hat sich als jemand ausgegeben, der er nicht ist.“ Die Frage, ob er zurücktreten sollte, müsse sich Graf selbst stellen. „Man glaubt Graf nicht mehr. Und wenn in der Politik der Glaube verloren geht, ist es zu Ende“, so Steger in „Österreich“. „Sprachlos“ gab sich Kärntens FPK-Landeshauptmann Gerhard Dörfler im „Kurier“: Positive Wahlwerbung sei das keine.
Martin Graf hatte bei den Nationalratswahlen 1994 und 1999 auf der FPÖ-Liste unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ kandidiert, er war aber nur Rechtsanwaltsanwärter. 1999 war er vom damaligen Wiener FPÖ-Chef Hilmar Kabas in einer Parteiaussendung ebenfalls als Rechtsanwalt präsentiert worden.
Graf selbst kann sich das nicht erklären: Er habe niemals in seinem Leben eine falsche Berufsbezeichnung verwendet. Sein Sprecher legte der „Presse“ ein Schreiben aus dem Jahr 1994 vor, das zeigt, dass Graf der Bundespartei damals in seinem Lebenslauf die Berufsbezeichnung „Rechtsanwaltsanwärter Rechtsanwaltskanzlei Dr. Friedrich Frühwald“ übermittelt hat. Erst 2002 stand dann tatsächlich „Rechtsanwaltsanwärter“ auf dem Wahlzettel, 2006 „Geschäftsführer“ und 2008 „Nationalratsabgeordneter“.
Die Grünen, die Mittwoch im Parlament erneut einen Antrag auf Abwahlmöglichkeit von Nationalratspräsidenten einbringen wollen, werfen Graf zudem vor, als Vorstand der Stiftung Gertrude Meschars 50.000 Euro in eine Beteiligung an Kühlschiffen für Bananen fehlinvestiert zu haben.
Stiftungscausa
Die heute 90-jährige Gertrud Meschar hat 2006 ihr gesamtes Vermögen (rund eine Millionen Euro) in eine Stiftung eingebracht. Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) wurde in den Vorstand berufen. Erst Jahre nach der Gründung der Stiftung habe sie erfahren, dass sie über ihr Vermögen nicht mehr bestimmen kann, sagt Meschar. Die Stiftung soll dann aus dem Vermögen der Frau sowie über einen Kredit einen Hausanteil gekauft haben, in welchem das Gasthaus von Grafs Bruder eingemietet ist. Die Stifterin bezweifelt, ob der Kaufpreis angemessen war, auch habe es bei den Mieteinnahmen Rückstände gegeben. Der Stiftungsvorstand weist die Vorwürfe zurück. Am Wiener Handelsgericht ist ein Verfahren anhängig. Graf ist mittlerweile aus dem Vorstand ausgeschieden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)