Patientenrechte: „Knackpunkte“ bei der elektronischen Gesundheitsakte

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Kommenden Montag gibt es neue Beratungen. Bei Stögers ELGA-Gesetzesplänen spalten sich die Meinungen von Experten. Bis 2017 wird mit Kosten von 130 Millionen Euro bei einer Einführung gerechnet.

Wien/Haibach/Ett. Nach der Grundsatzeinigung über die Spitalsreform macht Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) gleich bei seiner nächsten Baustelle weiter. Nach der Ankündigung, dass er an dem Gesetzesvorhaben für eine elektronische Gesundheitsakte, kurz ELGA, festhält, geht die Auseinandersetzung kommenden Montag bei einem groß angelegten Treffen in die nächste Runde. Bis 2017 wird mit Kosten von 130 Millionen Euro bei einer Einführung gerechnet.

Greift damit der Staat zu sehr in die Privatsphäre der Bürger ein und kommt der Datenschutz von Patienten zu kurz? Andreas Lehner, Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofs, ortet zumindest „Knackpunkte“: Dazu zählt das geplante Opt-out-Modell, wonach jeder an ELGA teilnimmt, außer ein Bürger teilt mit, dass er das nicht tut statt umgekehrt („Opt in“). Ein weiterer Knackpunkt sei der Zugriff auf Gesundheitsdaten, etwa die Frage, ob jeder Arzt einen Entlassungsbrief von vor acht Jahren sehen müsse.

Damit kreuzten noch vor dem Montagstreffen Kritiker und Befürworter der elektronischen Gesundheitsakte zuletzt bei der Tagung der Juristenkommission in Haibach ob der Donau (Bezirk Eferding) die Klingen. Sebastian Reimer, Exmitarbeiter des Gesundheitsressorts, rief zu „mehr Sachlichkeit“ auf. Die Weitergabe von Daten und somit wirtschaftliche Nachteile durch Arbeitgeber seien ausdrücklich ausgeschlossen. Der Nutzen für Patienten? ELGA biete die Möglichkeit, etwaige negative Wechselwirkungen von Medikamenten durch den Zugriff der Ärzte auf die Daten zu verhindern. Gesundheitsbehandlungen seien längst „kein Einzelsport mehr, das ist ein Teamsport“. Und weiter: „Genau für diese Teamaufgabe gibt es hier eine Arbeitsplattform.“

Hilfe bei Wechselwirkung von Präparaten?

Lukas Stärker, Kammeramtsdirektor der Ärztekammer, die schon bisher massive Bedenken geäußert hatte, stellte Stögers Plan erneut infrage. Er bezweifelte, dass tatsächlich Wechselwirkungen von Medikamenten einwandfrei festzustellen seien. Denn der Patient könne von sich aus Teile aus der elektronischen Akte „ausblenden“. Das werde gerade bei Präparaten der Fall sein, von denen man auf psychische Probleme von Patienten schließen könne. ELGA soll auch Doppelbefunde vermeiden helfen. Stärker: „Was ist, wenn der Patient eine second opinion will?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)

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