Duell zweier Höchstgerichte um neues Recht für Bürger

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Die Entwürfe des Kanzleramts sind fertig. Jeder Bürger soll demnach Zivil- oder Strafgesetze beim VfGH anfechten können. Das freut den Verfassungsgerichtshof – stört jedoch den Obersten Gerichtshof.

Verfassungsgerichtshof (VfGH) versus Oberster Gerichtshof (OGH): Es ist das Tauziehen zweier Höchstgerichte, das für Aufsehen sorgt. Streitpunkt ist die neue Gesetzesbeschwerde, die im Herbst Gesetz werden soll. Die Parlamentsparteien hatten dafür einhellig den Verfassungsdienst im Kanzleramt um Entwürfe ersucht.

Die zentrale Neuerung in dem nun der „Presse“ vorliegenden Papier des Kanzleramts: Bürger sollen künftig Zivil- oder Strafgesetze selbst beim Verfassungsgerichtshof anfechten können. Bisher durfte man als Betroffener eines Gesetzes nur im Rahmen des Prozesses beim Zivil- oder Strafgericht darum ersuchen, dass das Gericht das Gesetz dem VfGH vorlegt. Denn nur der VfGH darf Gesetze kippen. Wenn das Zivil- oder Strafgericht aber keine Bedenken gegen das Gesetz hegte und es nicht dem VfGH vorlegen wollte, war man als Bürger machtlos.

Der Plan des Kanzleramts sieht nun aber vor, dass Bürger selbst zum VfGH gehen können. Während der neue Rechtsschutz von VfGH-Präsident Gerhart Holzinger eingefordert wird, warnt Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshofs, vor der Novelle. Ratz ortet eine „Querulantenbeschwerde“: Denn jeder, der einen Prozess verliere, werde dann auch noch zum VfGH gehen wollen und so das endgültige Urteil verzögern.

Wer darf was interpretieren?

Nüchtern betrachtet würde die Neuerung mehr Macht für den VfGH und einen Machtverlust für den OGH bzw. die unterinstanzlichen Zivil- oder Strafgerichte bedeuten. Denn die Meinung von Zivil- und Strafgerichten über ein Gesetz könnte dann künftig von der Ansicht des VfGH überlagert werden. Das Kanzleramt hat daher eine Art Kompromissvorschlag ausgearbeitet: Der VfGH soll den Inhalt eines Gesetzes so interpretieren müssen, wie es zuvor schon das Zivil- oder Strafgericht ausgelegt hat. Einzig die Frage, ob die derart interpretierte Norm dann verfassungswidrig ist, soll dem VfGH überlassen werden. Dieser Vorschlag sei noch das „geringste Übel“, meinte Ratz. Er hoffe aber weiterhin, dass die Gesetzesbeschwerde gar nicht komme.

Der Kanzlerdienst hat zwei Entwürfe vorgelegt: Einer sieht vor, dass dem VfGH im Gegenzug für die neuen Rechte anderswo Rechte verloren gehen, und zwar bei Bescheidbeschwerden. Momentan können sich Bürger an den VfGH wenden, wenn sie meinen, dass ein Bescheid sie in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Künftig soll diese Kompetenz beim Verwaltungsgerichtshof, dem dritten Höchstgericht, liegen. Diesen Rechteverlust lehnt aber wiederum VfGH-Chef Holzinger ab.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sagte am Donnerstag der Austria Presse Agentur, er stehe der Gesetzesbeschwerde beim VfGH skeptisch gegenüber, die Idee sei „nicht ausgereift“. Im Jahr 2006 hatte Jarolim gegenüber der „Presse“ und in seinem damaligen „SPÖ-Justizprogramm“ noch die Einführung der Gesetzesbeschwerde gefordert.

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