Einigung bei Gesamtschule in Sicht

(c) Clemens Fabry
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Bis Dezember wird es auf die heikle Frage noch keine Antwort geben. SPÖ und ÖVP könnten sich aber auf einen Fahrplan einigen, sagt der schwarze Verhandler Fritz Enzenhofer.

Linz/Wien. In den vergangenen Tagen gab sich die ÖVP noch zögerlich – jetzt signalisieren auch die ersten schwarzen Bildungsverhandler jene Annäherung bei der Gesamtschule, über die bereits gemutmaßt wurde: Man werde es schaffen, sich eine Einigung in der Gesamtschulfrage „für eine bestimmte Zeit vorzunehmen“, formulierte es Fritz Enzenhofer, Landesschulratspräsident in Oberösterreich, etwas kryptisch.

Was Enzenhofer, der an der Seite von Wilfried Haslauer die Bildungsagenden für die ÖVP verhandelt, damit meint? Bis Dezember, wenn das Regierungsübereinkommen stehen und präsentiert werden soll, werde man für die ideologisch heikle Frage wohl noch keine großkoalitionäre Antwort gefunden haben. Einen Fahrplan, wohin es mit Neuer Mittelschule und Gymnasien in der nächsten Legislaturperiode gehen soll, werde man aber wohl ausarbeiten.

Wie genau man sich der Frage, ob alle Zehn- bis 14-Jährigen in Zukunft in einer Schulform unterrichtet werden, annähern will, verraten die Verhandler derzeit noch nicht. Dass sich eine Expertengruppe mit dem Thema befassen wird, ist aber wahrscheinlich. Ganz ohne Experten werde es nicht gehen, meinte Enzenhofer am gestrigen Dienstag bei seiner Pressekonferenz in Linz. Nachsatz: Auch wenn es einige Experten gebe, die „wir nicht brauchen“ – etwa den roten Ex-Vizekanzler Hannes Androsch oder den Bildungsexperten und Sachbuchautor Andreas Salcher.

Enzenhofer selbst halte die Gesamtschuledebatte übrigens nicht für ein pädagogisches Thema – sondern vielmehr für ein sozialpolitisches: Am Land gebe es vielfach de facto nur eine Schule für alle, und es funktioniere gut. In der Stadt sei die Lage aufgrund des häufig vorhandenen sozialen Gefälles anders.

Gefahr einer Scheinlösung

Bei den übrigen Bildungsagenden – von der sprachlichen Frühförderung bis zur Ganztagsschule – will die ÖVP übrigens bis Weihnachten zu einer Einigung mit der SPÖ kommen. „Ein Papier, bei dem wir sagen, dahinter können wir stehen, das müsste gehen“, so Enzenhofer.

Eine Gefahr freilich birgt die Ausgliederung der Gesamtschulfrage aus den Koalitionsverhandlungen: Sie könnte die Regierungsparteien dazu verleiten, das heiße Thema bloß immer weiter aufzuschieben. Die angedeutete Lösung könne rasch dann zu einer Scheinlösung verkommen, merken Skeptiker an.

Kommen Aufnahmeverfahren?

An dem zuletzt kolportierten ÖVP-Vorschlag, in den Gymnasien künftig Aufnahmeprüfungen durchzuführen, könnte ebenfalls etwas dran sein – auch, wenn Verhandler Enzenhofer das vorerst nicht bestätigen wollte. „Wenn ich da jetzt was sage, bekomme ich ein Problem“, so Enzenhofer. Ihm sei sehr wohl bewusst, dass punktuelle Prüfungen immer etwas Heikles sind, aber über einen längeren Zeitraum lasse sich schon beurteilen, wie sich ein Kind in der Schule macht. „Derzeit ist das Auswahlverfahren die Anzahl der Klassen. Solange Klassen da sind, werden sie angefüllt.“

Tatsächlich gibt es Aufnahmeprüfungen schon jetzt – nicht nur an Privatschulen. Einerseits einmal für jene Schüler, die trotz zu schlechter Noten in die AHS wollen wollen (siehe Factbox): Wer auch von der Schulkonferenz der Volksschule nicht für AHS-reif befunden wurde, muss zur Prüfung antreten. Diese basiert auf dem Lehrplan der Volksschule und konzentriert sich auf Mathematik und Deutsch – jedoch wird diese Möglichkeit relativ selten in Anspruch genommen. Öfter treten Schüler zum Eignungstest an Musik- oder Sportgymnasien an. Diese dürfen vorab überprüfen, ob ein Schüler für den Schwerpunkt geeignet ist, jedoch nur das. Es geht also konkret um Sport oder um Musik. Um aufgenommen zu werden, braucht ein Kind die AHS-Reife.

Denkt man den Kompromissvorschlag von ÖVP-Chefverhandler Wilfried Haslauer – nach dem nur spezialisierte Gymnasien achtjährig bleiben – zu Ende, so wären solche Aufnahmeverfahren auch künftig nötig. Je nachdem, wie viele Schulen künftig als „spezialisiert“ gelten. Die Zahl der Unterstufengymnasien mit Sport- oder Musikschwerpunkt ist jedenfalls gering: In Wien sind es fünf von insgesamt 83, auch hier teils nur einzelne Klassen.

IN ZAHLEN

Gymnasien. Derzeit gibt es in Österreich 341 Gymnasien mit insgesamt rund 200.000 Schülern. 271 davon haben eine Unterstufe. Die meisten AHS gibt es in Wien (91, 83 davon mit Unterstufe), gefolgt von Niederösterreich (55/44) und Oberösterreich (48/39). Österreichweit geht rund ein Drittel der Zehn- bis 14-Jährigen in eine AHS-Unterstufe. AHS-reif sind Schüler dann, wenn sie die vierte Klasse Volksschule erfolgreich abgeschlossen und in keinem Hauptfach einen Dreier haben, oder wenn die Schulkonferenz eine AHS-Empfehlung abgibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2013)

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