Der Sextäter, der anstatt Haft eine Fußfessel bekommen soll, kann tagsüber gar nicht elektronisch überwacht werden. Zudem kennt die Bewährungshilfe nicht einmal seine Akte.
Fünffache Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses – dafür wurde der Salzburger B. vor fast sechs Jahren verurteilt. Seither ist er ein freier Mann. Ende August wurde bekannt, dass der 51-Jährige die noch immer offenen sechs Monate Haft (der Großteil der zweijährigen Haftstrafe wurde auf Bewährung verhängt) mit einer Fußfessel im Hausarrest verbringen soll. Bei genauem Hinsehen zeigt sich nun, dass B. die meiste Zeit gar nicht elektronisch überwacht werden kann.
Bisher konnte man davon ausgehen, dass verurteilte Straftäter, denen das Gefängnis erspart bleiben soll, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz (ein solcher ist Voraussetzung für die Fußfessel) elektronisch überwacht werden. Dies trifft aber nicht zu – da die Basisstationen, mit denen die Fußfesseln verbunden sind, meist nur in den Wohnungen stehen. Im Fall B. hat die Vollzugskammer des Oberlandesgerichts Linz dennoch einen positiven Fußfessel-Bescheid ausgestellt. Von „engmaschiger Überwachung“ ist die Rede. Denn für B. gelte eine „Weisung zur (wöchentlichen) Vorlage von Zeitbestätigungen über die Präsenz am Arbeitsplatz“. Fazit: Das wöchentliche Vorlegen einer Zeitbestätigung gilt also bereits als „engmaschige Überwachung“.
B. wurde im Mai als Hilfsarbeiter bei einem Heizungsinstallateur angestellt. Der Fall, dass ein Kunde – oder eine Kundin – einen Installateur ruft und unverhofft ein gewisser B. (samt „unsichtbar“ angebrachter Fußfessel), vor der Tür steht, dürfte daher nicht ganz unwahrscheinlich sein.
Die Vollzugskammer beruft sich auch auf den Bericht der Bewährungshilfeorganisation „Neustart“. – „Hinweise auf Vorfälle bzw. Risikofaktoren, die mit Grund befürchten lassen, der Antragsteller werde die Vollzugsform des elektronisch überwachten Haushaltes missbrauchen“ würden demnach nicht vorliegen. Einen Bericht kann man so oder so lesen; Fakt ist, dass „Neustart“ vor allem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Fußfessel (Wohnung, Arbeitsplatz) prüft. Und nun nicht einmal das – wohlgemerkt negative – Gutachten der Sextäter-Begutachtungsstelle sehen durfte. Dies wurde von der Justizanstalt Salzburg mit Hinweis auf Datenschutz (wie sonst auch!) verweigert.
Bekommt B. nun trotz allem die Fußfessel? Das entscheidet Ende Oktober der Verwaltungsgerichtshof. Jedenfalls sollen Fußfesselträger künftig per GPS permanent überwacht werden. Dass die neue Technik ohne Neuausschreibung vom bisherigen Anbieter („3M“) geliefert werden soll, sorgt in der Branche für Unverständnis. Namens des Mitbewerbers „euromicron austria“ sagt Vertriebsleiter Willi Wandaller: „Wir sind bereit, an einer Ausschreibung teilzunehmen.“
Nicht nur an dieser Front gärt es: Heute, Dienstag, bringt die FPÖ eine parlamentarische Anfrage zum Fall B. ein. Diese hat es in sich: Auf 21 Seiten werden 207 Fragen an Justizministerin Beatrix Karl (VP) gestellt. Auf die Antworten wartet nicht nur die junge Frau, die damals Opfer des Serienvergewaltigers B. wurde.
E-Mails an: manfred.seeh@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2012)