Wenn der Mann mit der Fußfessel klingelt . . .

(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Der Sextäter, der anstatt Haft eine Fußfessel bekommen soll, kann tagsüber gar nicht elektronisch überwacht werden. Zudem kennt die Bewährungshilfe nicht einmal seine Akte.

Fünffache Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses – dafür wurde der Salzburger B. vor fast sechs Jahren verurteilt. Seither ist er ein freier Mann. Ende August wurde bekannt, dass der 51-Jährige die noch immer offenen sechs Monate Haft (der Großteil der zweijährigen Haftstrafe wurde auf Bewährung verhängt) mit einer Fußfessel im Hausarrest verbringen soll. Bei genauem Hinsehen zeigt sich nun, dass B. die meiste Zeit gar nicht elektronisch überwacht werden kann.

Bisher konnte man davon ausgehen, dass verurteilte Straftäter, denen das Gefängnis erspart bleiben soll, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz (ein solcher ist Voraussetzung für die Fußfessel) elektronisch überwacht werden. Dies trifft aber nicht zu – da die Basisstationen, mit denen die Fußfesseln verbunden sind, meist nur in den Wohnungen stehen. Im Fall B. hat die Vollzugskammer des Oberlandesgerichts Linz dennoch einen positiven Fußfessel-Bescheid ausgestellt. Von „engmaschiger Überwachung“ ist die Rede. Denn für B. gelte eine „Weisung zur (wöchentlichen) Vorlage von Zeitbestätigungen über die Präsenz am Arbeitsplatz“. Fazit: Das wöchentliche Vorlegen einer Zeitbestätigung gilt also bereits als „engmaschige Überwachung“.

B. wurde im Mai als Hilfsarbeiter bei einem Heizungsinstallateur angestellt. Der Fall, dass ein Kunde – oder eine Kundin – einen Installateur ruft und unverhofft ein gewisser B. (samt „unsichtbar“ angebrachter Fußfessel), vor der Tür steht, dürfte daher nicht ganz unwahrscheinlich sein.

Die Vollzugskammer beruft sich auch auf den Bericht der Bewährungshilfeorganisation „Neustart“. – „Hinweise auf Vorfälle bzw. Risikofaktoren, die mit Grund befürchten lassen, der Antragsteller werde die Vollzugsform des elektronisch überwachten Haushaltes missbrauchen“ würden demnach nicht vorliegen. Einen Bericht kann man so oder so lesen; Fakt ist, dass „Neustart“ vor allem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Fußfessel (Wohnung, Arbeitsplatz) prüft. Und nun nicht einmal das – wohlgemerkt negative – Gutachten der Sextäter-Begutachtungsstelle sehen durfte. Dies wurde von der Justizanstalt Salzburg mit Hinweis auf Datenschutz (wie sonst auch!) verweigert.

Bekommt B. nun trotz allem die Fußfessel? Das entscheidet Ende Oktober der Verwaltungsgerichtshof. Jedenfalls sollen Fußfesselträger künftig per GPS permanent überwacht werden. Dass die neue Technik ohne Neuausschreibung vom bisherigen Anbieter („3M“) geliefert werden soll, sorgt in der Branche für Unverständnis. Namens des Mitbewerbers „euromicron austria“ sagt Vertriebsleiter Willi Wandaller: „Wir sind bereit, an einer Ausschreibung teilzunehmen.“

Nicht nur an dieser Front gärt es: Heute, Dienstag, bringt die FPÖ eine parlamentarische Anfrage zum Fall B. ein. Diese hat es in sich: Auf 21 Seiten werden 207 Fragen an Justizministerin Beatrix Karl (VP) gestellt. Auf die Antworten wartet nicht nur die junge Frau, die damals Opfer des Serienvergewaltigers B. wurde.

E-Mails an: manfred.seeh@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

SP-Sicherheitssprecher Otto Pendl und Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) bei der Nationalratssitzung am 5. Dezember 2012.
Österreich

Nationalrat erschwert Fußfessel-Zugang für Sexualstraftäter

Sexualstraftäter können erst eine Fußfessel bekommen, wenn sie die Hälfte ihrer Haft und mindestens drei Monate abgesessen haben.
Österreich

Fußfessel: Sextäter plant Anzeige wegen Verleumdung

Der verurteilte Salzburger Sexualstraftäter, der dieser Tage eine Fußfessel bekommen soll, weist die in einer neuen Anzeige erhobenen Vorwürfe zurück.
Archivbild: Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) bei der Präsentation der neuen Fußfessel-Regelung, die in diesem Fall noch nicht zur Anwendung kommt.
Österreich

Fußfessel für Sex-Täter trotz neuer Anzeige?

Am Donnerstag soll der Salzburger Hilfsarbeiter B. (52) als Sex-Täter mit einer Fußfessel in Hausarrest genommen werden. Sein Opfer hat eine neue Strafanzeige eingebracht.
Recht allgemein

Fußfessel: Neuregelung tritt ab Jänner in Kraft

Keine Fußfessel ohne Haft, Befragung der Opfer, GPS-Technik: Elektronisch überwachter Hausarrest für Sex-Täter soll künftig erschwert werden.
harte Sanktionen fuer Sexualtaeter
Recht allgemein

Zu harte Sanktionen für Sexualtäter

Es findet fast eine Hexenjagd auf Sexualstraftäter statt. Dabei kann die Fußfessel gerechtfertigt sein - und ein automatischer Amtsverlust ist abzulehnen. Ein Maßhalteappell.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.