Das Parlament untersucht. Beatrix Karl und Johanna Mikl-Leitner beantworten Anfragen. Und ein „Beauftragter“ sorgt für Rechtsschutz.
Bald wird (buchstäblich) unterirdisch ermittelt. Nicht von der Polizei. Und schon gar nicht von der Staatsanwaltschaft (diese ist froh, dass sie unbeschadet aus ihrem Amtsmissbrauchsverfahren herauskam). Nun ist das Parlament am Zug. Dort sollen, so viel steht seit Donnerstag fest, noch immer dunkle Winkel des Entführungsfalles „Natascha Kampusch“ ausgeleuchtet werden. Der ständige Unterausschuss des Innenausschusses („Stapo-Ausschuss“) wird den Fall prüfen. In einem fensterlosen, abhörsicheren Raum mit rotem Teppich und schwarzen Sesseln, im Keller des Hohen Hauses.
Das Ganze ist (noch) kein eigener Kampusch-U-Ausschuss, könnte sich aber zu einem solchen auswachsen. Und was genau will der „Stapo-Ausschuss“ eigentlich prüfen? Nur die viel zitierte „politische Verantwortung“? Also nur jenes Thema, das allen Ausschüssen gemein ist? Nein. Der streng geheime Ausschuss unter Vorsitz des ÖVP-Abgeordneten Werner Amon will nicht nur den ÖVP-Ministerinnen Beatrix Karl (Justiz) und Johanna Mikl-Leitner (Inneres) auf die Finger schauen, sondern auch den Fall selbst neu aufrollen.
Amon will „den gesamten Akt der Causa“ auf dem Tisch haben. Also auch jene teils intimen Kampusch-Protokolle aus dem Tresor der Staatsanwaltschaft Wien, die nicht einmal der Polizei ausgehändigt wurden. Am Ende, so teilt Amon mit, könne mitunter auch „eine Anzeige gegen unbekannte oder bekannte Täter“ stehen. Damit ermittelt nun also das Hohe Haus.
Ein gewisser Wettbewerb mit der Staatsanwaltschaft dürfte gar nicht unerwünscht sein, muss sich diese doch den Tadel gefallen lassen, im – nun eingestellten – Amtsmissbrauchsverfahren gegen fünf ehemalige Kampusch-Staatsanwälte gleichsam gegen sich selbst ermittelt zu haben. Der Vorwurf, die fünf Staatsanwälte hätten seinerzeit wichtige Ermittlungsschritte unterlassen, wurde ja auch wieder von Staatsanwälten, also von Berufskollegen der Verdächtigen, geprüft. Der dabei eingesetzte Ermittlungsrichter war an Anträge der Anklagebehörde gebunden. Immerhin aber spielte sich dieses Verfahren im „distanzierten“ Innsbruck ab, nicht in Wien.
Der Umstand, dass wie erwartet kein Amtsmissbrauch festgestellt werden konnte, heißt noch lange nicht, dass wirklich jeder Verdacht in Richtung eines etwaigen Mittäters des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil restlos geprüft wurde. Trotzdem untermauerte das Justizressort bei der Verkündung der Verfahrenseinstellung gleich erneut die Ein-Täter-These.
Und sonst? Der Rechtsschutzbeauftragte soll prüfen, ob das Staatsanwälteverfahren zu Recht eingestellt wurde. Karl und Mikl-Leitner wurden mit ganzen Serien von parlamentarischen Anfragen in Sachen Kampusch eingedeckt. Außerdem existiert noch eine „Instanz“, die sich theoretisch einschalten könnte. Das Opfer selbst: Natascha Kampusch. Sie könnte beantragen, dass das Staatsanwälteverfahren „fortgeführt“ wird. Für die fünf betroffenen Herren wäre das eher peinlich.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2011)