Töchterle heißt die neue ÖVP-Reserve: Ein echter Professor für die Hofburg?

In der ÖVP wird der Wissenschaftsminister neuerdings für höhere Weihen genannt.

Es gibt kaum gute Nachrichten aus der ÖVP, sodass die wenigen besonders strahlen: Die persönlichen Sympathiewerte von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Sebastian Kurz, dem emsigen Staatssekretär für Integration, steigen und steigen. Weder eine tobende Hochschülerschaft noch das Gebell der FPÖ können die beiden bisher ernsthaft aus der Spur bringen. Während aber Kurz als Chef der Jungen ÖVP den Prototyp eines zwar modernen, aber dennoch klassischen Parteifunktionärs darstellt, gilt der Minister als völlig untypischer Politiker und Quereinsteiger, der den Eindruck erweckt, nicht wegen der Karriere oder gesellschaftlicher Anerkennung, sondern der inhaltlichen Gestaltung in die Politik gegangen zu sein.

Kurz wurde bereits mehrmals für Jobs in der Partei genannt: Von der Spitze der Wiener ÖVP ließ er sich etwa nicht überzeugen. Und wenn man ihn auf eine mögliche Obmannschaft der Bundespartei in ein paar Jahren anspricht, schüttelt er glaubhaft den Kopf.

Doch nun wird auch der Wissenschaftsminister parteiintern für höhere Weihen genannt: Er könnte etwa Günther Platter als Landeshauptmann nachfolgen, sollte dieser nach unerfreulichen Landtagswahlen in Tirol an einen Rückzug denken (müssen). Dagegen spräche, dass Töchterle Platter gegenüber, der ihn quasi als Politiker miterfunden hat, zu 100 Prozent loyal ist und daher nur auf dessen ausdrücklichen Wunsch ins Landhaus gehen würde. Und auch dass nur, wenn er das überhaupt wirklich wollte. Zumal der Job des Landeschefs bisher vor allem mit polternder Volksnähe verbunden war, einer Eigenschaft, die dem ehemaligen Universitätsrektor nicht unbedingt in die Wiege gelegt sein dürfte.

Bleibt eine andere Karrieremöglichkeit für Töchterle, die in der Partei angedacht wird: Er könnte für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren. Bisher ist noch nie ein Westösterreicher in der Hofburg gesessen. Töchterle mit seiner erfrischend direkten Art zu kommunizieren, seiner in der Politik seltenen Bildung und seiner sprichwörtlichen Sturheit könnte ein idealer ÖVP-Gegenkandidat zu Barbara Prammer – der wahrscheinlichen SPÖ-Kandidatin für das Amt – sein, glaubt man in der ÖVP. Noch wurde Töchterle nicht gefragt, die Wahl ist erst 2016. Dennoch will man in der ÖVP-Zentrale vorbereitet sein – schon wegen der internen Geschlossenheit. Denn noch immer glaubt in der Partei nicht jeder, dass die mehrmalige und deutliche Absage Erwin Prölls fix sei. In genau einem Jahr schlägt Pröll seine Landtagswahl, geht sie für ihn gut aus und bleibt die aktuelle bundespolitische Situation, wie sie ist, also verworren bis labil, könnte es sich Pröll vielleicht doch noch anders überlegen.

Dann nämlich, wenn die „Krone“ und andere Boulevardzeitungen eine Kampagne inszenieren, Pröll müsse als starker Bundespräsident das bundespolitische Ruder der Herren Werner Faymann und Michael Spindelegger herumreißen. Manche in der ÖVP sagen allerdings auch: Der wahre Bundespräsident sitzt ohnehin in St. Pölten.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2012)

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