Jarolim bald nicht mehr roter Chef im U-Ausschuss

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Der SPÖ-Fraktionsführer will sich wieder mehr um seine Kanzlei kümmern, heißt es. In Wahrheit dürfte es wohl um den Koalitionsfrieden gehen.

Am Montag saß Hannes Jarolim noch den SPÖ-Abgeordneten im Korruptions-U-Ausschuss vor, doch damit soll „Presse“-Informationen zufolge schon in den nächsten Tagen Schluss sein. Angeblich will er sich als Fraktionsführer und auch als „einfaches“ Ausschussmitglied zurückziehen, um sich wieder stärker seiner Rechtsanwaltstätigkeit in seinem Büro in Wien widmen zu können. Die Ausschussarbeit – behandelt werden vermutlich noch bis Herbst insgesamt sieben Themen – koste ihn (zu-)viel Zeit, heißt es dazu von SPÖ-Seite. Jarolim selbst nimmt zu den Spekulationen bisher nicht offiziell Stellung.

Übernehmen werde den Vorsitz aber demnächst Otto Pendl, wie in Parlamentskreisen zu hören ist. Das sei insoweit schade, als man mit Jarolim einen Volljuristen verliere, der u. a. auch auf Immobilienrecht spezialisiert ist. Aktuell behandelt der Korruptionsuntersuchungsausschuss diverse Immobiliendeals wie jenen um den Justiztower (siehe oben). Doch schon ab dem Thema „Blaulichtfunk“ soll Jarolim nicht mehr dabei sein.

Nicht nur seine Anwaltstätigkeit sei Hintergrund für den Rückzug, verlautet jetzt in Abgeordnetenkreisen. Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann selbst könnte seine bisherige Nummer eins im U-Ausschuss zurückgepfiffen haben; immerhin ist Jarolim u. a. bei den Ladungslisten (wer wird im Ausschuss befragt?) immer wieder durch Aussagen aufgefallen, die den Koalitionspartner ÖVP schwer verärgert haben dürften. Zwar stimmte die SPÖ unter Jarolim vereinbarungsgemäß nie gegen den Juniorpartner – so bestand sie z. B. auch nicht auf einer Vorladung von ÖAAB-Verantwortlichen im Zusammenhang mit „Sponsoring“ –, Jarolim hielt mit seinem Unmut aber selten hinterm Berg.

Faymann soll nun Sorge haben, dass sich die ÖVP für den selbstbewussten Kurs der SPÖ im Ausschuss revanchieren könnte: dann nämlich, wenn der U-Ausschuss das Thema „Inseratenvergabe durch Ministerien“ (als verdächtig gelten v. a. SPÖ-Ressorts) behandelt. Indem man Jarolim aus dem Ausschuss gehen lässt – oder ihn abzieht –, wolle man vorsorgen, dass die Fragen der ÖVP später nicht zu hart ausfallen, ätzt man unter den Parlamentariern. Bestätigt ist dieser Hintergrund freilich nicht. Allerorten wird aber die Mühe um den Koalitionsfrieden betont, nachdem es zuletzt noch erhebliche Turbulenzen rund um das Transparenzpaket gegeben hat und die Aussicht auf ein „Aussitzen“ der Koalition bis 2013 nun als mehr als wahrscheinlich gilt.

Einen eigenen Weg hat die ÖVP am Montag zumindest kulinarisch eingeschlagen: Statt Obst bot sie erstmals Würstel im Ausschusslokal an. ÖVP-Fraktionschef Werner Amon hatte sich schon mehrfach „handfestes“ Essen gewünscht und damit viel Zustimmung geerntet. Jeden Tag stellt eine andere Fraktion Essen bereit. Ob nach der ÖVP noch andere Fraktionen Würstel servieren werden, ist offen.

E-Mails an: regina.poell@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2012)

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