Plant Ayatollah Rafsanjani den Umsturz?

(c) Reuters (Morteza Nikoubazl)
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Der Ex-Präsident zieht hinter den Kulissen in der Reformbewegung die Fäden. Im laufenden Machtkampf bezog der Multimillionär öffentlich nicht Position. Doch angeblich arbeitet er an der Absetzung Khameneis.

Er ist vollkommen abgetaucht, und doch wird er als graue Eminenz der iranischen Reformbewegung gehandelt: Ayatollah Akbar Hashemi Rafsanjani – von den Iranern auch mit dem Spitznamen „der Hai“ bedacht. Sie fragen sich, wann der machiavellistische Taktiker seinen ersten öffentlichen Schachzug macht.

Der 75-Jährige ist die Symbolfigur für die Spaltung des religiösen Establishments: der pragmatische Konservative Rafsanjani, der frühere Reformpräsident Mohammed Khatami, der hohe Geistliche Ayatollah Montazeri und der heutige Oppositionsführer Mir Hussein Moussavi auf der einen, Revolutionsführer Ali Khamenei, Präsident Mahmoud Ahmadinejad sowie der erzkonservative Ayatollah Muhammad Taghi Mesbah Yazdi auf der anderen Seite.

Seinen letzten Auftritt hatte Rafsanjani am Wahltag. Wohl ahnend, was da kommen mag, hatte er bei der Abgabe seiner Stimme zu „sauberen Wahlen“ und großer Wahlbeteiligung aufgerufen.

Intrigen gegen Khamenei

Rafsanjani hatte zuvor aus seiner Ablehnung Ahmadinejads kein Hehl gemacht. Nachdem dieser ihn im Wahlkampf bei einer Fernsehdebatte als „korrupt“ angegriffen hatte, schrieb Rafsanjani einen offenen Brief an Khamenei. „Ich erwarte von Khamenei, dass er das Feuer löscht, dessen Rauch bis zur Atmosphäre reicht. Wenn im Wahlkampf falsche Verdächtigungen gemacht werden können, wie können wir uns dann noch als Nachfolger eines heiligen Islamischen Systems ansehen.“

Eine unverhohlene Kritik an Khamenei selbst, der sich hinter Ahmadinejad gestellt hatte. In dem Machtkampf, der nicht nur auf der Straße, sondern auch hinter den Kulissen stattfindet, steht die Person Rafsanjanis nicht so sehr gegen Ahmadinejad, sondern vielmehr gegen Revolutionsführer Khamenei selbst.

Unbestätigten Berichten zufolge arbeitet Rafsanjani in der heiligen Stadt Qom daran, im 86-köpfigen Islamischen Expertenrat, dem er vorsteht, eine Mehrheit zu finden, um Khamenei abzusetzen. Dieser gab am Wochenende vorsorglich einen Warnschuss ab und ließ fünf Familienmitglieder Rafsanjanis „zu deren eigener Sicherheit“ verhaften, darunter auch Rafsanjanis Tochter Faezeh Hashemi, die persönlich zu den Demonstranten gesprochen hatte. Am Montag wurden sie wieder freigelassen.

Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Ironie, war es doch Rafsanjani, der nach dem Tod des Vaters der Islamischen Revolution, Ayatollah Khomeini, daran gearbeitet hatte, Khamenei in sein Amt zu hieven. Damals überzeugte er den Expertenrat, den in der Hierarchie der Geistlichkeit nicht ganz oben stehenden Khamenei als Revolutionsführer und damit als Mann mit dem letzten Wort im Iran zu bestimmen.

Reich und wenig populär

Rafsanjani hoffte wohl, den wenig charismatischen Khamenei, mit dem er das religiöse Seminar besucht hatte, kontrollieren zu können. Rafsanjani selbst machte lieber Geschäfte, was ihm den Namen „Pistazien-Millionär“ einbrachte und seiner Familie verdächtig hohen Wohlstand verschaffte. Seine Machtbasis hat er in der Klasse der Händler, der Basaaris. So war es nur eine Frage der Zeit, bis er für eine stärker marktorientierte Islamische Republik eintrat und für einen Iran, der die Zäune zum Rest der Welt flickt. Er setzte sich auch für mehr Freiheiten ein.

Populär war der skrupellose Politiker allerdings nie. Viele Iraner halten ihn für korrupt. Sie erinnern sich auch an die Zeit von 1989 und 1997, als er das Präsidentenamt innehatte. Es war eine Zeit verdeckter Mordaktionen gegen Dissidenten zu Hause und im Ausland.

Als Rafsanjani 2005 erneut als Präsidentschaftskandidat antrat, verlor er in der Stichwahl gegen den damals relativ unbekannten Revolutionsgardisten Ahmadinejad. Für viele Iraner liefen die Wahlen unter dem Motto eines alten persischen Sprichworts ab: „Hohes Fieber ist besser als der Tod.“ Rafsanjani und Ahmadinejad stehen für zwei „Geschäftsmodelle“: Der eine symbolisiert den alten Reichtum, der andere schützt die Interessen der neureichen Revolutionsgardisten, die sich in den vergangenen Jahren ein Geschäftsimperium aufgebaut haben.

Machtkampf in der Moschee?

Manche Iraner interpretieren Rafsanjanis Abtauchen als Machtverlust. Doch der Vorsitzende des Expertenrates bleibt eine Größe. Für nächsten Freitag, heißt es laut unbestätigten Berichten, habe Rafsanjani beantragt, die zentrale Predigt in Teheran halten zu dürfen. Damit würde der Machtkampf der Ayatollahs erstmals offen in der Moschee ausgetragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2009)


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