Iran: Massenprotest nach Amtseinführung

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Bei Ahmadinejads offizieller Bestätigung wurden Spannungen mit Khamenei deutlich. Das Spiel um die Vormachtstellung im Land war zuletzt immer deutlicher geworden.

Teheran. Es hat nur wenige Stunden gedauert, da waren die Straßen wieder voll. Kurz nach der Amtseinführung des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad haben am Montag erneut tausende Iraner gegen das Wahlergebnis protestiert. Selbst der Schauprozess gegen Oppositionelle lässt ihren Vorwurf des Wahlbetrugs nicht verstummen. Die Demonstranten versammelten sich an einem Platz am Rande des Zentrums von Teheran. Wie bereits bei früheren Kundgebungen versuchten Sicherheitskräfte, die Protestierenden auseinanderzutreiben.

Die iranische Führung verfolgt indessen ihr Programm strikt weiter: Am Montag hat der religiöse Führer Irans Ali Khamenei den umstrittenen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad in einer offiziellen Zeremonie als Präsident bestätigt. Am Mittwoch wird Ahmadinejad vor dem Parlament seinen Eid leisten. Gleichzeitig wird der am Samstag begonnene Schauprozess fortgesetzt.

Kein Zweifel: Für Khamenei wie für Ahmadinejad hat ein Ende des Streites um die Rechtmäßigkeit der Präsidentenwahl am 12. Juni höchste Priorität. Doch trotz dieses gemeinsamen Ziels, ist auch ihre Beziehung angespannt. Etwas davon war selbst bei der Zeremonie zu bemerken. Nachdem Ahmadinejad seine Urkunde von Khamenei überreicht bekommen hatte, machte er rasch einen Anlauf, die Schulter des religiösen Führers zu küssen, dem gab Khamenei nur zögerlich nach. Es sah so aus, als wäre es Ahmadinejad mit seiner schnellen Bewegung zum Schulterkuss vor allem darum gegangen, einen Handkuss zu vermeiden, der ihn als den klar Untergeordneten dargestellt hätte.

Machtspiel um Vizepräsidenten

Das Spiel um die Vormachtstellung im Land war zuletzt immer deutlicher geworden. Unverkennbar wurde dies bei der Bestellung von Esfandiar Rahim Maschaie als Vizepräsidenten. Ahmadinejad konnte sehr wohl wissen, dass Maschaie, dem vorgeworfen wird, der verbotenen Hojjatiyeh-Sekte anzugehören, ein rotes Tuch für Khamenei sein würde. Khamenei forderte sofort die Abberufung Maschaies. Doch Ahmadinejad stellte sich einfach taub, bis der in aller Öffentlichkeit ausgeübte Druck so stark wurde, dass Maschaie von selbst zurücktrat. Gleich darauf wurde Maschaie von Ahmadinejad jedoch zu seinem Stabschef ernannt.

Zwei Minister sind während des Streites um das Amt des Vizepräsidenten zurückgetreten. Doch am Ende blieb Khamenei nichts übrig, als dies hinzunehmen. Denn nachdem er Ahmadinejads Wahl gepriesen und darin sogar „die Hand Gottes“ erkannt zu haben glaubte, hätte eine längere Krise mit Ahmadinejad nur seine eigene Glaubwürdigkeit untergraben.

Ob der Schauprozess gegen die Reformer das Ende des Streites um die Wahl bringen wird, bleibt so ungewiss wie das Verhältnis Ahmadinejads zu Khamenei. Da sitzen über 100 Angeklagte in einem sinister wirkenden Raum des Revolutionsgerichtes in Teheran, ohne Anwälte und ohne Öffentlichkeit, wenn man von der Kamera der halbamtlichen Agentur Fars absieht. In der Anklage wurden die Straftaten nicht nach dem Gesetz spezifiziert, doch jeder der Angeklagten weiß, dass er mit der Todesstrafe rechnen muss.

Die zum Teil vor der Kamera gemachten „Geständnisse“ klingen wie Zitate aus den Reden eines Teiles der iranischen Konservativen. Nach gut sechs Wochen Haft, den möglichen Tod vor Augen, gestand selbst Khatamis ehemaliger Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi, dass der Vorwurf des Wahlbetruges ein Schwindel gewesen sei. Schließlich bedankte sich Abtahi mit zitternden Händen bei den Beamten, die ihn verhört hatten, sogar dafür, dass sie ihm den rechten Weg gezeigt hätten.

Einschüchterung wirkt nicht

Die übrigen Führer der Opposition sitzen zwar virtuell mit auf der Anklagebank, denn sie wurden vom Ankläger als Mitverschwörer genannt. Doch sie sind nicht eingeschüchtert. Der ehemalige Präsident Mohammed Khatami nannte das Verfahren einen „Schauprozess“ und der unterlegene Präsidentschaftskandidat Hosein Musawi sprach von Geständnissen unter „mittelalterlicher Folter“. Nun zeigen auch die neuerlichen Protestkundgebungen, dass sich ein Gutteil der Bevölkerung nicht mundtod machen lässt.

Die Bilder aus dem Gerichtssaal sollten eigentlich Angst, sie können aber auch Wut verbreiten, und einige Iraner meinen, dass der Prozess Ahmadinejad und Khamenei mehr schaden als nützen werde.

AUF EINEN BLICK

Bestätigt. In einer feierlichen Zeremonie hat der religiöse Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, den Sieg Ahmadinejads bei der Wahl am 12. Juni für gültig erklärt.

Boykottiert. Die Opposition hat die Feierlichkeit boykottiert. Über Internet wurde erneut ein Massenprotest organisiert. An diesem beteiligten sich Tausende Bürger. Sicherheitskräfte versuchten, die Demonstration aufzulösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2009)


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