EU drängt Palästinenser zur "Wiedervereinigung"

Demonstration der Hamas
Demonstration der Hamas(c) EPA (Ali Ali)
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Die rivalisierenden Organisationen Hamas und Fatah haben am Montag erstmals seit fast einem Jahr Gespräche über eine Aussöhnung geführt. Die EU will eine palästinensische Einheitsregierung.

Vertreter der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas und der rivalisierenden Fatah-Bewegung von Präsident Mahmoud Abbas haben am Montag erstmals seit fast einem Jahr Gespräche über eine Aussöhnung geführt. Wie der Verhandlungsführer der Fatah, der Fraktionschef im palästinensischen Legislativrat, Azzam al-Ahmad, mitteilte, traf er am Rande von Gesprächen beider Gruppen mit dem ägyptischen Geheimdienst in Kairo mit einem Vertreter der Hamas zu einem langen Gespräch zusammen. Dabei sei Einigkeit über eine weitere Unterredung erzielt worden.

Die Europäische Union drängt auf eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah. Die von Ägypten geplante internationale Gaza-Geberkonferenz Ende Februar soll auch mögliche Versöhnungsschritte zwischen Hamas und Fatah zum Inhalt haben, sagte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) am Sonntag nach einem Nahost-Sondertreffen der EU-Außenminister in Brüssel.

"Es haben sich alle darauf verständigt, dass das ein ganz wesentlicher Punkt für den Erfolg sein muss. Es muss diese Spaltung zwischen Hamas und Fatah überwunden werden, damit es eine Zukunft für Gaza und Westbank geben kann", sagte Spindelegger. Aus der Diskussion sei klar hervorgegangen, dass es für Wiederaufbauhilfe im Gazastreifen Bedingungen gebe. Als solche nannte der Außenminister einen endgültigen Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel, die Frage der Aussöhnung von Hamas und Fatah und eine palästinensische Einheitsregierung, "damit es nicht wieder so passiert, dass nach einigen Wochen ein Teil - etwa die Hamas - losschlägt und wieder alles umsonst ist".

"Eine Wiedervereinigung des palästinensischen Volkes ist entscheidend", betonte auch der britische Außenminister David Miliband. Die 2005 getroffenen Vereinbarung zur Entsendung von EU-Beobachtern zum Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen bestehe nämlich nur mit der Palästinenser-Behörde.

Abbas-Regierung sieht sich als "einzig legitime Autorität"

Die Regierung von Abbas beharrt auf ihrem Anspruch, für sämtliche Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen zu sprechen. Nach dem Treffen mit den Außenministern der 27 EU-Staaten sagte Außenminister Riyad al-Malki, die Abbas-Regierung sei unter ägyptischer Vermittlung auch weiterhin zu "nationaler Versöhnung" mit der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Hamas-Bewegung bereit. Sie betrachte sich jedoch "als die einzig legitime Autorität auch in Gaza".

Die EU-Außenminister versicherten Malki, die Europäische Union sehe derzeit in der Palästinenserbehörde die einzig legitime Vertretung der Palästinenser. "Wenn die Hamas sich änderte und der Terror aufgäbe, dann gäbe es auch eine Möglichkeit zu direkten Gesprächen", sagte der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg. "Solange sie am Terror festhält und Israel zerstören will, kann man sie als Partner nicht ernst nehmen."

Eine "Konsensregierung" der Palästinenser würde nach Ansicht von EU-Diplomaten einen erneuten Einsatz von EU-Beobachtern an Grenzübergängen des Gazastreifen ermöglichen. Dieser Einsatz war 2005 zwischen EU und der Palästinenserbehörde vereinbart worden. Er wurde 2007 nach der Hamas-Machtübernahme im Gazastreifen abgebrochen. Die Unterbindung des Waffenschmuggels in den Gazastreifen ist Vorbedingung für Israels Zustimmung zur Öffnung der Grenze nach Gaza. Die EU-Außenminister hatten am Mittwoch ihre israelische Kollegin Tzipi Livni getroffen. Diese hatte vor einer generellen Grenzöffnung Garantien für ein Ende des Waffenschmuggels gefordert.

EU: 58 Millionen Soforthilfe

DIe EU-Kommission hat außerdem am Montag humanitäre Hilfe in der Höhe von 58 Millionen Euro für die betroffene palästinensische Bevölkerung im Nahen Osten angekündigt. 32 Millionen davon sollen als Soforthilfe für die "dramatische humanitäre Situation" in Gaza angewendet werden, 20 Millionen für die Unterstützung des Westjordanlandes. Die verbleibenden sechs Millionen sind für die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon bestimmt.

Der Sprecher von EU-Entwicklungskommissar Louis Michel verwies auf die sehr "ernste" Lage im Nahen Osten für die Bevölkerung. An Israel wurde appelliert, die Hilfslieferungen nach Gaza zuzulassen. Die Bedingungen für die rund 1,5 Millionen Palästinenser seien schrecklich. Michel, der sich auf einer Nahost-Reise befindet, sprach von Zerstörungen in so riesigem Ausmaß, dass es ihn "tief traurig" gemacht habe. "Nachdem ich die katastrophale Situation in Gaza mit eigenen Augen gesehen habe, ist mein Ruf für humanitäre Aktionen dringender denn je". Es gebe noch nie dagewesenes Leid und Hilfe sei einfach für das Überleben dieser Menschen notwendig.

(Ag.)

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