"Unglaublich diszipliniert": Wer ist Werner Faymann?

(c) Reuters (Leonhard Foeger)
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Porträt: Er hat – zumindest offiziell – nie etwas angestrebt und trotzdem alles erreicht. Wie tickt der SPÖ-Spitzenkandidat? Auf den Spuren eines politischen Phantoms.

WIEN. Die Frage ist ja, ob das Leben planbar ist. Oder wenigstens Politik. Oder wenigstens eine Nationalratswahl.

Liesing geht noch. Hier hat Werner Faymann alles im Griff. Am Liesinger Platz 3, da ist er zu Hause. Ein sechsstöckiges Gebäude, rote Türen. Die Volkshochschüler sind hier genauso daheim wie „Die gemütlichen Liesinger“ – so nennen sich die hiesigen Pensionisten. Die Bahn vor der Tür, die Bezirksvorstehung im Rapunzelturm gegenüber. Und ein Stück weiter stadtauswärts: das Geriatrie-Zentrum. Es ist ein guter Platz für die SPÖ und ihren Bezirksvorsitzenden.

Die Zeit ist im 23. Bezirk keineswegs stehen geblieben, aber sie vergeht ein bisschen langsamer als in der Löwelstraße, wo Faymann jetzt auch Quartier bezogen hat, seit ihn Kanzler Alfred Gusenbauer zum SPÖ-Chef bestellt hat. Die rote Zweigstelle Liesing hat ihr Büro im zweiten Stock. Monika Ulrich, die Sekretärin, hält die Stellung, wenn die Mandatare ausgeflogen sind zu Terminen oder, wie jetzt im Sommer, in den Urlaub. Sie sagt, was alle Sozialdemokraten hier sagen: „Wir schätzen ihn.“ Weil er so nett sei. Und so kommunikativ. Und so.

Andererseits: Was sollte sie auch anderes sagen? Faymann ist ihr Chef, er könnte bald auch ihr Kanzler sein, Frau Ulrich wird es frühestens am Abend des 28.September wissen, wenn der Nationalrat neu gewählt ist. Gusenbauer war gestern, die SPÖ hat ihn rüde abmontiert und an seiner Stelle Faymann installiert. Er soll der neue Heilsbringer sein – pragmatisch und sozialdemokratisch gestählt zugleich, damit sich die Umfragedaten und mit ihnen die roten Länder-Rebellen wieder beruhigen. Kann er das?

Das Handwerk des Brückenbauers hat Faymann schon in der Sozialistischen Jugend beherrscht, deren Chef er in den 80er-Jahren gewesen ist. „Im Gegensatz zum Dozenten Gusenbauer war er der Kumpelhafte, zu dem man immer kommen konnte“, erinnert sich Bernhard Odehnal, damals Genosse in der SJ, heute Journalist beim Schweizer „Tagesanzeiger“. Dafür habe Faymann den Konflikt gescheut, „nie Position gegen die Partei bezogen“ und den SPÖ-Granden stets signalisiert, „dass er die linken Rabauken eh im Griff hat“. Der Nachteil: „Keiner wusste, ob er links steht oder doch rechts.“

Der aalglatte „Feigmann“

Nur einmal hat der Juso Faymann öffentlich Farbe bekannt, als er im „Club 2“ ziemlich emotional gegen die Kirche losgezogen ist. Ansonsten aber ist er, so scheint es, bis heute ein politisches Phantom geblieben: Frei von Ideologie sei er, und mindestens aalglatt, ätzten „Parteifreunde“ in Salzburg. Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) hält Faymann für ein „Mysterium“. Seine Parlamentsgenossen tauften ihn vergangene Woche in „Feigmann“ um, weil er sich der EU-Debatte nicht stellte, die er selbst angezettelt hatte. Und Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) nennt ihn gar einen „Mann ohne Eigenschaften“. Ist er das?

Auf den ersten Blick mag das so wirken, sagt ein Wiener ÖVP-Politiker, der den Wohnbau-Stadtrat in der gemeinsamen Zeit studiert hat. „Wer ihn näher kennt, der weiß: Faymann hat Ecken und Kanten. Im Herzen ist er ein hundertprozentiger Roter, ein Sozialdemokrat, ein Sozialist. Das hat man bei jedem Spatenstich gesehen.“

„Fehler verzeiht er gar nicht“

Vielleicht ist „Fay-Mann ohne Eigenschaften“ ja nur eine Masche, eine taktische Notwendigkeit für die politische Karriere in Österreich. Oder, jedenfalls in der SPÖ: Über die SJ, die Zentralsparkasse und die Mietervereinigung ist er in den Wiener Gemeinderat und dann in die Stadtregierung gekommen. Manche sagen, Bürgermeister Michael Häupl habe Faymann weggelobt, als er zu seinem „Kronprinzen“ herangewachsen war. Fest steht: Gusenbauer hat ihn 2006 als Infrastrukturminister in seine Große Koalition geholt. Jetzt ist sein Jugendfreund obenauf und Gusenbauer unten durch. Wie hat das der Faymann gemacht? Und: Was macht ihn eigentlich aus?

„Unglaublich diszipliniert“ sei er immer schon gewesen, „nie abgehoben und sehr, sehr zielstrebig“. Das sagt Waltraud Karner-Kremser, sie kennt Faymann seit ihrem 14. Lebensjahr. Jetzt ist sie 42, SPÖ-Bezirksrätin in Liesing – und sein womöglich größter Fan: „Er ist ein Alpha-Tier, das Menschen mitreißen kann.“ Georg Niedermühlbichler, SPÖ-Gemeinderat in Wien und Präsident der Mietervereinigung, zeichnet ein ähnliches Psychogramm: „Die Biografie spricht für sich. Der Werner hat ja immer nur Führungsfunktionen innegehabt.“

Der Steckbrief des Wiener ÖVP-Kontrahenten von einst zeugt zumindest von Respekt: Beinharter Verhandler. Mit Handschlagqualität. Gibt sich nach außen hin jovial und bürgerlich. Arbeitet mit einem kleinen Team. Räumt Gegner aus dem Weg, wenn es sein muss. „Und Fehler verzeiht er gar nicht.“

Niedermühlbichler imponiert vor allem Faymanns Verhandlungsgeschick: Er beziehe alle Gruppen mit ein. Blicke über den Tellerrand hinaus. „Schafft es, andere ins Boot zu holen.“ Wie er das macht? „Er schließt Kompromisse – aber sicher nicht um jeden Preis.“ Der Mieter-Boss will das am Beispiel FPÖ dokumentiert wissen: „Das ist keine Taktik, wenn er eine Koalition mit Strache ausschließt. Er lehnt die Linie der FPÖ grundsätzlich ab.“

Das Spiel mit den Medien

Die Linie der „Kronen Zeitung“ hingegen lehnt Faymann selten bis gar nicht ab, er ist der Darling des Herausgebers, er hat Hans Dichand einen Leserbrief geschrieben und so den Rückwärtssalto der SPÖ in der EU-Politik verkündet. Die Art und Weise hat den Weggefährten nicht glücklich gemacht. Gewundert aber auch nicht: Die Medien nämlich, die habe Faymann schon als Juso für sich zu nutzen gewusst, erzählt Niedermühlbichler. Er erinnere sich an eine Zeitung namens „Müsli – Alternativnahrung für's Gehirn“, aus der „der Werner“ nicht nur einmal gelächelt habe.

Dem Zufall, da sind Freund und Feind einer Meinung, überlässt Faymann nämlich gar nichts. Er hat offiziell nie etwas angestrebt und trotzdem alles erreicht. Er ist ein perfekter Taktiker, ein Planwirtschaftler der Macht. Die Frage ist nur, ob das ausreicht, um eine Nationalratswahl zu gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2008)

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