NÖ: Ein Land als pathologischer Dauerschuldner

(c) APA HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
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Seit Jahrzehnten gibt Niederösterreich mehr aus, als es einnimmt. Die Folge: ein Milliardenberg an Schulden. Im Wahlkampf gerät die regierende ÖVP deshalb immer stärker unter Druck.

St. pölten. Darf es ein bisschen mehr sein? Mehr Geld für die Tierheime, für die Pendler, für Kinderbetreuungsplätze, Häuslbauer etc.: Wenn man den Parteien im niederösterreichischen Wahlkampf so zuhört, könnte man annehmen, dass im Budget die Millionen nur so darauf warten, verteilt zu werden.

Nüchtern betrachtet bleibt abseits aller Wahlkampfrhetorik aber die Tatsache, dass Niederösterreich Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro mehr ausgibt als es einnimmt. Im Rechnungsabschluss des Landes für 2011 stehen etwa 8,66 Milliarden Euro an Ausgaben nur 8,21 Milliarden an Einnahmen gegenüber. Selbst bereinigt um Korrekturen wie „Innere Anleihen“ (also buchhalterische Schulden, die das Land selber vorstreckt) hat Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein Defizit von 239 Millionen Euro ausgewiesen. Ein Ergebnis, auf das Sobotka durchaus stolz ist – im Budgetvoranschlag hatte er noch mit 50 Millionen mehr gerechnet, die dem Land 2011 fehlen werden.

Das ist nicht erst seit 2011 so. Wäre das Land ein Mensch, müsste man von einem pathologischen Dauerschuldner sprechen. Allein in den 20 Jahren, in denen Erwin Pröll Landeshauptmann ist (und, tatsächlich, weit darüber hinaus) hat Niederösterreich kein einziges Mal mehr eingenommen als ausgegeben. Ein Kurs, den es mit den meisten Ländern teilt: Dem Staatsschuldenausschuss zufolge haben nur Vorarlberg, Oberösterreich und das Burgenland im vergangenen Jahrzehnt eine Nulldefizitpolitik verfolgt. Und selbst diese Länder sind infolge der Finanzkrise zumindest kurzfristig davon abgewichen.

Die Folge ist, dass die SPÖ Niederösterreich (die diesen Kurs jahrzehntelang mitgetragen hat) heute auf Wahlkampfplakaten reimen kann „Der höchste Berg im Land ist der Schuldenstand“, ohne damit völlig Unrecht zu haben. Wie hoch dieser Schuldenstand genau ist – und damit die Frage, ob Niederösterreich im Ländervergleich tatsächlich die „rote Laterne“ trägt – hängt stark von der Betrachtungsweise ab: Während die ÖVP von „nur“ 3,3 Milliarden Euro Schulden ausgeht, rechnet das Team Stronach mit „bis zu elf Milliarden“.

Die 3,3 Milliarden Euro sind der aktuelle Stand der Finanzschulden – also jener Darlehen, für die das Land Zinsen zahlt. Das ist der Wert, mit dem auch der Staatsschuldenausschuss rechnet, wenn er die Pro-Kopf-Verschuldung ausweist, bei der Niederösterreich 2011 an vorletzter Stelle lag (2458 Euro vor Kärnten mit 2552 Euro).

Rechnet man aber nicht nur die Finanzschulden, sondern auch innere Anleihen, erst in der Zukunft fällige „Verwaltungsschulden“ sowie andere Schulden (etwa Bankkredite) dazu, kommt man schon eher in die Größenordnung, die das Team Stronach diagnostiziert. Insgesamt hat der Rechnungshof Ende 2010 Niederösterreich einen Schuldenstand von knapp über 13 Milliarden Euro attestiert. Sinnvoll ist diese Rechnung aber nur bedingt – vor allem, weil sie das laufende Budget nicht unmittelbar belasten.

Sobotka: „Krisenbewältigung“

Bleiben also die Finanzschulden, die 3,3 Milliarden Euro. Und die, verteidigt Sobotka, seien ja nicht Produkt einer schludrigen Budgetpolitik, sondern zwei Krisen geschuldet: dem Wiederaufbau nach dem großen Hochwasser von 2002 und den beiden Konjunkturpaketen infolge der Finanzkrise 2008. Diese Maßnahmen hätten die Schulden um rund 2,68 Milliarden nach oben schnalzen lassen.

Überhaupt versucht sich der Pröll-Stellvertreter inzwischen von dem Schuldenkurs der vergangenen Jahre zu distanzieren: Einerseits stünde den Schulden ein Finanzvermögen von rund sechs Milliarden Euro gegenüber – darunter die umstrittenen „Wohnbaugeld“-Veranlagungen, womit das Land unterm Strich ein Plus aufweise.

Andererseits fahre man ja seit 2011 ein Nulldefizit ein: Damals ist Sobotka dazu übergegangen, Reserven aufzulösen, weshalb die Finanzschulden heute rund 670 Millionen Euro niedriger sind als sie der Rechnungshof Ende 2010 ausgewiesen hat. Durch diesen „Griff in das Sparschwein“ weist Niederösterreich offiziell ein Nulldefizit aus – was in Wahlkampfzeiten gut ankommen soll. Bis das Land tatsächlich mit dem Geld auskommt, das es einnimmt, soll es aber noch bis 2016 dauern: Er wolle „den Tanker nicht zu schnell herumreißen“, sagt Sobotka – wohlwissend, dass für ein echtes Nulldefizit schmerzhafte Kürzungen notwendig wären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2013)

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