Pröll: "Halte aus, dass man mich beschimpft"

Proell Halte dass mich
Proell Halte dass mich(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In einer Woche stellt sich Erwin Pröll (ÖVP) seiner fünften Landtagswahl. Ein Gespräch über gutes Regieren, Macht und »den größten Bremsblock« in der Bundesregierung, Bildungsministerin Claudia Schmied.

Es gibt ein Plakat, auf dem steht „Regieren. Pröll.“ Ein Synonym für Sie?

Eigentlich schon. Denn das Regieren ist meine Aufgabe: Ein Landeshauptmann, der nicht willens ist zu regieren, hat es nicht verdient, Landeshauptmann zu sein. Meine Amtsauffassung ist, aufgrund des Vertrauens der Bevölkerung regieren zu müssen.

Was ist denn der Gegensatz von „Regieren“? Das, was die Große Koalition macht?

Regieren bedeutet, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Das ist leider aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsgrundlage im Bund nicht so deutlich ausgeprägt, weil dort keine klaren Verhältnisse herrschen. Wir in Niederösterreich haben kein Alibi, wenn wir eine Entscheidung nicht treffen. Das ständige Blockieren im Bund durch vordergründigen Zank um mehr Einfluss und um bessere Startpositionen für die Nationalratswahl ist wohl der Grund, warum in Niederösterreich 80Prozent der Bevölkerung mit der Landespolitik zufrieden, 75Prozent dagegen mit der Bundesregierung unzufrieden sind.

Wobei es in der Steiermark eine Große Koalition gibt, die wirklich regiert.

Ja, dazu braucht es auch einen Partner, der regieren will. Wir haben in Niederösterreich auch diese Zeit gehabt – bis zum Beginn dieser Regierungsperiode. Mit dem Wechsel der SPÖ-Führung ist etwas ins Land getragen worden, was wir früher nicht gekannt haben. Wenn zentrale Interessen des Landes berührt sind, hat jeder über seinen parteipolitischen Schatten zu springen, um ein gutes Ganzes zu machen. Und das ist in den ersten Wochen dieser Periode von meinem Visavis, SPÖ-Chef Leitner, über Bord geworfen worden.

Die steirische Koalition arbeitet ja vor allem so gut, weil sie angesichts eines massiven Schuldenbergs sparen muss. Sie haben auch Schulden, Sie werden auch sparen müssen.

Der Unterschied ist, dass die Steiermark nicht an das Rating von Niederösterreich herankommt: Wir haben das Triple-A. Aber das ist kein Grund, nicht ständig an Reformen und Sparmaßnahmen zu arbeiten. Die Steirer müssen etwa die Reform der Gemeindestrukturen nachholen, die wir schon in den 1970er-Jahren vollzogen haben.

Dennoch – angesichts der Schulden – was werden das für Sparmaßnahmen sein?

Erstens ist die Finanzsituation folgende: Wir haben 3,5Milliarden Euro Schulden und 6,5Milliarden Finanzvermögen. Zweitens haben wir als einziges Bundesland 2011 keine Schulden gemacht, und wir haben das Ziel, 2016 ein ausgeglichenes Budget zu haben.

Jetzt müssen Sie aber, um keine neuen Schulden zu machen, Geld aus dem Finanzvermögen nehmen. Derzeit lösen Sie dazu Teile der umstrittenen Veranlagungen des Landes auf. Konterkarieren Sie damit nicht das Ziel, dass sich diese Veranlagungen in den nächsten zehn Jahren wiederholen?

Das glaube ich nicht. Wir haben bisher rund 200Millionen aus dem „Landessparbuch“ zur Schuldenrückzahlung verwendet. Und wir haben 824Millionen Euro erwirtschaftet – aus diesem Betrag nehmen wir das heraus: Das Geld wird nicht dem Finanzstock entnommen.


Das Ergebnis der Veranlagungen hat der Rechnungshof zuletzt anders gesehen: Er hat von 602Millionen gesprochen, die in zehn Jahren erwirtschaftet wurden, plus einer einmaligen 200-Millionen-Prämie, die die Veranlagungsgesellschaft dem Land überwiesen hat.

Das ist ja kein Widerspruch. Außerdem ändert sich der Anteil des Erwirtschafteten ja ständig: Die 824Millionen sind inzwischen 860Millionen geworden – in nur wenigen Monaten. Sie sehen hier ein Variieren des Gewinnes.

Das kann sich auch schnell wieder ändern.

Ist Fluktuieren und Ändern wirklich die ideale Veranlagung für öffentliches Geld?

Ja, wenn man die Risken entsprechend minimiert. Wir haben das 2009 getan und haben das Portfolio mit dem Rechnungshof erarbeitet. Das Spekulationsverbot, das wir jetzt mit dem Bund vereinbart haben, ist de facto jener Weg, den wir seinerzeit in Niederösterreich erarbeitet haben.

Wie genau sind Sie in die Veranlagungen involviert? Kennen Sie die einzelnen Posten?

Ich bin Landeshauptmann und nicht Buchhalter. Wir haben fixe Gremien, Zuständigkeiten, Berichtspflicht und klare Verantwortungen.

Aber wie man bei Frau Burgstaller sieht, wäre es ganz schlau, Bescheid zu wissen.

Mit Salzburg und Frau Burgstaller lassen wir uns in Niederösterreich nicht vergleichen. Dort ist offensichtlich ein Weg gegangen worden, bei dem man nicht mehr wusste, wo bestimmte Summen sind – das ist bei uns nie der Fall gewesen. Der Kurs ist mit einem Dreiparteienbeschluss von FPÖ, SPÖ und ÖVP eingeschlagen worden. 2004 ist sogar mit den Grünen ein Beschluss gefasst worden, die Veranlagungen fortzusetzen. Aber in Vorwahlzeiten drehen sich viele auf der Ferse um und machen die Augen vor ihrer Verantwortung zu.

Würden Sie die Veranlagungen heute noch einmal so beschließen?

Da zitiere ich einen Experten, Gottfried Schellmann, der sagt, damals war das gang und gäbe. In der Zwischenzeit hat sich einiges aufgrund der internationalen Turbulenzen geändert; heute muss man vorsichtiger sein.

Wenn man die Landeshauptleute in Österreich anschaut, sind Sie sicher der, der „Regieren“ am wörtlichsten nimmt. Es gibt auch den Vorwurf, dass Sie das nicht so demokratisch angehen wie andere – was Sie natürlich entschieden von sich weisen. Woher kommt eigentlich das Missverständnis, dass Sie für einen charmanten bis zornigen Autokraten gehalten werden?

Ich verstehe meine Aufgabe so, selbstbewusst für das Land aufzutreten. Niederösterreich hatte lange kein Selbstbewusstsein. Dann ist die Landeshauptstadt gekommen, schön langsam ist das Selbstbewusstsein gestiegen. Und jetzt stellen Sie sich vor, hier würde jemand sitzen, der den Eindruck macht, dass er hinter allen Ecken einen Feind befürchtet. Das bin ich nicht – ich habe im Interesse des Landes auch ein entsprechendes Selbstbewusstsein zu haben. Und zum Machtanspruch: Herr Chefredakteur, warum kommandieren Sie die Redaktion? Es ist Ihre Aufgabe, zu führen – so wie meine auch.

Die Vorwürfe der fehlenden Demokratie ärgern Sie maßlos, oder?

Mich ärgert, wenn ich mit Persönlichkeiten verglichen werde, bei denen es ganz klar Demokratieverletzungen gibt. Natürlich bin ich jemand, der entscheidet – das gehört ja zum Amtsverständnis. Das ist auch der Grund, warum bei uns mehr weitergeht – wir hätten viele Dinge nicht nach Niederösterreich bekommen, wenn ich nicht entsprechend Kraft eingesetzt hätte.

Aber geht das nicht manchmal zu weit – wenn Ihr Landesgeschäftsführer verkündet „Wer ihn angreift, greift das Land an“?

Ich halte das aus, wenn man mich beschimpft. Aber wenn man das Land „Diktatur“ nennt und „Sauhaufen“, bitte ich um ein Verständnis, wenn ein Landesgeschäftsführer einmal deutlich zurückredet. „Sauhaufen“ kann nur jemand sagen, der glaubt, Niederösterreich hat nur 50 Gemeinden.

FPÖ-Chef Strache hat vor Kurzem gesagt, er glaubt, hinter Stronachs Kandidatur stecken SPÖ und ÖVP, um der FPÖ zu schaden. Wenn man Niederösterreich anschaut, könnte man diese absurde These fast glauben.

So stark ist die FPÖ in Niederösterreich nicht, dass man Dritte als Speerspitze gegen sie brauchen würde.

Es kursiert das Gerücht, dass wer Pröll wählt, auch Ihren Stellvertreter, Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka, als Nachfolger wählt.

Das sind Gerüchte der SPÖ, auf die wir nicht einsteigen: Ich trete an, um noch einmal fünf Jahre lang Landeshauptmann sein zu dürfen.

Aber in den fünf Jahren müssen Sie vielleicht einmal den Hof neu bestellen – oder wollen Sie 2018 noch einmal antreten?

Das weiß der liebe Gott.

Da Sie sagen, Sie treten wieder an, um Landeshauptmann zu werden: Es gibt wieder Aufregung wegen der ÖVP-Werbung „Bei uns kann man den Landeshauptmann direkt wählen“. Man kann Sie in den Landtag wählen, nicht als Landeshauptmann.

Das ist überhaupt keine Frage. Es wundert mich, dass einzelne Gruppierungen das infrage stellen – die SPÖ hat das mitbeschlossen. Und die Grünen haben sich politisch abgemeldet, weil sie jetzt nur mehr die Justiz als politisches Instrument hernehmen wollen.

Man schätzt, dass die Wähler, die einen Namen und eine andere Partei ankreuzen, ein Mandat ausmachen. Ist das gut so?

Ja. Wir sind auf einem Weg, wo die Menschen mehr Gesichter wählen wollen, nicht eine anonyme Partei. Wir sind mit dieser Gesetzesänderung in diese Richtung gegangen, und dadurch ist uns bei der letzten Landtagswahl sogar eine höhere Wahlbeteiligung gelungen.

Wenn Sie noch einmal Landeshauptmann werden, haben Sie noch einmal fünf Jahre vor sich. Jetzt gelten Sie als mächtigster Mann in der bürgerlichen Reichshälfte – was haben Sie in dieser Zeit mit der Macht vor?

Das Land weiterentwickeln.

Nur das Land, oder...

Wie durchschlagskräftig ich bin, entscheidet sich am 3.März. Und dass die Bundesregierung an Interessen eines Großbundeslandes nicht vorbei kann, ist klar. Das ist mein Aktionsradius.

Eine der wichtigsten Fragen des Landes ist die Bildungspolitik. Können Sie sich vorstellen, darin nach der Wahl wieder das Heft in die Hand zu nehmen?

Da bin ich schon allein deswegen zuversichtlich, weil ich annehme, dass nach der Nationalratswahl der größte Bremsblock weg sein wird: die Bildungsministerin. Sie hat in mehreren Bereichen total versagt, kann das aber durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit so gut kaschieren, dass sie sich immer noch in der Regierung hält. Ich weiß nicht, was dahintersteckt, dass sogar der Kanzler mehrmals vor ihr in die Knie gegangen ist – aber ich bin hoffnungsfroh, dass der Wähler bei der Wahl diesem Spuk ein Ende bereitet.

Steckbrief

Erwin Pröll
wurde am 24.Dezember 1946 im niederösterreichischen Radlbrunn geboren. Seine Eltern waren Weinbauern. Nach der Matura in Tulln studierte er an der Universität für Bodenkultur in Wien. Pröll ist Agrarökonom. 1972, noch vor seiner Promotion, begann er im Österreichischen Bauernbund als wirtschaftspolitischer Referent.

Landeshauptmann
von Niederösterreich ist Erwin Pröll seit dem 22.Oktober 1992. Davor war er Landeshauptmann-Stellvertreter bzw. – seit 1980 – Landesrat (unter anderem für Landwirtschaft und Umwelt). In Prölls Amtszeit übersiedelte die niederösterreichische Landesregierung von Wien nach St.Pölten. Unter den aktiven Landeshauptleuten ist Pröll der längstdienende.

2008
erreichte die ÖVP Niederösterreich mit Spitzenkandidat Pröll 54,39Prozent und damit die absolute Mehrheit.

Sein Privatleben
hält Pröll von der Politik fern. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Sein Neffe Josef Pröll war unter anderem Vizekanzler, Finanzminister und Bundesparteiobmann der ÖVP.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2013)

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